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Fremdenfeindliches Bautzen?

Forscher haben die Situation intensiv untersucht. Ihr Fazit: Die Skepsis gegenüber Flüchtlingen ist auffällig groß.

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© xcitepress

Von Sebastian Kositz

Bautzen. Bautzen, die Stadt steht für Senf und Stasi-Knast – inzwischen aber auch für Intoleranz und Ausländerfeindlichkeit. Nachhaltig geprägt haben das Image die Krawalle auf dem Kornmarkt im September 2016, aber auch wiederholte Attacken auf Asylsuchende. Eine wichtige Frage: Warum eine derartige Feindseligkeit überhaupt so offen wie in Bautzen zutage treten kann.

Genau diese Frage haben sich der Konfliktforscher Sebastian Kurtenbach von der Universität Bielefeld und sein Team jetzt gestellt – und Antworten gefunden. Für ihre Studie waren die Forscher sogar für drei Monate nach Bautzen gezogen und sprachen mit über 100 Menschen, wollten wissen, was Bürger, Politiker und Geflüchtete denken. Zugleich analysierten sie Medienberichte und weitere Dokumente. Die SZ stellt die Eckpunkte der Untersuchung vor.

Der Knackpunkt: Der schlagartige Zuzug von Flüchtlingen

Die Probleme traten auf, als plötzlich sehr viele Asylsuchende nach Deutschland und damit auch nach Bautzen kamen. Den Zuzug und die hastig organisierte Unterbringung haben viele Menschen in der Stadt als Bevormundung erlebt, sagt Sebastian Kurtenbach. Viele hätten dies als Schwäche des Staates wahrgenommen. „Die Rechten haben da angeknüpft“, sagt der Soziologe. Zugleich hätten Politiker und andere wichtige Akteure einen Teil der Gesellschaft nicht mehr erreicht.

Die Ursachen: Feindseligkeit ist nicht nur in Bautzen ein Problem

Tatsächlich waren alle Teile Deutschlands mit dem Zustrom konfrontiert – die meiste Gewalt gegen Flüchtlinge gab es aber nachweislich in Sachsen. Sebastian Kurtenbach sieht ein Muster darin, dass besonders in Regionen, in denen eine schlechte Infrastruktur vorhanden ist, vergleichsweise niedrige Löhne gezahlt werden, aber auch wo zuvor nur wenige Ausländer gelebt hätten und Vorbehalte gegen Fremde schon immer ausgeprägt waren, sich eine erhöhte Feindseligkeit bemerkbar mache. Diese Kriterien treffen allerdings nicht nur auf Bautzen oder ausschließlich auf Sachsen zu, betont der Wissenschaftler.

Die Rolle der Rechten: Breite Front gegen Asylsuchende

In der öffentlichen Debatte haben gleich eine ganze Reihe rechter und gut organisierte Gruppen mitgemischt. Rechte Rocker wie die Arian Brotherhood Eastside oder Gruppen wie StreamBZ, die sich hipp inszenieren und so viele Jugendliche erreichen. Beide Gruppen waren bei den Krawallen auf der Platte beteiligt. Eine wichtige Rolle spielte die rechtsextreme NPD. Nicht zuletzt hätten aber auch Rechtspopulisten von der AfD oder der Bautzener Initiative „Wir sind Deutschland“ großen Einfluss gehabt. Bei der Initiative gebe es laut Sebastian Kurtenbach sogar Indizien, dass Teile davon der Reichsbürgerbewegung nahestehen. Persönlich seien sich die Akteure meist spinnefeind und würden auch nicht unbedingt beim Weg zum Ziel übereinstimmen. Gemeinsam bilden sie aber eine wirkungsvolle Koalition gegen Geflüchtete.

Die Rolle der Zivilgesellschaft: Es fehlt der Widerspruch

Was die Gespräche mit deutschen Bürgern gezeigt haben: Wer nicht direkt betroffen ist, nimmt zumeist keine Probleme wahr, sagt Sebastian Kurtenbach. Insgesamt gebe es eine ausgeprägte Skepsis gegenüber Geflüchteten. Stilles Einverständnis und mangelnder Widerspruch hätten zu einer vermeintlichen Legitimation von Gewalt geführt. Der Wissenschaftler verweist auf ein Beispiel, das er selbst erlebt habe: So seien mitten am Tag auf dem Kornmarkt Geflüchtete mit Affenlauten beleidigt worden – ohne dass es andere gestört hätte. Das decke sich mit dem, was Flüchtlinge bei den Befragungen sagten: Nahezu alle hätten Ausgrenzung und über die Hälfte Gewalt erlebt. Diskriminierung werde auch durch Behörden und die Polizei wahrgenommen.

Unterschiede gibt es indes bei der Beurteilung von Gewalt. Die Gewalt von Flüchtlingen werde oft als Ausländerkriminalität bezeichnet und einer ganzen Gruppe zugeordnet. „Gleiches passiert, bezogen auf Deutsche, nicht“, so der Soziologe. Gewalt von Deutschen werde meist nicht als fremdenfeindlich empfunden, sondern als gewöhnlicher Streit zwischen Jugendlichen.