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Freie Schulen bangen um neue Schüler

Sachsen will nicht länger Schulgeld für Kinder sozial schwacher Familien bezahlen. Die könnten deshalb auf staatliche Schulen ausweichen.

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Von Sandro Rahrisch

Für die freien Schulen im Landkreis Meißen wird es ernst: Der Freistaat will nicht länger Schulgeld für Kinder aus finanzschwachen Familien bezahlen. Die Regelung gilt ab August für ABC-Schützen und Schüler, die auf die Mittelschule, das Gymnasium der Freien Werkschule Meißen oder auf eine freie Berufsfachschuole wechseln. Dort, wo die Hilfe schon bewilligt wurde, läuft sie bis zum Schulabschluss oder Schulartwechsel weiter. Jetzt fürchten die Einrichtungen, dass sich mehr und mehr Eltern für staatliche Schulen entscheiden, wo kein Schulgeld erhoben wird. Passiert das, wird das Budget Jahr für Jahr schrumpfen.

Das eröffnet zunächst ein finanzielles Problem. Allein an der Freien Werkschule zahlt der Freistaat jährlich rund 8000 Euro Schulgeld für Kinder, deren Eltern zum Beispiel Sozialhilfe zum Lebensunterhalt brauchen. „Wir können diesen Familien in Zukunft nicht einfach das Schulgeld erlassen“, sagt Geschäftsführerin Dorothee Neidhardt. Ihnen soll die Möglichkeit geboten werden, einen geringeren Beitrag zu zahlen. Dennoch: Den Ausfall kann die Schule nicht ausgleichen. „Wie lange wir das durchhalten können, müssen wir sehen“, sagt Dorothee Neidhardt.

Soziale Abkopplung droht

Das weitaus größere Problem sei allerdings die soziale Abkopplung der freien Schulen, wenn nur noch Kinder aus sozial gut situierten Familien gemeinsam lernen. „Das widerspricht den pädagogischen Profilen der Schulen“, sagt Konrad Schneider von der Arbeitsgemeinschaft der sächsischen Schulen in freier Trägerschaft. Die Landesregierung gehe zwar davon aus, dass der „Mix“ so bleibt wie bisher, sagt Dorothee Neidhardt. Grundgedanke sei das Sonderungsverbot, wonach jedermann die Möglichkeit haben muss, freie Schulen zu besuchen – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. „Doch laut höchstrichterlicher Rechtssprechung gilt ein Schulgeld zwischen 120 und 150 Euro noch nicht als Sonderungsgrund.“ Rechtlich wäre es schwer, die Schulen zur Verantwortung zu ziehen, obwohl de facto eine Sonderung da wäre. Sodass sich ab dem neuen Schuljahr die Frage stellen wird: Wer soll das Sonderungsverbot denn nun gewährleisten?

Die Arbeitsgemeinschaft sieht den Freistaat in der Pflicht. Immerhin gebe es Schulen, in denen der Anteil hilfebedürftiger Schüler über 50 Prozent liegt. Im Landkreis Meißen liegt er durchschnittlich bei zehn Prozent. Das sei kaum auszugleichen.

Die Arbeitsgemeinschaft und die Landtagsfraktion der Grünen wollen einen Antrag in den sächsischen Landtag einbringen, der das umstrittene Gesetz noch kippen oder abändern könnte. Die Schulen rechnen sich aufgrund der geringen Fraktionsstärke der Grünen aber wenig Chancen aus. „Schlägt der Antrag fehl, muss jede Schule für sich entscheiden, wie es weitergeht“, sagt Konrad Schneider. Eine Möglichkeit wäre, besserverdienende Eltern stärker zur Kasse zu bitten und im Gegenzug sozial schwächere Familie beim Schulgeld zu entlasten. Auch die Suche nach neuen Patenschaften, also Sponsoren, sei denkbar.

Ehrenamtliche Arbeitseinsätze

Die Cèlestin-Freinet-Grundschule in Friedewald versucht bereits jetzt, viele Arbeiten über die ehrenamtliche Hilfe der Eltern zu erledigen. Bei größeren Baumaßnahmen wird zum Spenden aufgerufen. Die Einrichtung bei Moritzburg trifft es übrigens weniger stark. Die letzten Jahre hätten gezeigt, dass es nur wenige sozial schwache Familien gab, die ihre Kinder in Friedewald anmelden wollten und Antrag auf Schulgeldersatz stellen mussten, sagt die Geschäftsführerin des Trägervereins Kinderland Sachsen, Katrin Merker.