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Frau Strahl will spielen

Die Ur-Kittlitzerin wünscht sich einen Mehrgenerationen-Spielplatz an einem symbolischen Ort. Doch es gibt Bedenken.

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© www.rafa-sampedro.de

Von Markus van Appeldorn

Kittlitz. Einen kinderfreundlichen Beschluss hatte der Löbauer Stadtrat da Mitte Juni gefasst. Der Geldregen vom Freistaat im Rahmen der „Kommunal-Pauschale“ von jährlich 70000 Euro über drei Jahre soll allein dem Neubau und der Unterhaltung von Löbaus Kinderspielplätzen zugutekommen. Nur ausgerechnet Kittlitz soll nicht davon profitieren – Sicherheitsbedenken wegen des angedachten Standortes.

Das mag Dore-Kathrein Strahl nicht verstehen. Die 73-jährige Witwe des kürzlich verstorbenen Künstlers Dieter Strahl wohnt zwar schon lange in Löbau, ist aber eine Ur-Kittlitzerin. „Seit meinem zweiten Schuljahr bin ich in Kittlitz aufgewachsen, sagt sie, „und später war ich über 40 Jahre lang Erzieherin in der Kittlitzer Kita.“ Deshalb war sie begeistert von dem Vorschlag der CDU-Fraktion des Löbauer Stadtrates, in Kittlitz auf dem Grundstück des ehemaligen Gasthofs „Goldene Weintraube“ nach dessen Abriss einen sogenannten Mehrgenerationen-Spielplatz zu errichten. Auf solchen Spielplätzen gibt es nicht nur Spielgeräte für Kinder, sondern auch solche, an denen sich Senioren fit halten oder ihre Motorik trainieren können. So können Großeltern gemeinsam mit ihren Enkelkindern wertvolle Zeit auf einem Spielplatz verbringen.

Dore-Kathrein Strahl würde das begrüßen. „Als meine Enkel noch jünger waren, habe ich mit ihnen oft auf dem Fußballplatz hinterm Haus in Löbau-Ost gespielt. Ich hab mich immer ins Tor gestellt“, erzählt sie. Sie wünscht sich, dass viele Menschen ihrer Generation auch aktive Zeit mit ihren Enkeln gestalten können. Der Standort in Kittlitz sei auch groß genug, dort neben Spielgeräten auch Ballsportanlagen anzubringen, etwa Basketballkörbe.

Doch der Standort stieß im Stadtrat auf Sicherheitsbedenken. Linke-Stadtrat Professor Manfred Klatte, als Senior einem solchen Spielplatz-Projekt gegenüber generell wohlwollend eingestellt, wandte ein: „Als Kinderschützer warne ich grundsätzlich davor, einen Kinderspielplatz an der Kreuzung zweier Hauptverkehrsstraßen zu errichten.“ Die Bedenken mag Dore-Kathrein-Strahl nicht nachvollziehen. „Gegenüber ist die Schule. Dürfen die Kinder jetzt etwa den Pausenhof nicht mehr benutzen?“ Darüber hinaus stehe auf dem Gelände des ehemaligen Gasthofs „Goldene Weintraube“ bereits eine große Hecke. „Außerdem kann man Fangnetze anbringen“, sagt sie, damit keine Bälle auf die Straße fliegen.

Professor Klatte ging es bei seinen Bedenken dabei gar nicht mal darum, dass man keine hohen Zäune um das Gelände ziehen könnte – etwa, um zu verhindern, dass Bälle auf die Straße fliegen. Das Problem sah er viel mehr im Zugang zum Spielplatz. An der Stelle gebe es keinen Fußgängerüberweg. Es wäre für Kinder daher gefährlich, dorthin zu gelangen. Die CDU-Fraktion zog ihren Antrag für den Kittlitzer Standort daher zurück. Tatsächlich herrscht auf beiden sich kreuzenden Straßen an Wochentagen reger Schwerlastverkehr von Fahrzeugen, die zum Beispiel das Gewerbegebiet Kittlitz ansteuern.

Das sieht Dore-Kathrein Strahl ein, hofft aber dennoch, dass in der Sache noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. „Die Weintraube wird ja nicht gleich morgen abgerissen“, sagt sie. Wenn irgendwann die B 178 weitergebaut werde, würde das ja den größten Teil des Schwerlastverkehrs aus dem Ortskern von Kittlitz heraushalten. „Ich glaube schon, dass der Verkehr in absehbarer Zeit hier weniger wird“, sagt sie. Auch ein Fußgängerüberweg an der Kreuzung sei eine Lösung. Es könne ja schließlich nicht so schwer sein, dort einen zu bauen. Der würde schließlich auch zur Sicherheit von Schülern dienen, die zu Fuß zur Schule gehen und nicht direkt vor dem Schulhof aus dem Bus steigen.

Sie hält den Standort vor allem auch für symbolisch wertvoll für die Errichtung eines Mehrgenerationen-Spielplatzes. „Die ‚Goldene Weintraube‘ war ja ein Mehrgenerationen-Haus, die ‚Goldene Weintraube‘ war in Kittlitz alles“, erinnert sie sich an die Zeit, als das Gasthaus die soziale Keimzelle des Dorflebens bildete. „Ob Pfingsttanz, Ostertanz, Schuleintritt oder Jugendweihe – wir haben einfach alles dort gefeiert“, sagt Strahl. Aus der in der „Goldenen Weintraube“ gegründeten Laienspielgruppe sei später der Kittlitzer Faschingsclub hervorgegangen. „Da war mein Vater lange Präsident und hat den heutigen Präsidenten quasi großgezogen. Der war wie ein Sohn“, sagt sie. Die jungen Fußballer hätten sich dort nach dem Training oder ihren Spielen getroffen. Und weil zum Leben auch der Tod gehört, hätten selbst die Sargträger dort nach Beerdigungen eine Art Stammtisch gehabt.