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Flüchtlinge bauen Spiele für draußen

Die Vielfalts-Initiative organisiert fünf neue Projekte mit Asylbewerbern. Diese machen sogar den Bundesminister für Landwirtschaft neugierig.

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© Norbert Millauer

Von Ulrike Keller

Coswig. Und hoppla. Mit Karacho springt der quietschgrüne Schaumstoffwürfel übers Feld. Das liegt auf vier mal vier Metern unter den Spielerfüßen. Eine Vier. Joris Czytrich marschiert zum grünen Holzquader, seiner Spielfigur. Die greift er durch Löcher auf der Oberseite wie eine Bowlingkugel und trägt sie vier Felder weiter. Habibi, 37, aus Afghanistan und Ahmed, 14, aus Syrien spielen beide mit Gelb. Andere Figuren sind noch nicht fertig.

Was hier im Spitzgrund Laune macht, ist die Coswiger Antwort auf „Mensch ärgere dich nicht“. Extragroß und extra für draußen entwickelt, heißt diese selbst gebaute Variante „Vielfalt ärgert sich nicht!“. Denn dahinter steckt eines von fünf neuen Projekten, die die Initiative Coswig – Ort der Vielfalt ins Leben gerufen hat.

„Es geht darum, gemeinsam etwas zu tun“, erklärt Vereinschefin Christiane Böttger die verbindende Idee der Einzelvorhaben. Sie bilden ein Projekte-Paket, das im Rahmen des Programms „500 Landinitiativen“ vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert wird. Dieses unterstützt ehrenamtliches Engagement zur Integration von Flüchtlingen mit Bleibeperspektive gezielt im ländlichen Raum. Darunter fallen Kommunen mit weniger als 30 000 Einwohnern. In Coswig leben aktuell 176 Flüchtlinge aus 14 Ländern.

An jedem Projekt können sich etwa 15 Flüchtlinge beteiligen. Initiativenmitarbeiter Joris Czytrich baut zusammen mit ihnen Spielfiguren. „Vielfalt ärgert sich nicht!“ soll unter anderem beim Fest der Vielfalt im September zum Einsatz kommen. Bis dahin werden voraussichtlich auch noch andere Kreationen entstehen. „Wir beschäftigen uns in diesem Projekt mit Spielen aus aller Welt“, erzählt die Vereinschefin. Die Mitstreiter seien in der Ideenfindung, welche Klassiker aus ihrem Herkunftsland sich nachempfinden ließen.

Ein zweites Projekt sieht ab September eine deutsch-internationale Kochschule vor. Fünf Veranstaltungen sind angedacht. Bei jedem Treffen zaubert eine Gruppe von Flüchtlingen eine typische Speise aus ihrem Herkunftsland, und parallel bereitet ein Coswiger Koch ein bekanntes Gericht aus einer bestimmten deutschen Region zu. So bringen sich auf kulinarische Weise Flüchtlinge und Coswiger ihr Land gegenseitig näher.

Als Zutaten sollen einheimische wie exotische Kräuter und Kulturpflanzen Verwendung finden, die im Interkulturellen Garten geerntet werden. Dort hat die Initiative vor Kurzem mit Flüchtlingen einen „Naturlehrpfad“ angelegt, das dritte Projekt des Fünfer-Pakets. Die bereits angebrachten Texttafeln zu den Pflanzen sollen noch in andere Sprachen übersetzt werden, erzählt Christiane Böttger.

Darüber hinaus ist ein viertes Projekt geplant, mit dem die Initiative ihr vorhandenes Netzwerk ausbaut. Ziel sind regelmäßige Treffen mit Behörden wie mit anderen Initiativen im Landkreis und in Dresden, um einen fachlichen Austausch auf allen Seiten zu fördern.

Und schließlich besteht Projekt Nummer fünf in einer Workshopreihe, die das Thema Islam von ganz verschiedenen Seiten betrachtet. „Wir wollen einen Imam aus Berlin einladen, eine Muslima und einen Religionswissenschaftler“, verrät Christiane Böttger. Zudem sei ein Seminar zum Asylrecht angedacht – mit Schwerpunkt Abschiebepraxis nach Afghanistan.

Das umfangreiche Projekte-Paket läuft bis Februar 2018. Dafür erhält die Initiative die volle Fördersumme in Höhe von 10 000 Euro. Und mehr noch. Die Ideen haben beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft besondere Aufmerksamkeit gefunden. Aus den 500 Flüchlingshilfe-Initiativen, die bundesweit gefördert werden, suchte er zehn aus, die er im persönlichen Gespräch näher kennenlernen möchte. Zu diesen Auserwählten gehören die Coswiger. Am 29. Juni ist Sprecher Sven Böttger nach Berlin eingeladen. Dafür unterbricht er auch gern seinen Urlaub.