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Flaute hinter der Grenze

Seit Monaten wird in Neurehefeld die Straße Richtung Tschechien gebaut. Das hat nicht nur für Tanktouristen Folgen.

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© Egbert Kamprath

Von Steffen Neumann

Neurehefeld. Die Tankstelle am Grenzübergang Moldava/Neurehefeld ist eigentlich ein beliebtes Ziel sächsischer Tanktouristen. Wo sich sonst Fahrer die Zapfsäule in die Hand geben, gähnt allerdings gerade Leere. Seit das Landesamt für Straßenbau und Verkehr die Grenzstraße S 184 erneuern lässt, ist der Übergang für Autos gesperrt. Tankwartin Alena Vukolembus könnte die Station eigentlich zumachen. Ihr Umsatz ist um die Hälfte eingebrochen. Aber auf den Gedanken würde sie nie kommen, sagt sie. „Nein, Langeweile habe ich nicht. Im Gegenteil, kürzlich bin ich sogar ganz nach Moldava gezogen, um noch mehr für die Kunden da zu sein.“

Wegen Brückenbau ist die Straße nach Moldava für Fahrzeuge gesperrt.
Wegen Brückenbau ist die Straße nach Moldava für Fahrzeuge gesperrt. © Egbert Kamprath
Gähnende Leere auch auf dem Vietnamesenmarkt.
Gähnende Leere auch auf dem Vietnamesenmarkt. © Egbert Kamprath

Die Umleitung für Autofahrer verläuft über den Grenzübergang Zinnwald/Cinovec. Offenbar ist diese dann doch zu weit, zumal es ähnliche Tankstellen mit ähnlichen Preisen auch dort gibt. Denn Tanken in Tschechien lohnt immer noch. Der Preisunterschied bei Benzin liegt je nach Station umgerechnet bei ungefähr 10 bis 15 Cent pro Liter. Wenn die Fahrer dann noch die Reservekanister auffüllen, ergibt sich eine satte Ersparnis.

Alena Vukolembus kennt ihre deutschen Kunden, viele seit Jahren. Ihre Stammkunden haben ihre Telefonnummer und halten ihr trotz Umweg die Treue. Falls sich mal jemand zu später Stunde noch ankündigt, kommt sie schnell aus der Wohnung rüber. Oder einer ruft an, um nach den Preisen zu fragen. In der Not wird Vukolembus erfinderisch. Für ihre Kunden organisiert sie schon mal den Transport von Kanistern über die Baustelle auf die deutsche Seite. Dabei hilft ihr einer der vietnamesischen Grenzhändler. „Die haben gerade auch nichts zu tun“, nickt sie Richtung der Läden, die die Straße an der Grenze säumen.

Die machen einen geschlossenen Eindruck. Wo mal Pflanzen verkauft wurden, wuchern die verlassenen Reste vor sich hin. Vor einem anderen Laden sitzen zwei Frauen, die eine macht der anderen die Haare. Die erzwungene Pause nehmen sie gelassen, aber wegen Nachfragen verweisen sie auf den Nachbarn in dem Laden ein paar Schritte die Straße hinunter. Dort an der Ecke ist zwar geöffnet. Doch es dauert, ehe jemand auf Rufen reagiert. „Mein Bruder hat die Zeit für einen Besuch in Vietnam genutzt, und ich kümmere mich um den Anbau, den wir eröffnen wollen, wenn die Straße wieder frei ist“, sagt der Händler. Seine Bilanz ist noch niederschmetternder. „Kommen am Wochenende sonst 300 Kunden pro Tag, sind es jetzt bestenfalls fünf.“ Dafür reicht der Verkauf mit halber Kraft.

Doch auf einmal steht ein Kunde aus Sachsen in der Tür. Ganz ohne Autogeräusch. Wie ist der denn hierher gekommen? „Na ganz normal, über die Grenze“, sagt Herr Hoffmann aus Freital, grinst und packt ordentlich Zigaretten ein, dazu eine Packung Kaffee, das Übliche. Draußen vorm Laden dann des Rätsels Lösung. Er schwingt sich auf seinen Motorroller und steuert das Gefährt sicher durch die Baustelle zurück.

Auch wenn jeder in Moldava die erzwungene Auszeit so gut es geht zu nutzen versucht, nervt sie langsam. Für den Ort ist die Baustelle an der Grenze ein harter Schlag, bestätigt die stellvertretende Bürgermeisterin Eva Kardova. „Bei uns kaufen eigentlich ausschließlich Kunden aus Sachsen ein, und die fallen derzeit fast komplett weg“, beschreibt sie die Situation. Das Schlimme ist, dass sich der Bau länger hinzieht als ursprünglich angekündigt. Das Landesamt hatte den Abschluss der Arbeiten für Oktober geplant. Inzwischen wird kein offizieller Termin der Fertigstellung mehr angegeben. „Es wird eine Verkehrsfreigabe vor der Winterperiode angestrebt“, sagt Nicole Wernicke vom Landesamt für Straßenbau. Während die Straße eigentlich fertig ist, wird an der Brücke noch gewerkelt. Dort stellte sich beim Abbruch der Kappen heraus, dass die „Kappenverlängerungen nur auf einer 20 Zentimeter starken Unterbetonschicht gebettet waren“, erklärt Wernicke. Deshalb musste neu geplant werden.

Ganz menschenleer ist das Dorf übrigens nicht. Statt Kunden im kleinen Grenzverkehr bevölkern den Grenzort zunehmend Radtouristen. Bürgermeisterin Kardova sieht es mit Freude. „Das sind vermehrt Tschechen, die uns entdecken. Aber auch Deutsche. Radfahrer kommen ja über die Brücke“, sagt sie.