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Feinstaub-Streit an der Neiße

In Görlitz wird oft schlechte Luft gemessen. Schon länger wird der Grund im nahen Kraftwerk von Bogatynia vermutet. Erkenntnisse polnischer Öko-Aktivisten könnten die Vermutung jetzt erhärten.

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© Wolfgang Wittchen

Von K.-P. Längert und A. Beutler

Wenn der Wind im Winter aus Osten kommt, gibt’s von Görlitz bis Zittau immer wieder dicke Luft. Unsichtbar verteilen sich dann im ungünstigsten Fall feinste Teilchen über die Region und die Messfühler des Umweltbundesamtes schlagen zum Feinstaubalarm aus. So kommt es auch, dass in den beiden Grenzstädten immer wieder der amtlich festgelegte Grenzwert für die Feinstaubbelastung überschritten wird. Bislang hieß es von den Behörden, die unsichtbaren Schwebeteilchen kämen „aus Osteuropa“. So konkret, wie der Görlitzer Bürgermeister Michael Wieler im Frühjahr 2017 die staubigen Winde von den Halden des Turówer Kraftwerkes und die Kohlefeuerung im Nachbarland dafür verantwortlich machte, benennt es selten eine Analyse. Vielleicht auch deshalb, weil bislang die Beweise dafür fehlten.

Dabei fielen die Messwerte an den beiden Stationen im Kreis – in Görlitz und Zittau – immer wieder negativ auf, ohne dass sie sich allein aus Wetterlage oder Verkehrsaufkommen erklären ließen. Für 2017 wiesen die Messdaten für Zittau beispielsweise deutschlandweit Platz sieben unter den Feinstaubhochburgen aus. Effektiv etwas dagegen tun, so hieß es auf deutscher Seite stets, könne man kaum, da vieles aus Osten herübergeweht komme.

Polnische Umweltaktivisten setzen nun bei diesem Thema an und wollen die Anwohner in und um Bogatynia wachrütteln und aufklären: Mitglieder der niederschlesischen Umweltorganisation Eko-Unia haben eine Bürgerversammlung an diesem Donnerstag in Bogatynia angekündigt, die sich um Luftverschmutzung und Feinstaub im Dreiländereck drehen soll. Das teilten sie jüngst auf einer Pressekonferenz in Wroclaw mit. Bei der Veranstaltung soll sich ein Vertreter der Woiwodschaftsinspektion für Umweltschutz (WIOS) konkret zu den Analysen der Messungen von Luftverschmutzungen in der Region seit 2015 äußern.

Das Inspektorat für Umweltschutz in Bogatynia-Zatonie hatte nämlich von 2015 bis 2017 immer wieder Messungen durchgeführt. So waren vor drei Jahren an der Messstation Französische Straße an 172 Tagen Normüberschreitungen registriert worden – tolerabel ist dies eigentlich nur an 35 Tagen. Während eines weiteren, siebenmonatigen Überprüfungszeitraums im letzten Jahr – von Februar bis Juni sowie von Oktober bis Dezember – wurden die zulässigen 50 Mikrogramm je Kubikmeter Luft an 67 Tagen überschritten. Nach WIOS-Angaben wurde die Hälfte der Überschreitungen 2015 außerhalb der Heizsaison registriert. Als eine der Hauptquellen für die Staubemissionen wurde der Tagebau Turów ausgemacht.

Man wisse um die verschiedenen Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen, erklärte ein Vertreter der Umweltorganisation nun. Offenbar zeigten diese jedoch nicht in ausreichendem Maße Wirkung. Wie schädlich die hohe Feinstaubbelastung für die Anwohner sein kann, soll zur Bürgerversammlung am Donnerstag ein Arzt der Klinik für Innere Krankheiten und Allergologie der Medizinischen Universität Breslau erörtern. Zudem sind noch zwei weitere Redner von der Initiative „Niederschlesischer Smog-Alarm“ (DAS) angekündigt, die über die Umsetzung des Anti-Smog-Beschlusses für das polnische Niederschlesien sowie über die Verminderung der Luftverschmutzung sprechen werden.

Die Ökoaktivisten wollen mit ihrem Engagement vor allem zur Verbesserung der Luftqualität beitragen und fordern ein dauerhaftes Monitoring der Luftwerte. „Die Menschen hätten ein Recht zu wissen, was sie einatmen und wann und wie man sich schützen solle“, erklärte DAS-Aktivist Robert Gawlik. Sowohl der Tagebau als auch die Gemeinde seien finanziell in der Lage, die Probleme mit den Verschmutzungen wirksam zu lösen, sagte er. Um dabei deutlichere Fortschritte zur Verbesserung der Luftqualität zu erreichen, müsse die Zusammenarbeit von Kommune, Einwohnern sowie von Grube und Kraftwerk entscheidend verbessert werden. So sollten die Gemeinden die Quellen der Luftverschmutzung benennen. Auch ein Programm zur energetischen Sanierung der Gebäude forderte Gawlik. Ebenso zu fördern seien umweltfreundliche Heizmöglichkeiten und damit das Ende der Kohleverbrennung. Tagebau und Kraftwerk wiederum sollen – so der Vorschlag der Öko-Aktivisten – ein Programm zur Begrenzung und Eliminierung der Schwebstoffe vorbereiten, um die Gesundheitsgefahr für die Anwohner zu beseitigen.

Auf der Internetseite von Stadt und Gemeinde Bogatynia reagierten die Kritisierten verschnupft: Der Magistrat erklärte, dass er sich nun von der Organisationskonferenz „Tak (Ja) für saubere Luft in Bogatynia“ zurückziehen werde. Man betrachte die Aktivitäten als Teil einer Desinformationskampagne, die nichts gemein habe mit zuverlässiger und aufrichtiger Information zum Wohle der Bürger von Bogatynia. Die Informationen der Organisation Eko Unia seien unvollständig, verkümmert und selektiv. Die Aktivisten zielten darauf ab, die Arbeit von Tagebau und Kraftwerk zu erschweren, was unvorstellbare, nicht nur finanzielle, sondern auch gesellschaftliche Schäden nach sich ziehen würde. Das Amt von Stadt und Gemeinde Bogatynia weist zudem darauf hin, dass seitens der Kommune die Maßnahmen für den Umweltschutz oder die Eliminierung des Smogs seit Jahren intensiviert wurden. Das beträfe unter anderem finanzielle Beihilfen für den Erwerb von Fotovoltaikanlagen wie Sonnenpaneele wie auch die Unterstützung bei der Installation ökologischer Wärmeenergiequellen.

Warum die Umweltschützer gerade jetzt aktiv werden, ist indes nicht bekannt. Vielleicht hat auch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Februar dazu beigetragen, mehr an die Öffentlichkeit zu gehen. Darin bescheinigten die Richter Polen nämlich, zu wenig gegen die nachweislich zu hohen Werte getan zu haben. Denn dazu sind EU-Staaten seit 2010 verpflichtet.

Die Versammlung ist am Donnerstag, ab 17 Uhr, Dom Weselny ALF, ulica Olga Boznanska 2, Bogatynia.