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Fast wie eine Hochschule

Der Kesselsdorfer Bildungsträger MEA bildet Mechatroniker aus. Davon profitieren nicht nur hiesige Unternehmen.

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© Karl Ludwig Oberthür

Von Maik Brückner

Kesselsdorf. Diese Tafel ist ein Wunderwerk. Ausbilder Lars Lendl bereitet es sichtlich Freude, das auch den Besuchern zu zeigen. Die Tafel ist eigentlich ein riesengroßer Touchscreen. Deshalb kann Lendl mit dem Finger Seiten hin- und herschieben, neue Seiten aufziehen und Zahlen eintippen. Mit einem speziellen Stift kann er aber auch darauf schreiben. „Das kann ich abspeichern und den Lehrlingen mitgeben“, erklärt er. Er kann auch Filme einspielen, bei denen er den Ablauf verändern kann. Lendl demonstriert das an einem Beispiel: Zu sehen ist ein Fließband, das Gegenstände transportiert. Lendl steuert einen Greifer, der einen Gegenstand so stellt, das dieser den Ablauf des Fließbandes stört. Es stockt und die Besucher staunen.

Herzstücke der beiden neu geschaffenen Fachkabinette des Bildungsträgers MEA ist die E-Tafel, auf der auch Filme eingespielt werden können.
Herzstücke der beiden neu geschaffenen Fachkabinette des Bildungsträgers MEA ist die E-Tafel, auf der auch Filme eingespielt werden können. © Karl-Ludwig Oberthür

Die Tafel hängt in einem der beiden fast baugleichen neuen Fachkabinette des Kesselsdorfer Bildungsträgers MEA Metall- und Elektroausbildung. „Wir haben diese mit der neuesten Technik ausgestattet, die es zurzeit auf dem Markt gibt“, sagt Geschäftsführer Steffen Boden. Und das zeigt sich auch auf den Arbeitsplätzen, an denen die jungen Leute sitzen, die Lendl im Fach Elektrotechnik und Automatisierung ausbildet. Vor jedem Lehrling steht ein Laptop. Den vorderen Teil des Tisches kann man umklappen. Zum Vorschein kommt weitere Technik, die im Prinzip einen klassischen Labortisch im Fach Elektrotechnik ersetzt. Den Lehrlingen stehen hier auf kleinstem Raum Messgeräte zur Verfügung, mit denen sie elektronische Schaltungen testen und prüfen können.

Großinvestition hat sich gelohnt

Rund 400 000 Euro hat der Bildungsträger in die Ausstattung dieser beiden Fachkabinette investiert. Weil es dafür auch eine Förderung von Bund und Land gab, wollte sich Boden zumindest beim Freistaat für die Unterstützung bedanken. Deshalb lud er dieser Tage Sachsens Kultusminister Christian Piwarz (CDU) zu einem Arbeitsbesuch ein. Begleitet wurde er von Wils-druffs Bürgermeister Ralf Rother (CDU). „Das Geld ist gut angelegt“, versicherte Boden. Denn mit der neuen Technik können komplizierte Sachverhalte in der Computer- und Informationstechnik – die sogenannte Ausbildung 4.0 – noch besser erklärt werden. Die MEA ist derzeit auf drei Gebieten unterwegs, erklärt Boden.

Das Hauptgeschäft ist die praktische, überbetriebliche Ausbildung von Lehrlingen aus Metall- und Elektroberufen. „Zu uns kommen Unternehmen, die das nicht leisten können oder wollen“, sagt Boden. Manche geben das komplett an die MEA ab, andere beauftragen sie mit der Grundausbildung und später mit Speziallehrgängen zur Elektrotechnik, zur Programmierung und Steuerung von Robotern und CNC-Maschinen. Seit 20 Jahren ist das Unternehmen auf diesem Gebiet aktiv. Das Konzept der Firma, die als gemeinnützige GmbH arbeitet, hat sich bewährt. Beim Start 1998 hat der Bildungsträger mit sechs Firmen zusammengearbeitet, jetzt sind es mehr als 200. Dazu gehören Unternehmen, wie Infineon, Globalfoundries, Bosch, die Deutsche Post, von Ardenne, aber auch viele Mittelständler, die ihren Sitz unter anderem in Bad Schandau, Bautzen und Hoyerswerda haben. „Unsere Partner befinden sich in einem Umkreis von 100 Kilometern“, sagt Boden.

550 Lehrlinge aus Ostsachsen

Gegenwärtig bildet die MEA mit ihren elf Ausbildern und mehreren freiberuflichen Dozenten 550 Lehrlinge in verschiedenen Metall- und Elektroberufen aus. Den Schwerpunkt bilden die Mechatroniker. Bei der MEA lernen die jungen Leute unter anderem vor allem das Programmieren von Robotern und die Bedienung von 3-D-Druckern. „Die Technik schreitet wahnsinnig schnell voran“, sagt Juniorchef Sebastian Boden. „Der Lehrplan hinkt oft hinterher.“ Das ließ Piwarz aufhorchen.

Das zweite Geschäftsfeld erschloss sich der Bildungsträger 2000. Seither arbeitet er mit der Agentur für Arbeit und den Jobcentern zusammen. Für sie schult er Arbeitslose um. „Zurzeit haben wir 35 Umschüler“, sagte Boden. Darunter sind auch Abiturienten, Studienabbrecher und junge Leute mit ausländischen Wurzeln. Der Anteil der Syrer, Afghanen, aber auch Tschechen, Slowaken, Vietnamesen und junge Menschen aus den Balkanländern hat in den letzten Jahren zugenommen. Sie wüssten, dass es in Deutschland wichtig sei, eine Berufsausbildung zu haben. „Hauptproblem ist aber hier oftmals das Beherrschen der deutschen Sprache“, sagt Steffen Boden. Die Atmosphäre in der Ausbildung ist gut, versichert sein Sohn Sebastian.

Das dritte Standbein der MEA sind die Auslandskooperationen. Im Jahr 2004 begann die MEA die Zusammenarbeit mit einer Schule im tschechischen Most (Brüx) und wenig später mit der Technischen Universität im bulgarischen Sofia. Ein Jahr später startete der Bildungsträger zusammen mit der TU Dresden und der Industrie- und Handelskammer Leipzig eine Kooperation mit Berufsschulen in China. Gemeinsam bietet die MEA Ausbildungen an, bei denen die Absolventen sowohl einen chinesischen als auch einen deutschen Facharbeiterabschluss machen können. „Wir haben bei der Anpassung der Lehrpläne geholfen und stellen die Prüfer“, sagt Boden.

Kompliment aus China

Die Zusammenarbeit sei für beide Seiten von Vorteil, sagt Sebastian Boden. Hier wie dort gab es Überraschungsmomente. So habe er einerseits erlebt, wie gut dort die Lehrwerkstätten ausgestattet seien. Andererseits habe er viele Berufsschullehrer kennengelernt, die noch stark an alten Verhaltensmustern hängen und wenig Zugang zu moderner Didaktik und Methodik haben. Eines der schönsten Komplimente sei es gewesen, als einer der Chinesen sich versichern wollte, ob es sich bei der Ausbildung wirklich nur um eine Lehrlingsausbildung handele. Er hatte den Eindruck, eine Hochschule vor sich zu haben, erzählte Sebastian Boden. Vielleicht stand er da in dem Fachkabinett mit der supermodernen Touchscreen-Tafel.