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Fakten statt Fake News

Falschmeldungen im Netz verunsichern. Jüngstes Beispiel ist die angebliche „Scheren-Attacke“ im Reichenbacher Netto.

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© dpa

Von Constanze Junghanß

Landkreis. Rasant verbreitete sich diese Nachricht vor wenigen Tagen: Im Reichenbacher Netto-Markt soll ein Flüchtling einer Angestellten mit einer Schere in den Hals gestochen haben. Binnen weniger Minuten machte das die Runde im Ort und darüber hinaus, vor allem aber im Internet und über Whatsapp. Die Polizei Sachsen griff das Gerücht auf und dementierte schnell. Es gab keinen Vorfall dieser Art in der Oberlausitzer Kleinstadt.

Was war wirklich passiert? Tatsächlich hatte es einen Vorfall gegeben: in Reichenbach im Vogtland. Dort hatte ein junger Mann eine Schere gestohlen. Allerdings war der 20-Jährige kein unbeschriebenes Blatt. Er kam in Untersuchungshaft. Nichtsdestotrotz sorgte das Gerücht in Reichenbach für Verunsicherung. Bürgermeisterin Carina Dittrich wurde von Bekannten auf den angeblichen Vorfall aufmerksam gemacht. Mitarbeiter der Stadt hätten daraufhin gleich am Netto-Markt geschaut, ob alles in Ordnung ist.

Falschmeldungen dieser Art kursieren im Netz neuerdings auch regional, wie jüngst in Löbau. An einer Ampelkreuzung hätten „vier schwarze Männer“ eine Fahrzeugführerin bedrängt und die Polizei keine Zeit gehabt, einzuschreiten, wurde da behauptet. Der Facebook-Beitrag wurde gelöscht, sorgte jedoch für Diskussionen. Die Polizei ermittelt inzwischen.

Sogenannte Fake News haben offensichtlich Hochkonjunktur, schwappen mittlerweile auch in die Region über. Da es keine belastbaren statistischen Daten gibt, kann Polizeisprecher Thomas Knaup nicht sagen, ob Falschinformationen dieser Art im Landkreis zugenommen haben. Aber: „Die ursprünglichen Verfasser derartiger Falschmeldungen – häufig mit Bezug zur Flüchtlingspolitik oder anderen Reizthemen – verbreiten ihre Schauermärchen oft bewusst.“ Die Gefahr dabei: „Sie scheinen es darauf anzulegen, die Gesellschaft weiter zu entzweien und so radikalen Kräften Tür und Tor zu öffnen“, so der Polizeisprecher. Für Internetnutzer sei es manchmal nur schwer möglich, den Wahrheitsgehalt von Informationen zu prüfen. Die Informationsflut sozialer Netzwerke und Messanger-Dienste bringe Konsumenten teils an ihre Grenzen. „Aus polizeilicher Sicht werden falsche Informationen auf digitalem Weg sowohl unbewusst als auch bewusst gestreut“, erklärt Knaup. Der angebliche Scheren-Angriff in Reichenbach sei so ein Beispiel: Eine aufsehenerregende Meldung aus nicht offizieller Quelle, die von vielen einfach ungeprüft und unüberlegt weiterverbreitet wurde.

Auch bei der Reichenbacher Stadtverwaltung landete das Thema auf dem Tisch. „Wir haben uns darüber geeinigt, auf das Gerücht nicht zu reagieren“, sagt Bürgermeisterin Carina Dittrich. Die Stimmung sollte nicht angeheizt werden, begründet sie. Anrufe besorgter Einwohner habe es nicht gegeben – die Informationen und die Falschmeldung kamen aus dem Netz und sprachen sich so blitzschnell herum. Die Stadt Reichenbach werde sich auf Twitter und Facebook auch künftig nicht mit einer eigenen Seite beteiligen. Das zu verwalten, würde viel Aufwand bedeuten. Allerdings gebe es nun Überlegungen, andere technische Möglichkeiten zu nutzen, um Bürger zu informieren. Das sei jedoch noch „Zukunftsmusik“ und wird aktuell nicht näher erläutert. Thomas Knaup jedenfalls rät, im Internet nicht auf den allgemeinen Zug der Empörung aufzuspringen. Dass falsche Informationen entstehen, bewusst verfasst werden und sich verbreiten, sei ein gesamtgesellschaftliches Problem. Das fange beim Dorftratsch oder am Stammtisch an und setze sich im Internet und sozialen Netzwerken fort. „Hier Einhalt zu gebieten und verantwortungsvoll zu agieren, ist Aufgabe eines jeden“, sagt der Polizeisprecher. „Wir informieren die Öffentlichkeit und Medienvertreter zeitnah und transparent mit belastbaren Fakten. Wir überprüfen Meldungen oder Gerüchte, die uns bekannt werden und den Verdacht einer Straftat beinhalten.“

Wichtig sei, nur seriösen Quellen zu vertrauen. Dazu zählen in jedem Fall staatliche Stellen wie beispielsweise die Polizei. Ist dann die Verbreitung von solchen bewussten Falschmeldungen strafbar? „Hier ist immer der Einzelfall zu betrachten und mit dem im Strafgesetzbuch oder anderen Nebengesetzen normierten Tatbeständen abzugleichen“, sagt Thomas Knaup.