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Fake News aus der Luther-Kirche

Ein in Dresden entstandenes Video macht derzeit in sozialen Netzwerken die Runde. Es soll zeigen, wie vermeintliche Muslime in einem christlichen Gotteshaus in der Neustadt singen.

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© Christian Juppe

Dresden. Christliche Gebete sind in der Martin-Luther-Kirche nichts Ungewöhnliches. Genauso wenig, dass das evangelische Kirchspiel Dresden-Neustadt das Gotteshaus regelmäßig Christen aus Eritrea zur Verfügung stellt. Doch diesmal haben mutmaßlich Rechtsextreme die liturgischen Gesänge zur Feier des Osterfestes zum Anlass genommen, um eine Falschmeldung zu verbreiten.

Auf der Facebookseite, die den Namen des ehemaligen Bautzner NPD-Kreischefs Marco Wruck trägt, ist ein Mitschnitt des Gottesdienstes zu sehen. Kommentiert wird das vom Inhaber der Seite mit den Worten „Unglaublich! Islamische Gebete in der Lutherkirche Dresden“. Geteilt wurde das Video am Montag auch vom Dresdner AfD-Mitglied Maximilian Krah. Auf Youtube wurde der Clip ebenfalls hochgeladen. Eine Gruppe unter dem Namen „Widerstand Dresden“ erweckte dort den Anschein, Muslime würden in der Kirche Gottesdienst feiern.

„Die Initiatoren sitzen jedoch einem Irrtum auf, indem sie eine der ältesten christlichen Konfessionen fälschlicherweise als muslimisch deklariert haben“, so Pfarrer Eckehard Möller von der Martin-Luther-Kirche. Er betont, dass es sich um aus Eritrea geflüchtete Christen handelt. „Schon seit dem vergangenen Jahr genießt die eritreische Gemeinde dort Gastrecht und lädt wöchentlich zu Gottesdiensten ein. Wir pflegen den gegenseitigen Austausch“. Die Christen aus dem ostafrikanischen Land feiern Ostern etwas später als die Gläubigen in Deutschland.

Zwischenzeitlich hatte Youtube den Beitrag entfernt. „Weil es gegen die Richtlinie zum Verbot von Hassrede verstößt“, heißt es von dem Unternehmen. Mitglieder der evangelischen Kirche hatten das Video zuvor gemeldet. Doch am Dienstagmorgen ist es auf zwei anderen Kanälen erneut hochgeladen worden.

Maximilian Krah hat seinen Post gelöscht. „Ich hatte es für einen Moment geteilt, aber nun wieder gelöscht, weil ich beim nochmaligen Anhören des kurzen Ausschnittes nicht erkennen konnte, ob hier der Muezzin ruft oder es sich nicht vielmehr um einen liturgischen Gesang orientalischer Christen zum Osterfest handelt“, schreibt er. Dennoch sind noch zahlreiche Beiträge mit dem Video auf Facebook zu finden.

Die evangelische Kirche prüft nun rechtliche Schritte gegen diejenigen, die das Video aufgenommen und verbreitet haben.

Es ist nicht das erste Video, das Fake News aus Dresden unters „Volk“ bringt. Im Herbst 2016 soll in einem Film zu sehen sein, wie Muslime einen Weihnachtsbaum in der Altmarktgalerie „plündern“. Der Clip zeigte allerdings eine Mall in Kairo, in der nach einem Brauch Geschenke von der Spitze des Baumes ergattert werden. Erst vor etwa zwei Monaten machte ein von sz-online.de über Twitter verbreitetes Video die Runde, in dem der verurteilte Volksverhetzer Gerhard Ittner bei einer Demo in Dresden von Polizisten festgehalten wird. Einschlägige Seiten im Netz machten Ittner zum „friedlichen Rentner“ und verlegten den Ort des Geschehens nach Berlin. (SZ/sr/mja)