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Essen mit System

Am Neumarkt öffnet ein Vapiano. Nicht nur diese Kette setzt auf Masse in der Innenstadt. Weil die Kunden es so wollen.

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© Sven Ellger

Von Annechristin Bonß

Helles Holz, frische Kräuter auf dem Tisch, dazu Olivenöl, schicke Loungemöbel und die Pastamanufaktur hinter der Glasscheibe: So präsentiert sich das neueste Restaurantangebot am Neumarkt. Am Mittwoch hat im wiederaufgebauten Dinglingerhaus an der Westseite des Platzes das Vapiano eröffnet. Es ist die zweite Filiale der Restaurantkette für italienisches Essen in Dresden und die vierte in Sachsen.

Nicht nur mit diesem Restaurant ist die Systemgastronomie endgültig in Dresden angekommen. Der Gast bekommt in jeder Filiale der gleichen Kette das gleiche Angebot in gleicher Qualität, über Stadt- und sogar Ländergrenzen hinweg. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich Kaffeedurstige in Internetforen ihren Frust von der Seele schrieben. Lange Zeit forderten sie, dass endlich ein Starbucks in der Landeshauptstadt öffnet. Inzwischen gibt es sogar drei Filialen der Kette, eine am Altmarkt, eine in der Centrum Galerie und eine im Hauptbahnhof. Die Systemgastronomie in der Innenstadt boomt auch an anderen Stellen. Schon bald soll am Wiener Platz die zweite Filiale von L‘Osteria öffnen. Eine erste des Spezialisten für italienisches Essen befindet sich an der Wilsdruffer Straße.

Vor vier Wochen öffnete mit dem Enchilada ein mexikanisches Restaurant an gleicher Straße. Chef Christian von Canal will schon bald in der Neustadt ein weiteres Enchilada öffnen. „Im Zweifel zieht der Gast immer etwas Vertrautes dem Neuen vor“, sagt der Gastronom. Vor allem Touristen wählen das Bekannte, wenn sie Hunger haben. „Lange hat die Innenstadt von Eigenkonzepten gelebt“, sagt er. Das sei jetzt vorbei. Die Systemgastronomie erlebe in Dresden derzeit einen Aufschwung. Von Canal spricht von einer Welle.

City-Manager Jürgen Wolf sieht noch einen anderen Grund für den Boom. „Investoren oder Franchisegeber setzen auf sichere Renditen und langfristige Bindungen und legen gern die Regeln fest, zu denen ihre Vertragspartner antreten sollen“, sagt er. Die Dominanz der Filialkonzepte in der Innenstadt sei auch beim Handel zu beobachten. Das bestätigt Rolf-Dieter Sauer, Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Dresden. Bei den extrem hohen Mieten in der Innenstadt kommen die Gastronomen gar nicht mehr am System vorbei, sagt er. „Die Umlaufgeschwindigkeit muss hoch sein.“ Soll heißen: Je mehr Gäste pro Stunde auf einem der Stühle Platz nehmen, umso besser. Ein schmales, standardisiertes Sortiment könne dabei sicher helfen.

Darauf will sich Petra Förster-Kiepsch nicht reduzieren lassen. Sie führt die beiden Dresdner Filialen von Vapiano. Auch der Laden in Chemnitz gehört zu ihr. „Dresden verträgt noch einen Standort von Vapiano“, sagt die Unternehmerin. Einfach, weil die Nachfrage groß sei. Die Besucherzahlen geben ihr recht. 2007 hat sie die Filiale am Kristallpalast eröffnet, später noch einmal erweitert. nun gibt es hier 270 Plätze innen und 200 außen. Über 400 000 Gäste kamen im vergangenen Jahr. Wie viel Umsatz Förster-Kiepsch mit ihren zwei Läden erwirtschaftete, will sie nicht sagen. Die hohen Kosten für frische Produkte und das hochwertige Getränkeangebot will sie jedoch mit Masse wieder reinholen. Viel bezahlen sollen die Gäste nicht. Im neuen Restaurant gibt es 240 Plätze innen, einige davon im historischen Gewölbekeller. Den jedoch hat die Bauaufsicht bis Dienstagabend noch nicht freigegeben.

Gehören damit Restaurants mit Massenabfertigung zum Stadtbild Dresdens? Bleibt für Slowfood und individuelle Konzepte kein Platz mehr? Das will Citymanager Jürgen Wolf so nicht stehen lassen. „Grundsätzlich finde ich die Dresdner Gastronomie ganz bodenständig, gerade auch bei den Preisen, wenn man andere touristische Ziele zum Vergleich nimmt“, sagt er. Neben einem bekannten Konzept seien auch andere Faktoren entscheidend, ob die Dresdner und ihre Gäste die Angebote wahrnehmen: Lage, gute Qualität, bester Service und ein gemischtes Publikum. Erst wenn sich Dresdner und Touristen mischen, ist seiner Meinung nach ein Restaurant gut besucht. Gastro-Experte Rolf-Dieter Sauer sieht die Investoren in der Pflicht. Die sollen sich trauen und neue Konzepte anbieten. Nur dann könne die Innenstadt auch dauerhaft abends attraktiv sein. Wer hier nach dem Essen keine Unterhaltung findet, ist schnell wieder weg.