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Es hat sich ausgelatscht

Die Berthelsdorfer Hausschuh- und Pantoffelfabrik hat Insolvenz angemeldet. So geht ein Stück Ortsgeschichte zu Ende.

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© momentphoto.de/bonss

Von Anja Beutler und Doreen Reinhard

Berthelsdorf. Es ist ein Bild aus besseren Zeiten: Pantoffelmacher und Firmenchef Andreas Förster türmt die Produkte seiner Firma Ha- Pa vor sich auf: Latschen und Hausschuhe in braun-kariertem Design – das viele noch aus DDR-Zeiten kennen – sind dabei. Dazwischen finden sich neue Formen, Farben und Materialien. Ein bisschen mit der Zeit sind natürlich auch die Berthelsdorfer Latschenfabrikanten gegangen – auch wenn sie auf Maschinen aus den 1970er Jahren produziert haben.

Im vergangenen Jahr nun endete aber der Weg dieses Pantoffel-Unternehmens in der Insolvenz. Am 18. August ist das Verfahren offiziell in Kraft gesetzt worden – und es läuft noch immer. Nun kümmert sich eine Dresdener Insolvenzverwalterin um die zu erledigenden Sachen der Ha-Pa Hausschuhe und Pantoffeln GmbH. Der SZ gegenüber will sie auch auf mehrfache Nachfrage hin aber keine Angaben zum Stand der Dinge machen.

Für den früheren Ha-Pa-Chef Andreas Förster selbst ist der Stand der Dinge schon längst Realität: Die frühere Firma ist nicht mehr. Lediglich der Immobilienverkauf in Berthelsdorf liegt derzeit noch in seinen Händen. Förster selbst hat einen neuen Job gefunden, ebenso wie eine weitere der drei zuletzt noch verbliebenen Angestellten, die jetzt in Großschönau in der Textilbranche beschäftigt ist. Die anderen beiden Ha-Pa-Mitarbeiterinnen sind regulär im Ruhestand, erklärt Andreas Förster.

Warum alles so gekommen ist, liegt in seinen Augen vornehmlich an drei Gründen. Erstens war der Absatz der Ha-Pa-Latschen seit mehreren Jahren rückläufig, der Markt schrumpfte nach und nach zusammen. Konkurrenz gibt es schließlich genügend. Und Konkurrenz ist auch der Trend, sich gar keine Hausschuhe mehr in den eigenen vier Wänden anzuziehen, sondern gleich in Anti-Rutsch-Socken oder barfuß zu laufen. Zweitens bestand keine Aussicht auf eine Firmennachfolge, wenn die bisherigen Mitarbeiter oder die beiden Gesellschafter – neben Förster ist das Verena Neumann – in den Ruhestand gehen. Und drittens saßen der kleinen Firma die Lieferverträge mit den Großmärkten im Nacken. Denn diese verpflichten die Ha-Pa bei einer Bestellung, rasch und in voller Höhe zu liefern. Wann welcher Auftrag zu erwarten ist, blieb für den Hausschuhproduzenten aber immer eher dem Zufall überlassen: Zeit und Umfang der Bestellung waren schlecht zu kalkulieren – die Gefahr einer saftigen Vertragsstrafe schwebte daher fortwährend über der Firma. Ein einfacher Ausstieg aus diesen Vereinbarungen war für das Unternehmen allerdings auch nicht so ohne Weiteres möglich.

Früher garantierte der Pantoffel gute Geschäfte. In der Lausitz hantierten unzählige Manufakturen. Allein in Berthelsdorf gab es drei, die sich Anfang der 1960er-Jahre zusammenschlossen. Es war die Geburtsstunde der Fabrik, die allerdings zehn Jahre später vom Staat vereinnahmt wurde. Die Ha-Pa war nun ein VEB. Die Bilanzen hat das gestärkt, denn der Großhandel regelte den Absatz und ließ sich auf Streitereien über Geschmäcker gar nicht erst ein. An die Füße der Verbraucher kam damals das, was im Schuhladen lag, und im Hausschuh-Fach machte vor allem ein Design Karriere: der Kamelhaar-Treter in Braun-gelb. Keinem Tier wurde ein Haar dafür gekrümmt, das Ost-Original war eine Symbiose aus gestreiftem Filz und Gummisohle.

So ist es bis heute geblieben. Andreas Förster hatte den Oldie stetig weiter im Sortiment. „Ist eben ein Klassiker, daran kommt man nicht vorbei, wenn man auf dem Hausschuh-Markt überleben will“, erklärte er noch vor einigen Jahren.

Ein Markt, der längst nicht mehr so bequem ist, wie einst im Sozialismus. Der Zusammenbruch des DDR-Systems hat die Lausitzer Fabrik jedenfalls heftig erschüttert. Gut 60 Mitarbeiter hatten hier jedes Jahr über eine halbe Million Pantoffeln produziert. Verkauft wurden sie von der Ostsee bis zum Erzgebirge. Als die Mauer fiel, wusste keiner der Mitarbeiter, wie es weitergehen soll. Auch Andreas Förster, im Kollektiv damals noch ein Neuling, blickte ratlos in die Zukunft. 1988 hatte er als Maschinenbauingenieur bei der Ha-Pa begonnen und wollte so schnell nicht wieder gehen. Zwei andere Mitarbeiter sahen das genauso. Gemeinsam entschlossen sie sich zum Neuanfang. Sie wollten die Tradition am Leben halten, aber ein anderes Ziel war überlebenswichtiger. „Wir haben ganz einfach versucht, unsere Jobs zu retten“, sagt der 50-Jährige.

Eine ganze Weile ist ihnen das auch gelungen. Die Möglichkeiten, gegenzusteuern und das Unternehmen wieder in richtigen Tritt zu bringen, hatten die Firmenlenker am Ende nicht. Auch wenn die Ha-Pa nicht mehr existiert, ihre Latschen werden noch ein paar Fußstapfen hinterlassen.