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Es gibt wieder Richzenhainer

Seit 23 Jahren gab es kein Bier aus der alten Brauerei. Wieder ein Pils herzustellen, war für die Adams eine Frage der Ehre.

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© Dietmar Thomas

Von Nadine Franke

Richzenhain. Wachsam geht der Blick zur Uhr. Anja Adam will nicht den Zeitpunkt verpassen, die Maische abzugießen. Vor zwei Stunden hat sie in der alten Brauerei in Richzenhain das selbst gemahlene Malz angesetzt. Auf einem kleinen Teller prüft sie mit Iod, ob sich die Stärke in Zucker umgewandelt hat. Erst dann geht es weiter. Die Maische fließt in den nächsten Bottich, wo die Würze von den Getreideresten während der Läuterruhe voneinander getrennt wird. Aus dem Hahn strömt eine dunkle Flüssigkeit. Es ist ihr erster Versuch eines dunklen Hefeweizens.

Nach dem Maischen wird geruht: Nachdem das Malz zwei Stunden gemaischt wurde, fließt es in einen neuen Bottich für die Läuterruhe. Dort werden schon Getreidereste von der Würze getrennt.
Nach dem Maischen wird geruht: Nachdem das Malz zwei Stunden gemaischt wurde, fließt es in einen neuen Bottich für die Läuterruhe. Dort werden schon Getreidereste von der Würze getrennt. © Nadine Franke
Die Würze muss gekocht und gehopft werden: Zweimal wird Hopfen in den Kessel gegeben, um den richtigen Geschmack zu treffen. Bei der Zugabe muss Anja Adam aufpausen. Das Bier soll nicht zu herb werden.
Die Würze muss gekocht und gehopft werden: Zweimal wird Hopfen in den Kessel gegeben, um den richtigen Geschmack zu treffen. Bei der Zugabe muss Anja Adam aufpausen. Das Bier soll nicht zu herb werden. © Dietmar Thomas
Hopfen fürs Aroma: Die Dolden der Hopfenpflanze werden als Pellets zum Bierbrauen genutzt. So erhält das Bier sein typisches Aroma, aber auch Bitterkeit.
Hopfen fürs Aroma: Die Dolden der Hopfenpflanze werden als Pellets zum Bierbrauen genutzt. So erhält das Bier sein typisches Aroma, aber auch Bitterkeit. © Dietmar Thomas

Dann kommt die Würze in den Kochkessel. Anja Adam gibt behutsam den Hopfen hinzu. Beim ersten Mal ist sie sparsam, es wird schließlich noch weiter gekocht. „Wenn der Hopfen dann zu lange drin ist, wird das Bier am Ende zu bitter“, sagt sie. Erst seit wenigen Wochen braut sie Bier. Eine Ausbildung darin hat sie genauso wenig wie ihr Mann Olaf. „Wir lernen das in der Praxis“, sagt sie. Aber zumindest einen eintägigen Braukurs habe sie besucht. Sie hält sich auch strikt an die Vorgaben, die auf der Tafel im Brauraum stehen. Vom Malzmahlen über das Maischen und Kochen ist die Bierherstellung ihre Aufgabe. Im „Whirlpool“-Bottich wird es wieder gefiltert und schließlich abgekühlt.

Die nächsten Aufgaben fallen Olaf Adam zu. Er überwacht den einwöchigen Gärprozess. Dabei entstehen Kohlensäure und Alkohol. Danach kommt das Bier für zwei bis sechs Wochen zum Reifen in einen Drucktank. Dort kann nun ein ganz frisches Bier gezapft werden. Die ersten Fässer sind bereits im Kühlraum.

Es war im Jahr 1995, als das letzte Bier in Richzenhain gebraut wurde. Dann stand die alte Brauerei leer, bis sich das Ehepaar Adam 2003 dazu entschloss, Veranstaltungen auf dem Gelände durchzuführen. Im Hof wird sogar geheiratet. Und bei jedem Fest kam die eine Frage: Wann gibt es wieder Richzenhainer Bier? „Wir hörten diese Frage immer wieder und irgendwann war es eine Frage der Ehre“, so Anja Adam. Dieses Jahr wird das 120-jährige Bestehen der alten Brauerei gefeiert. „Da sollte es auch endlich wieder frisch gebrautes Bier geben“, sagt Olaf Adam.

Bier aus der Mikroanlage

Am 12. Juli setzten sie ihr erstes Bier an. „Das wurde etwas stärker“, scherzt Olaf Adam. Sie hatten nicht damit gerechnet, wie viel Wasser während des Brauens verdampft. „Doch technisch hat alles funktioniert“, fügt er hinzu. Das verdankt er seinem Schwiegervater Dietmar Köhler. Der 74-jährige Diplomingenieur hat die Mikroanlage zum Bierbrauen innerhalb eines Jahres entwickelt. „Heutzutage findet man ja für alles eine Anleitung im Internet“, erklärt Köhler. Daran habe er sich orientiert, als er die Anlage für die familiäre Brauerei baute. „Wir hatten Braumeister hier, die begeistert waren, welche Lösung wir für den kleinen Bedarf fanden“, sagt Köhler.

Aber selbst wenn der erste Versuch etwas stärker wurde, war es für das Ehepaar Adam ein wunderbarer Moment. „Vor allem meinen Mann hat es emotional berührt“, verrät Anja Adam. Darüber lacht ihr Mann. „Das war, wie zum ersten Mal das eigene Kind im Arm zu halten.“ Natürlich hatten sie das Bier auch mit Freunden verkostet und bereits zu zwei Feiern in der Brauerei angeboten. „Da waren auch Leute dabei, die noch das alte Richzenhainer kannten“, sagt Olaf Adam. Nun wird in Richzenhain natürlich mit einer neuen, ganz eigenen Rezeptur gebraut. Das Bier des Hauses wird ein Pils. Getrunken wird das Bier nur vom Fass. Sonst verändert sich das Aroma. „Wer es bisher kostete, fand unser Pils rund und süffig.“ Das ist wichtig für die Adams. Herbes Bier mögen sie nämlich selbst nicht.

Das Richzenhainer Brauereifest startet am Sonnabend, 22. September, mit Musik und dem Fassanstich um 18 Uhr.