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„Es geht nicht um Schuldzuweisungen“

Dynamos Ehrenratsvorsitzender Klemens Rasel erklärt im Interview, was die Einigung im „Fall Geyer“ bedeutet.

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© Privatarchiv Meinhard Hemp

Von Sven Geisler

Das ist kein Friedensschluss, und es wird vorerst keine Konsequenzen geben. Trotzdem können die Erklärungen des Ehrenrates und der Ehrenspielführer Klaus Sammer, Hans-Jürgen Kreische und Dieter Riedel vom Freitagabend die Basis sein für eine überfällige Diskussion. Dynamo Dresden will seine Verstrickung mit dem Staatssicherheitsdienst der DDR aufarbeiten. Das umfasst weit mehr als den Fall Eduard Geyer, der zum Streit zwischen dem Präsidium und den drei Ehrenspielführern geführt hatte. Dr. Klemens Rasel, Anwalt und Ehrenratsvorsitzender, erläutert den Kompromiss und die weitere Vorgehensweise.

Dr. Klemens Rasel, 56 Jahre, ist seit 1991 als Rechtsanwalt in Dresden und seit 2006 im Ehrenrat von Dynamo.
Dr. Klemens Rasel, 56 Jahre, ist seit 1991 als Rechtsanwalt in Dresden und seit 2006 im Ehrenrat von Dynamo. © Robert Michael

Herr Rasel, wie ist es gelungen, diese Kuh vom Eis zu bekommen?

Als Ehrenrat konnten wir nur moderieren, entscheidend war, dass die beiden Parteien (Präsidium und die drei Ehrenspielführer/d. A.) einen Weg gefunden haben, sich zu versöhnen.

Können Sie als gebürtiger Bayer die Emotionalität nachvollziehen?

Natürlich. Das ist ein Thema, das über die rechtlichen Aspekte und unsere Beitrags- und Ehrenordnung hinausgeht. Es geht darum, dass persönliche Vertrauensbeziehungen, Freundschaften missbraucht worden sind. Dadurch sind Schäden entstanden, die man nicht mehr kitten kann. Deshalb halte ich eine Diskussion über Verjährung in diesem Fall für fehl am Platze. Es geht nicht um strafrechtliche Verfolgung, sondern um menschliche Enttäuschungen.

Warum fehlt in der Erklärung des Ehrenrates der Name Eduard Geyer?

Weil er für unsere Verständigung nicht das entscheidende Kriterium war. Die Antragsteller haben einen großen Schritt gemacht, ihre persönliche Betroffenheit zurückzustellen. Es ging ihnen vordergründig darum, die Aufarbeitung zu erreichen, die ganze Verstrickung und den Umgang in der Nachwendezeit zu beleuchten. Bei den Antragstellern war eine gewisse Resignation zu spüren, dass man sowieso nichts erreichen kann, dass sie hingehalten, vertröstet werden, aber nichts passiert. Das galt es vom Verein her zu korrigieren und klarzumachen: Wir haben die Fehler eingesehen, es gibt Versäumnisse in der Aufarbeitung unserer Geschichte. So gesehen war das kein Abschluss, sondern ein Anfang.

Aber es bleiben alle vier Bilder an der Wand im Stadion hängen …

Viele unserer Fans sind aufgewachsen mit diesen Idolen, sie sind irgendwann mal zu Dynamo gekommen wegen Kreische, Sammer, Riedel und anderen. Das ist Geschichte, die sie leibhaftig miterlebt haben. Wenn dieses Trio abgehängt worden wäre, weil sie sagen, dass sie sich nicht mehr mit dem Verein identifizieren, wäre das ein Fiasko gewesen. Deshalb haben auch viele Mitglieder und Fans im Hintergrund an dieser Einigung mitgewirkt.

Eduard Geyer bleibt Ehrenspielführer?

Wir wollen keine Abrechnung mit einer Person, sondern die Sache aufarbeiten. Es war nicht leicht für die Betroffenen, das zu akzeptieren, aber eine gute Verständigung zeichnet sich dadurch aus, dass sie für alle Beteiligten schwierig ist. Ihr Anliegen ist absolut berechtigt. Es gehört zu einem Traditionsverein, auch die dunklen Seiten zu beleuchten, nicht nur die positiven. Dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen. Ich kann und will über Herrn Geyer keinen Stab brechen. Ich wüsste selbst nicht, wie ich in so einer Situation gehandelt hätte.

Ist die Erklärung eine Niederlage fürs Präsidium, das den Fall erst zögerlich behandelt und dann erklärt hatte, es gebe keine neuen Erkenntnisse und deshalb keine Maßnahmen?

Eine Vereinbarung dieser Art hat keine Verlierer. Es mag der Eindruck entstanden sein, das Verfahren sei verzögert worden. Das stimmt aber nicht. Herr Ritter war längere Zeit krank, konnte nicht reagieren, hat danach sofort die Anhörung von Herrn Geyer veranlasst. Es ist eine Frage des Anstandes, dass man ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme gibt. Dann gab es zeitnah den Termin. Dass es den Antragstellern trotzdem zu lange gedauert hat, müssen wir hinnehmen. Insgesamt hatte der Verein ja weiß Gott 27 Jahre Zeit, sich mit der Sache zu beschäftigen. Irgendwann ist die Geduld halt am Ende.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir wollen es sehr schnell angreifen. Der Ehrenrat wird in den nächsten Tagen das Präsidium ersuchen, eine Gremiensitzung einzuberufen, bei der wir die einzelnen Maßnahmen erörtern. Dazu sollen die Antragssteller eingeladen werden, um gemeinsame Wege zu besprechen, wie eine Aufarbeitung angegangen werden kann. Klar ist, dass wir die Mitglieder mitnehmen wollen.

Letztlich geht es auch darum, wer Ehrenspielführer von Dynamo sein darf?

Bisher gibt es nur zwei Kriterien: die sportlichen Erfolge und die Bedeutung für die Tradition. Das war der Anlass für den Streit. Das Präsidium hat sich darauf berufen, dass diese Kriterien formal erfüllt sind. Wir sind der Meinung, das kann in Zukunft nicht ausreichend sein. Wir werden entsprechende Anträge an die Mitgliederversammlung einbringen.

Das heißt, es könnte sein, dass Eduard Geyer danach abberufen wird?

Das gilt nur für die Zukunft. Entscheidungen, die in der Vergangenheit getroffen worden sind, würden von einer solchen Änderung unberührt bleiben. Es liegt an ihm selbst, ob er sagt, er hat Fehler gemacht in der Vergangenheit und lässt die Ehrenspielführerschaft ruhen. Das wäre vielleicht auch ein Weg, um wieder mit den Antragstellern ins Gespräch zu kommen und eine Lösung zu finden.