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Erzieher machen Ernst

Die Kita Pfiffikusland in Geringswalde bleibt für zwei Stunden geschlossen. Es geht nicht nur um mehr Geld.

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© Dietmar Thomas

Von Sylvia Jentzsch

Geringswalde. Der Sächsische Erzieherverband hatte mit seiner Spitzengewerkschaft DBB Beamtenbund und Tarifunion zum Warnstreik aufgerufen. Zwischen 6 und 8 Uhr blieben am Mittwoch die Türen der Kita Pfiffikusland in Geringswalde geschlossen. Die Belegschaft hatte hellgrüne Warnwesten angezogen und stand vor dem Tor der Kita. An dem hing ein pinkfarbenes Schild mit der Aufschrift: Warnstreik. Die Eltern waren entsprechend informiert. Die Arbeitskampfmaßnahme ist notwendig, weil alle bisherigen Versuche zur Aufnahme von Tarifverhandlungen mit dem Trägerverein Lebenshilfe erfolglos blieben.

„Fast alle Beschäftigten kamen am zeitigen Morgen, teilweise Stunden vor ihrem eigentlichen Dienstbeginn und zeigten damit ihre Entschlossenheit, für ihre Forderungen einzustehen“, sagte Michaela Merker vom Sächsischen Erzieherverband.

In Gesprächen sei einerseits die Hoffnung auf ein Einlenken des Trägervereins Lebenshilfe und die Aufnahme von Tarifverhandlungen deutlich geworden. Anderseits wurde klar, dass die Erzieherinnen bereit sind, weitere Schritte zu gehen, wenn der Träger keine Verhandlungsbereitschaft zeigt. „Wir brauchen eine schnelle Lösung. Der zweistündige Warnstreit heute war ein erster Aufschlag. Kommt es zu keinem Gespräch, zeigen wir, dass wir es ernst meinen. Dann dauert der Warnstreik länger als zwei Stunden. Wir hoffen, dass es dazu nicht kommen muss“, so Jens Weichelt stellvertretender Vorsitzender der Bundestarifkommission des DBB.

Die Erzieherinnen fordern die Aufnahme von Verhandlungen mit dem Ziel der Angleichung der Einkommens- und Beschäftigtenbedingungen an das Niveau des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst. Mit diesen Voraussetzungen sei es auch möglich, neue Fachkräfte zu gewinnen und zu binden, so Merker. Würden Niedriglöhne gezahlt, sei es schwer neue Erzieher zu finden und die erfahrenen zu halten.

Weichelt schätze ein, dass der Unterschied im Lohngefüge zwischen den Erziehern, die bei der Lebenshilfe angestellt sind, und denen des öffentlichen Dienstes weit auseinandergehen. „Hier ist es am schlimmsten. Ich habe noch nie einen so großen Unterschied gesehen. Es ist erschreckend“, so Weichelt. Andere freie Träger hätten die Zeichen der Zeit erkannt. Erst kürzlich habe es Verhandlungen mit dem DRK Döbeln-Hainichen gegeben, die sehr konstruktiv und zielführend waren, sagte der Gewerkschafter. Hinter den Forderungen stehen alle Erzieherinnen. Alle 24 sind in die Gewerkschaft eingetreten und haben im September einen Betriebsrat gegründet.

„Ich spreche im Namen der Belegschaft. Die Rahmenbedingungen stimmen einfach nicht mehr. Und das betrifft nicht nur das Gehalt. Durch den Personalmangel haben wir teilweise nicht mal eine Mittagspause. Längere Arbeitszeiten sind bei uns an der Tagesordnung, um den Personalmangel zu kompensieren“, sagte eine Erzieherin. Lange hätten die Mitarbeiter alles mitgetragen. Doch nun sei der Zeitpunkt gekommen, wo sie handeln müssten. Briefe von Eltern oder in Gesprächen mit ihnen hätten deutlich gezeigt, dass die Mehrzahl hinter den Erzieherinnen steht und ihr Anliegen versteht. Denn die Eltern müssen den gleichen Elternbeitrag zahlen wie in anderen Einrichtungen. Die Kinder würden aber wegen des Personalmangels weniger bekommen, so die vom Team beauftragte Sprecherin.

Es gehe perspektivisch auch darum, dass Schaden von der Kita abgewendet wird. Die Erzieherinnen erwarten verbesserte Arbeitsbedingungen. Nur so kann es gelingen, dass genügend Fachkräfte da sind, um die gute pädagogische Arbeit zum Wohle der Kinder absichern zu können, sagte die Erzieherin. „Der Warnstreik richtet sich nicht gegen die Eltern und deren Kinder, sondern hat die Zukunft der Kita im Blick“, so Michaela Merker. Durch die angespannte Personalsituation in der Kindertageseinrichtung bestehe mittlerweile die ernstzunehmende Gefahr, dass nicht mehr die Betreuung aller Kinder gewährleistet werden kann. „Die Erzieherinnen verdienen etwa 480 bis 690 Euro unter dem, was in kommunalen Kindertageseinrichtungen gezahlt wird“, so Michaela Merker.

Alle bisherigen Versuche von DBB und Sächsischem Erzieherverband, ohne Arbeitskampfmaßnahmen eine Lösung zu finden, seien bisher an der Blockade des Trägers gescheitert. „Nach dem heutigen Tag gibt es keine Zweifel mehr, dass die Erzieherinnen der Einrichtung fest entschlossen sind, für ihre Forderungen zu kämpfen. Jetzt ist der Trägerverein am Zug, am Verhandlungstisch Platz zu nehmen und damit weitere Streiks abzuwenden“, so Jens Weichelt.