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Lukaskirche bekommt Uhr zurück

Seit der Dresdner Bombennacht ist das Bauwerk zeitlos. Das soll sich demnächst ändern. Die vier Sandsteingiebel für die Zifferblätter der Uhr sind schon fertig.

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© dpa

Von Simona Block

Dresden. Langsam schiebt sich der Metallkorb in strahlender Herbstsonne gen Himmel. Immer empor am Turm, über das Gerüst an der Lukaskirche hinaus. Uhrentechniker Andreas Vogler und sein Sohn Tobias stehen eingepfercht zwischen zwei Hälften eines Uhrenblattes samt mannshoher Zeiger in Schutzfolien. Nach fast 50 Metern stoppt der Fahrstuhl. Vogler senior und junior bringen alle Teile des Zifferblatts zu dem lange verwaisten historischen Platz.

Die Rückkehr des Zifferblattes

Die Lukaskirche in Dresden. Das Gotteshaus soll mit einem neuen Zifferblatt sowie einer neuen Kirchturmspitze sein altes Aussehen zurückbekommen.
Die Lukaskirche in Dresden. Das Gotteshaus soll mit einem neuen Zifferblatt sowie einer neuen Kirchturmspitze sein altes Aussehen zurückbekommen.
Uhrentechniker Tobias Vogler zeichnet die römischen Ziffern auf ein neues Zifferblatt für die Lukaskirche.
Uhrentechniker Tobias Vogler zeichnet die römischen Ziffern auf ein neues Zifferblatt für die Lukaskirche.
Die Werkstatt von Uhrentechniker Tobias Vogler.
Die Werkstatt von Uhrentechniker Tobias Vogler.
Detailaufnahme des im 2. Weltkrieg zerstörten Zifferblatt der Lukaskirche mit römischen und arabischen Zahlen.
Detailaufnahme des im 2. Weltkrieg zerstörten Zifferblatt der Lukaskirche mit römischen und arabischen Zahlen.
Der Uhrentechniker Jörg Hippe entlädt an der Lukaskirche einen Hänger mit dem neuen Zifferblatt.
Der Uhrentechniker Jörg Hippe entlädt an der Lukaskirche einen Hänger mit dem neuen Zifferblatt.
Die Uhrentechniker Tobias Vogler (l) und Jörg Hippe tragen an der Lukaskirche den oberen Teil des neuen Zifferblatt in einen Bauaufzug.
Die Uhrentechniker Tobias Vogler (l) und Jörg Hippe tragen an der Lukaskirche den oberen Teil des neuen Zifferblatt in einen Bauaufzug.
Die Uhrentechniker Tobias Vogler (l) und Jörg Hippe tragen auf einem Gerüst am Turm der Lukaskirche den oberen Teil des neuen Zifferblatt aus einem Bauaufzug.
Die Uhrentechniker Tobias Vogler (l) und Jörg Hippe tragen auf einem Gerüst am Turm der Lukaskirche den oberen Teil des neuen Zifferblatt aus einem Bauaufzug.
Die Uhrentechniker Tobias Vogler (l) und Andreas Vogler installieren am Turm der Lukaskirche den unteren Teil des neuen Zifferblatt.
Die Uhrentechniker Tobias Vogler (l) und Andreas Vogler installieren am Turm der Lukaskirche den unteren Teil des neuen Zifferblatt.

Mit der vom Förderverein der Kirche forcierten Turmsanierung kehrt die Großuhr wieder zurück – nach 73 Jahren. „Mit dem Einbau des ersten Zifferblattes setzen wir ein Zeichen, dass es weitergeht“, sagt der Vorsitzende Jens Christian Giese. Auch ein weiteres Zifferblatt ist schon fertig, damit wirbt der Verein vor dem Gotteshaus um Spenden für die Turm-Rekonstruktion, einst „Krone der Südvorstadt“. Die Kosten liegen laut Giese bei etwa 1,4 Millionen Euro. Der Verein will einen Teil beisteuern – knapp 214 000 Euro hat er schon.

Das monumentale, nach dem Evangelisten Lukas benannte Gotteshaus wurde 1899 bis 1903 im Stil der Neorenaissance errichtet. Das Feuer im Zuge der Bombenangriffe auf Dresden am 13. Februar 1945 beschädigte das Gebäude, der Turm brannte aus, und seine Metallspitze hing als Gerippe herab. Jahrzehnte blieb der weithin sichtbare Turm amputiert, geschützt von einer Art Deckel. Hinter der Einhausung aber sind bereits die vier Uhrengiebel aus Sandstein zurück – und die Voglers füllen nach und nach die runden Lupen darin.

Als Vorlage für die im Durchmesser drei Meter großen Zifferblätter dient der Rest eines Originals. Statt Zinkblech sind die Scheiben nun aus Aluminiumblech, haben einen Edelstahlrand und römische Zahlen – in Anthrazitschwarz per Hand auf cremeweißen Grund gemalt.

Der kleine Zeiger misst anderthalb, der große zwei Meter, das Uhrwerk ist zeitgemäß: elektronisch statt mechanisch. „Jedes Zifferblatt hat einen eigenen Antrieb, der pro Minute einen Impuls gibt“, erklärt Vogler senior. Das Signal kommt von einer Funkuhr, per Kabel.

Millimetergenau wird die untere Hälfte des Zifferblatts in die runde Öffnung des Giebels an der Nordseite eingepasst. Als es sitzt, III und IX eine Waagerechte ergeben, geht es plötzlich nicht weiter: Der Haken des Gerüstes ist im Weg. Auch das Uhrwerk und die Zeiger können erst an diesem Freitag installiert werden. Bis der Lukasturm wieder die Zeit anzeigt, werden drei weitere Wochen vergehen. „Das geht erst, wenn das Gerüst weg ist“, sagt Andreas Vogler.

Für Jens Christian Giese ist die Rekonstruktion der Uhrgiebel aber nur der Auftakt. Das Ziel ist deutlich höher gesteckt: „Die schlanke hohe Spitze soll endlich wieder zum Panorama Dresdens gehören.“ Für die evangelische Landeskirche wäre das der „krönende Abschluss“, sagte Baureferentin Katrin Tauber.

Sie investiert Bundes- und Landesmittel aus Denkmalpflegeprogrammen in die Erhaltung und Sanierung der Kirche, die weltberühmt ist als begehrter Ort für Tonaufnahmen. In dem bereits zu DDR-Zeiten zum Tonstudio umgebauten Innenraum dirigierten schon Herbert von Karajan oder Claudio Abbado, sangen René Kollo, Anna Netrebko oder Rolando Villazón. Und neben den Gottesdiensten wird konzertiert – in einzigartiger Akustik.

Einen ersten Test für die neue Turmuhr gab es übrigens schon vor vier Jahren. Damals wurde das rekonstruierte Zifferblatt per Kran in 50 Metern Höhe vor den Turm gehoben, um zu sehen, wie das Bauwerk samt Uhr einmal aussehen wird. Seitdem stand das voll funktionstüchtige Zifferblatt, aufgehängt an einer Tafel vor dem Gotteshaus. Dabei waren auch 20 Fragmente der vier originalen Zifferblätter, die statt arabischer römische Zahlen hatten und 2012 eher zufällig auf dem Turmboden gefunden wurden. Anschließend recherchierten die Vereinsmitglieder, wie der Turm mit Uhr vor seiner Zerstörung eigentlich aussah. Und das war gar nicht so einfach, denn das Kirchenarchiv war in der Bombennacht 1945 ebenfalls in Flammen aufgegangen. (mit dpa)