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Erröten auf Knopfdruck

Die Inszenierung „Leon zeigt Zähne“ am Dresdner Theater Junge Generation ist ein quietschbuntes Lob auf alle Schüchternen.

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© tjg/Marco Prill

Von Johanna Lemke

Das entscheidende N. Ein Buchstabe, drei Striche, eigentlich nichts. Aber was es alles ausmacht! Wenn die anderen das N vergessen – und das passiert oft –, heißt Leon nur noch Leo. Das bedeutet Löwe, was erst mal nicht schlimm ist, aber Leon ist nun mal von Sternzeichen Fisch. Und sowieso keiner, der gern Zähne zeigt.

Am Theater Junge Generation in Dresden ist Leon so, wie man sich einen schüchternen Grundschüler vorstellt: Er hat fettige Haare, zieht die Schultern ängstlich bis zu den Ohren hoch, zuppelt sich am T-Shirt rum. Der Einzige, den er in seiner Klasse mag, ist der Affe auf dem Poster an der Wand. Denn der lacht nicht über ihn. Philippe Besson hat für die kleine Bühne im TJG ein Stück inszeniert, das sicher eine Menge Kinder, Eltern und Lehrer interessieren wird: „Leon zeigt Zähne“ von der Autorin Silke Wolfrum handelt davon, wie schüchterne Kinder ihren Platz in der Schule, in der Gesellschaft finden.

Optimistische Altersempfehlung

Bühnenbildnerin Henrike Engel hat die Guckkastenbühne mit Kritzeleien gepflastert, mit Strichelzeichnungen, fiesen Fratzen und Sprüchen. So kreischend wie diese Bühne und wie die neonfarbenen Kostüme ist auch das Spiel: ziemlich plakativ. Nicht nur Leon spielt schüchtern so, wie man sich schüchtern vorstellt. Auch die anderen Darsteller verlassen den vorhersehbaren Pfad nur selten. Leons Widersacher Quentin ist laut, cool und faul. Die Nachbarin (Ulrike Sperberg) kräht immer von ihrem „Iiiischias!“ Und Leons Vater rührt, wie man sich das bei einem Alleinerziehenden halt so vorstellt, angestrengt mit dem Schneebesen das Abendessen an. Die Wahl der Mittel hat sicher Gründe. Nicht selten sind Eltern oder begleitende Lehrer von allzu viel Experimentierfreude im Kindertheater genervt. Für sie ist diese schnörkellose Inszenierung genau das Richtige.

Doch wer so buntes, unterhaltsames Kindertheater mag und zudem weiß, dass die Altersempfehlung 6+ recht optimistisch gedacht ist, wird sich köstlich amüsieren. Dann kann man mitfiebern, wenn Leon und sein ebenso schüchterner Vater Mutproben vereinbaren. Leon will sich endlich trauen, vom Dreimeter zu springen. Sein Vater nimmt sich vor, der Chefin die Meinung zu sagen. Und so verbünden die beiden sich im gemeinsamen Kampf. Während der Vater an den Herausforderungen wächst, quält Leon sich körperlich dabei, seinem Gitarrenlehrer (Paul Oldenburg) zu sagen, dass der Mundgeruch hat. Herrlich! Irritierend wirkt nur, das Moritz Stephan, der den Leon spielt, so viel größer ist als Ulrich Wenzke, sein Vater. Das ist im Kindertheater meistens kein Problem, aber hier fällt es massiv auf. Darstellerischer Lichtblick ist Barbro Viefhaus, deren Ida mit monströser Zahnspange eine angenehme Ruhe in die quirlige Inszenierung bringt. Sie vermittelt auch die große Botschaft, wegen der man gern alle Grundschullehrer dieses Landes ins TJG schicken würde: Nehmt die Kinder so, wie sie sind, so aufbrausend, albern oder eben schüchtern. „Meinetwegen musst du gar nicht springen“, ist der entscheidende Satz, den Ida dem wie auf Knopfdruck errötenden Leon sagt, und dann noch: „Ich mag dich auch so.“ Endlich. Endlich kann Leon Leon sein. Und nicht Leo.

Die nächsten Vorstellungen sind restlos ausverkauft. Für die geplanten Vorstellungen im März und April sind Karten ab 1. Dezember erhältlich.