Von Kathrin Krüger-Mlaouhia
Großenhain. Die in der Bergbrauerei arbeiteten – aber nur die aus der Herstellung – hatten es in der DDR gut: Sie erhielten täglich zwei Liter Bier gratis. Noch 1973 war es eine Ehre, für das „kühle Blonde“ aus Zschieschen tätig zu sein. Kurz nach der Zwangsverstaatlichung füllte die Brauerei täglich 18 000 Flaschen ab. Bei einer Qualitätskontrolle kamen die Großenhainer damals von 22 Brauereien auf den 12. Platz. Da waren auch Fassbrause und Selters dabei. Bei den alkoholischen Getränken – also allein Bier – erreichte die Brauerei von 44 Betrieben den sechsten Platz.
Die Bergbrauerei
Später hieß es offiziell, der Bedarf hätte sich verdoppelt. Die Abfüllzeit im Flaschenkeller hätte effektiv verbessert werden können, so dass täglich 900 bis 1000 Kästen mit je 20 Flaschen Bier „gezogen“ werden konnten. Doch gefordert wurde diese Verdopplung des Ausstoßes von den übergeordneten Stellen, erinnert sich der frühere Betriebsleiter Jörg Köhler. Da die Produktionskapazität aber gleich blieb, war die irgendwann überfordert. „Die Mitarbeiter waren stets bemüht, die Qualität des Bieres zu verbessern, die in so mancher Zeit zu Wünschen übrig ließ“, schrieb damals die Zeitung. Trotzdem reichte die Produktion bei Weitem nicht, so dass die gleiche Menge noch aus anderen Betrieben eingeliefert werden musste.
Aus Vollbier wurde Deutsches Pilsner
1985 kam das „Deutsches Pilsner“. Die ersten Flaschen, die in den Geschäften auftauchten, sorgten für Aufsehen. In der Bergbrauerei kam der Vorschlag zur Umstellung von den Beschäftigten selbst. Veränderte Trinkbedürfnisse der Bürger wären der Anlass, die Produktion von Vollbier hell auf Deutsches Pilsner umzustellen. Für die Perspektive wurde vorgesehen, dass das Pilsner als Übergangsstufe zur Umstellung auf Vollbier dunkel, Malzbier und Doppelkaramell dient.
1987 war es soweit, und das Dunkelbier kam. Auf den Getränkekarten der Gaststätten konnte man es anfangs nicht finden. Dann trug es zur Bereicherung des Angebots in den Versorgungsbereichen Riesa, Meißen und Großenhain bei. Die Zschieschener Brauerei unterstand da schon nicht mehr der örtlichen Versorgungswirtschaft des Kreises, auch nicht mehr dem Wirtschaftsrat des Bezirkes, Abteilung Lebensmittel. Und auch nicht dem Getränkekombinat Dresdner Brauereien. Sondern einer Versorgungsgemeinschaft der drei noch selbstständigen Altkreise. Bei der Qualitätsbeurteilung erhielt das neue Dunkelbier immerhin 17 von 20 möglichen Punkten.
Bis etwa Mitte 20. Jahrhundert war für die Produktion die eigene Natureiskühlung wichtig. Dafür gab es den Teich an den Bahngleisen. Bis zum Krieg gab es eine eigenständige Mälzerei. Die Brauerei hatte zudem eine eigene Stromproduktion mit einer Elektroturbine im Maschinenhaus – nachhaltig, wie heute gefordert – eigene Handwerker, in Privatzeiten noch eine eigene Landwirtschaft zur Selbstversorgung. Es gab eine Böttcherei, wo die Holzfässer ausgekellert und gepicht wurden. Viele Lehrlinge wurden auch schon während der privaten Brauereizeit ausgebildet.
Zur Brauerei gehörten Gaststätten
Während des Krieges waren bekanntlich die Rohstoffe knapp. So wurde Leichtbier, auch Fliegerbier genannt, gebraut. Als die Zschieschener Bergbrauerei noch Familie Berndt gehörte, wurden auch Gaststätten zugekauft, die Zschieschener Bier ausschenkten: der Großenhainer Hof, der Radeburger Hof, der Bergkeller und früher auch „Ostende“ in Naundorf. Damals brauten die Männer: Vater, Sohn und Enkel. Die Frauen füllten im Keller ab.
Das ist alles lange her. Die Nachfahren der Brauerfamilie, eine Erbengemeinschaft, schlug vor zehn Jahren das Eigentumsrecht am Grundstück aus. Seitdem war die ehemalige Brauerei herrenlos und automatisch in Obhut des Freistaates Sachsen. 2013 kaufte die Stadt für einen Euro dem Land das Aneignungsrecht ab. Die Erben wollten allerdings für die Löschungsbewilligung im Grundbuch 40 000 Euro. Auch 5900 Euro Gerichtskosten waren für die Stadt zu diesem Zeitpunkt schon aufgelaufen. Zuletzt sollte aus der Bergbrauerei ein Hotel werden. Familie Seurig als Bewirtschafter des angrenzenden Zschieschener Bergkellers hatte Ambitionen. Doch die Stadtverwaltung befürwortete diese Entwicklung nicht. Nun steht der Abriss im kommenden Jahr bevor. Damit verschwindet eine lange und bekannte Handwerks- und Familientradition in Großenhain. Doch der Verfall der Brauerei-Ruine lässt kaum eine andere Option zu.
Bleibt die Erinnerung, dass die Brauerfamilie Berndt mal den Ehrenpräsidenten des deutschen Brauerbundes stellte. Wer es war, ist bisher nicht mehr zu ermitteln.
Kleine Ausstellung im Dorfgemeindehaus Zschieschen