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Erfolg trotz Widerständen

Vor vier Jahren entscheidet sich ein Ex-Handballer, Sportler mit geistigem Handicap zu trainieren. Ein Umstieg mit Folgen.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Meißen. Wer ihm vorher gesagt hätte, dass am Ende die Silbermedaille herausspringt, den hätte Mario Schindler wohl müde belächelt. Der 55-jährige Betriebselektriker in der Porzellanmanufaktur ist Trainer der Handballmannschaft mit leichtem geistigem Handicap beim SV Fortschritt Meißen-West. Vom 13. bis 19. Mai hatte das Team an den alle zwei Jahre stattfindenden Special Olympics in Kiel teilgenommen. „Kurz vor dem Turnier hatten sich drei der wichtigsten Spieler verletzt. Wir mussten sie ersetzen. Dass das so gelingt, habe ich aber im Traum nicht erwartet“, sagt der Übungsleiter, der sich die Arbeit mit Trainerin Sabine Bauermann teilt und von zwei weiteren Betreuern unterstützt wird. Zwar haben die gehandicapten Handballer vom Juteplan bereits 2014 mit dem Titelgewinn und 2016 als Zweiter bei den Special Olympics für Furore gesorgt. Trotzdem sei der jüngste Erfolg nicht hoch genug zu bewerten, sagt Schindler. Das habe auch mit einigen Widerständen zu tun, die die Sportler meistern mussten. „Für den Wettkampf müssen wir 1 680 Euro Startgebühr bezahlen. Dazu kamen 2 400 Euro für die Unterkunft. Das ist für unseren Verein eine echte Herausforderung“, erklärt Schindler.

Grund zum Feiern haben sie dank ihrer Leistungen regelmäßig – wie nach der Siegerehrung bei den Special Olympics. in Kiel.
Grund zum Feiern haben sie dank ihrer Leistungen regelmäßig – wie nach der Siegerehrung bei den Special Olympics. in Kiel. © privat

Zudem sei die Suche nach einer Behausung in Nähe der Turnhalle schwer gewesen. Nach vielen vergeblichen Versuchen hatte es mit einem Campingplatz geklappt. Kurz vor Beginn der Fahrt mit zwei Kleinbussen habe dann auch noch eine Firma abgesagt, weshalb auf die Schnelle ein neues Auto her musste. Zum Glück sind die DRK-Werkstätten eingesprungen und haben das neue Transportmittel gestellt. „Im Camp angekommen, gab es dann nur Lunch-Pakete für die Spieler zu essen, nie etwa warmes“, erinnert sich Schindler. Als nach den ersten beiden Vorrundenspielen das Weiterkommen auf der Kippe stand, im nächsten Spiel unbedingt ein Sieg her musste, sprang er selbst als Koch ein. „Ich habe mit ein wenig Verpflegungsgeld von Kleinsponsoren Spaghetti gekauft und für alle gekocht. Bei dem Essen haben wir uns auf den Gegner aus Thüringen eingeschworen und letztlich klar gewonnen“, sagt Schindler. Zehn Spieler zwischen 13 und 43 Jahren schafften am Ende die kleine Sensation und weitere Siege, unterlagen nur einem Team aus Essen, das regelmäßigen Spielbetrieb gewöhnt ist.

Bei Meißen-West ist das anders. „Wir trainieren einmal pro Woche, sind froh, wenn wir zwei Turniere im Jahr spielen“, sagt Mario Schindler. Derzeit kämpften die Handballer mit Handicap aus Meißen, Radebeul, Glauchau und Delitzsch zumindest um eine Sachsenmeisterschaft, um mehr Spiele zu bestreiten. Für die Entwicklung seiner Spieler wäre das sehr wichtig, findet der Trainer.

Er selbst kam vor vier Jahren an den Juteplan, coachte vorher lange Zeit die Handballer von Chemie Meißen, dem späteren VfL. „Da habe ich bis Mitte 30 auch selbst gespielt, früher auch in der Bezirksauswahl.“ Der Umstieg auf Behindertenhandball sei riesig gewesen. Plötzlich musste er über Medikamentendosierungen oder das Verhalten bei epileptischen Anfällen Bescheid wissen. „Und in der täglichen Arbeit muss man feinfühliger sein, sich in die Spieler hineinversetzen und trotzdem eine klare Linie verfolgen.“

Das ist Mario Schindler und seinem Betreuerstab gut gelungen. Seitens der Stadt gab es kürzlich auch noch eine gute Nachricht. 3 800 Euro erhielten die Handballer aus der Vereinsförderung. Damit konnten die Kosten für die Fahrt nach Kiel fast gedeckt werden. Die Mannschaft zahlt es mit Leistung zurück, die auch über Meißen hinaus Aufmerksamkeit erregt. „Wir bekommen viele Einladungen aus ganz Deutschland, können die Mehrzahl aber nicht annehmen, weil es zu teuer wäre. Darum sind wir für Unterstützung immer dankbar“, sagt der verheiratete Meißner. Wichtiger als Geld ist aber das persönliche Engagement füreinander im Verein. Dafür sind Schindler und seine Handballer ein leuchtendes Beispiel – Handicap hin oder her.