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Eklat im betreuten Wohnen

Wenige Tage nach dem Einzug müssen die Bewohner wieder ausziehen. Keiner will dafür verantwortlich sein.

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© Eric Weser

Von Christoph Scharf

Riesa. Lange war die alte Poliklinik in Weida zu einer Einrichtung für betreutes Wohnen umgebaut worden. Vor wenigen Tagen zogen die ersten sieben Bewohner ein. Doch dann der Schock: Diese Woche mussten sie kurzfristig wieder ausziehen, darunter auch eine über 90-jährige Frau. Dem Vernehmen nach gab es Ärger mit den Brandschutz-Vorschriften, das Bauamt habe das Gebäude für die Nutzung gesperrt.

So war es nicht, sagt Baubürgermeister Tilo Lindner. Eine Anordnung der Bauaufsicht sei gar nicht nötig gewesen: Der Betreiber der Einrichtung habe von sich aus erklärt, dass die Bewohner wieder ausziehen, sagt der Baubürgermeister. Denn in dem Objekt hätte nach Meinung des Rathauses ohnehin noch niemand wohnen dürfen: Schließlich sei der Umbau noch gar nicht beendet. „Obwohl bislang weder die Maßnahmen zum Brandschutz umgesetzt sind und natürlich auch keine Abnahme stattgefunden hatte, wurde am Dienstag dieser Woche durch die Bauaufsicht festgestellt, dass das Objekt bereits bewohnt wurde“, sagt Tilo Lindner. „Wir haben keine Räumung befohlen. Die Betreiberin hat die Nutzung freiwillig aufgegeben.“

„Eine Blamage“

Das Berliner Pflegeunternehmen Advita will dort eine Tagespflege, 30 kleine Wohnungen für betreutes Wohnen sowie zwei Demenz-WGs einrichten. Eigentlich hatte man dort schon 2016 öffnen wollen, zuletzt war Anfang 2018 im Gespräch. Tatsächlich habe man aber bei der bauordnungsrechtlichen Bauabnahme des Gesamthauses feststellen müssen, dass der beauftragte Generalunternehmer sich nicht an verbindlich vereinbarte Terminzusagen gehalten habe, sagt Advita-Sprecher Uli Schuppach. Deshalb sei die Nutzung vorläufig untersagt worden.

„Hier muss man auch nicht viel herumlavieren, es ist eine Blamage, die so bei Advita noch nicht vorgekommen ist.“ Alle Beteiligten – einschließlich des Generalunternehmers – hätten gewusst, dass die Verantwortung den Bewohnern gegenüber höchste Priorität hat. „Umso ärgerlicher ist es, wenn Fehler zu so einer Situation führen, die Advita nicht zu vertreten hat.“

Sogenannter Generalmieter des Gebäudes ist die ebenfalls in Berlin ansässige Zusammen-Zuhause-GmbH, die ebenfalls auf „unzutreffende Zusagen“ des Generalunternehmens verwaist. Man habe den Bewohnern, die ihre vormalige Wohnung schon gekündigt hatten, schnell den Umzug ins neue Haus gewährleisten wollen, sagt Geschäftsführer Roland Schmitt. „Dies hat in diesem Fall leider nicht funktioniert.“ Die Gesellschaft sei derzeit dabei, insgesamt 17 Häuser zu entwickeln – und das Gebäude in Riesa-Weida habe sich als das mit Abstand schwierigste Objekt entpuppt. Nun werde man mit allen Beteiligten dafür sorgen, dass die Bewohner alsbald wieder einziehen können.

Und wer trägt die Extrakosten? „Selbstverständlich wird keinem Mieter ein finanzieller Nachteil entstehen. Ich werde in der nächsten Woche den Mietern einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten“, sagt Roland Schmitt. Advita verspricht ebenfalls, dass niemand von den Betroffenen draufzahlen muss. „Solche Kosten gehören nunmehr zur Summe des Schadensersatzes gegenüber dem Verursacher dieser Situation“, sagt Sprecher Uli Schuppach.

Man habe „außerordentliches Verständnis“ dafür, dass sowohl die bis dato ins Haus eingezogenen sieben Bewohner sowie deren Angehörige Unmut und teilweise Unverständnis geäußert hätten. Dennoch bedanke man sich bei ihnen: Durch den „unermüdlichen und beherzten Einsatz“ der Mitarbeiter vor Ort habe man Lösungen für jeden Einzelnen finden können, sagt der Advita-Sprecher. „Drei der Bewohner konnten kurzfristig ins Advita-Haus Schloss Gröba einziehen, die übrigen vier Bewohner haben sich für eine Lösung in der früheren Häuslichkeit entschieden.“ Dort würden sie mithilfe der Angehörigen und der ambulanten Tourenpflege von Advita versorgt werden.

Und wie geht es nun weiter? Nach der Misere habe man mittlerweile verbindliche Aussagen zur Fertigstellung. „Allerdings sind wir aus verständlichen Gründen zurückhaltend damit, Termine zu nennen“, sagt Uli Schuppach. „Es bahnt sich aber eine kurzfristige Lösung an.“