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Einsatz für Karajans Enkel

Was ein Verkehrsregler der Polizei heute können muss. Und warum Günter Jacob noch immer bewundert wird.

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© PROGRESS Film-Verleih

Von Christoph Springer

Intelligente Ampeln mit Induktionsschleifen, Kameras und Verkehrsrechnern haben sie längst abgelöst. Sie stehen heute dort, wo sich früher Polizisten mit Verkehrsstab und Trillerpfeife in den Strom aus Autos, Lastern, Bussen und Straßenbahnen wagen mussten. Wie auf dem Schillerplatz, wo Günter Jacob bis 1994 den Verkehr regelte.

Carsten Ulbricht ist einer seiner Kollegen. Er steht auf dem Georgplatz und zeigt Rücken. Eigentlich müsste der Lkw-Fahrer hinter ihm stehen bleiben. Er kommt mit seinem Laster aus der Bürgerwiese und will am Georgplatz nach rechts auf die St. Petersburger Straße abbiegen. Der Lkw ruckt an, Ulbricht zieht aber nicht etwa zurück. Er macht einen energischen Ausfallschritt auf den Laster zu und fragt den Mann am Lenkrad laut durchs offene Fenster, was er in der Fahrschule gelernt hat. „Siehst du Brust und Rücken, musst du auf die Bremse drücken“, kennt er offenbar nicht. Der Spruch ist eine Eseslbrücke, die genau dann hilft, wenn Polizeihauptkommissar Ulbricht und seine Kollegen auf einer Kreuzung den Verkehr regeln. So wie am Dienstag auf dem Georgplatz, wo eine Ampel erneuert werden musste, die vor reichlich zwei Wochen bei einem Unfall beschädigt worden ist.

„Gefährlich ist das nicht, aber anstrengend“, erklärt Uwe Jänichen die Arbeit auf der Kreuzung. Seine Kollegen stehen in der prallen Sonne, inmitten von Abgasen und müssen sich immer so postieren, dass sie den Autos nicht im Weg sind. So funktioniert das auf allen großen Dresdner Kreuzungen, müssen Ampeln repariert oder gewartet werden. Etwa 30 Kollegen vom Verkehrsüberwachungsdienst der Dresdner Polizei sind speziell für solche Einsätze gerüstet.

Günther Jacob gehörte bis 2011 zu dieser Abteilung, dann ging der Karajan vom Schillerplatz in Rente. 15 Jahre lang regelte er den Verkehr auf der Kreuzung am Blauen Wunder. Seinen Kollegen hat er ein Erbstück hinterlassen, das heute noch im Einsatz ist. Einen Verkehrsstab, der nicht viel schwerer ist als eine große Tafel Schokolade. Er kann nachts in verschiedenen Farben blinken. Jacob benutzte den schwarz-weißen Stab einst wie ein Dirigent. Daher kam sein Spitzname. „Er machte das graziös, besser gehts nicht“, erinnert sich Jänichen. Dabei soll sich Jacob sogar einmal auf die Straße gekniet und gebetet haben, um einen Autofahrer dazu zu bewegen, dass er sein Vehikel endlich in Bewegung setzt.

Seinen Kollegen auf dem Georgplatz ist der besonders elegante Einsatz weniger wichtig. „Bei uns gibt es keine B-Note“, sagt Uwe Jänichen. Wichtig sei vielmehr, den Autofahrern, Radfahrern und Fußgängern möglichst eindeutige Zeichen zu geben. Denn nicht alle können die Signale der Beamten zweifelsfrei deuten. Dabei gibt es eigentlich nur drei Positionen: Das Achtungssignal mit dem aufgerichteten Verkehrsstab, das Frei-Zeichen, bei dem der Beamte parallel zur Fahrtrichtung steht, und die Sperre, bei der er Brust und Rücken zeigt.

Besonderheit auf dem Georgplatz ist ein weiteres Signal: die Beamten zeigen Linksabbiegern, wann sie fahren dürfen, indem ihre Arme einen rechten Winkel bilden.

Spezielle Anweisungen für besonders komplizierte Kreuzungen gibt es nicht. Blickkontakt der Beamten untereinander sei wichtig, sagt Jänichen. Und sie müssten funktionieren, wie die Ampelanlage. Die sei aber letztlich besser als seine Kollegen, denn „Menschen machen Fehler“.

Vier Beamte genügen auch für die größte Dresdner Kreuzung, den Pirnaischen Platz. Dabei hilft ihnen, wenn Dispatcher der Dresdner Verkehrsbetriebe darauf achten, dass die Straßenbahn- und Busfahrer ebenfalls genau das tun, was die Verkehrsregler auf der Kreuzung anzeigen. Neben dieser Kreuzung ist die Verkehrsregelung auf dem Carolaplatz, dem Rathenauplatz und dem Georgplatz besonders anspruchsvoll. „Diese Kreuzungen setzen sich aus vier Einzelkreuzungen zusammen“, erklärt Jänichen die besondere Herausforderung. Letztlich ist er aber froh, dass es Ampeln gibt. Denn muss man stundenlang den Verkehr regeln, „wird das irgendwann auch öde“, weiß er aus Erfahrung.