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Einsatz auf der schwimmenden Klinik

Acht Wochen lang hat Kristin Eilzer auf einem Hospitalschiff gearbeitet, für Glück gesorgt und Trauer erlebt.

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© Mercy Ships

Von Nadja Laske

Eine solche Heimreise kann lange dauern. Viel länger, als die Stunden im Flieger eigentlich zählen. Tage und Nächte hat Kristin Eilzer gebraucht, um wieder in der Heimat anzukommen. Körperlich zurück in Dresden, hing ihre Seele auf der Africa Mercy fest. „In Gedanken war ich immer noch auf dem Schiff, beim Team und all den Patienten“, sagt die 29-Jährige. Acht Wochen lang hat sie als Gesundheits- und Krankenpflegerin auf dem größten privaten Hospitalschiff der Welt gearbeitet. Es kreuzt über die Ozeane zu den ärmsten Ländern der Welt, wo es jeweils zehn Monate lang im Hafen liegt und Menschen aufnimmt, die sonst nie eine Chance auf Heilung hätten.

Insgesamt fünf OP-Räume hat die Africa Mercy.
Insgesamt fünf OP-Räume hat die Africa Mercy. © Mercy Ships

Damit war die Dresdnerin eine von rund 400 Ehrenamtlichen aus etwa 40 Nationen, die das ganze über Jahr für die Hilfsorganisation im Einsatz sind. „Ich hatte von einer Bekannten erfahren, dass es dieses Schiff gibt“, erzählt Kristin. Sie arbeitet im Krankenhaus Friedrichstadt als Schwester auf der Intensivstation. Drei Jahre lang hat sie ihre Zeit auf dem schwimmenden Krankenhaus vorbereitet. So lange brauchte sie, um in ihrem Aufgabenfeld Beschäftigung zu finden. Zwar ist die Liste der Gesuche lang. Vom Kapitän über den Koch bis zur Reinigungskraft sind Stellen für Helfer ausgeschrieben. Die größte Zahl der Bewerber jedoch kommt aus den medizinisch-pflegerischen Berufen.

Außerdem war etliches vorzubereiten. Zusätzliche Impfungen brauchte Kristin, und einen Reanimationskurs musste sie besuchen. Zwei Monate lang ihre Arbeit in Deutschland ruhen zu lassen, war auch nicht so einfach. Doch ihr Arbeitgeber unterstützte das Vorhaben und gab ihr unbezahlten Urlaub. Das hieß sparen – für die Zeit ohne Verdienst und die Arbeit auf dem Klinikschiff. „Alles, was nötig ist, damit die medizinische Versorgung, das Leben der Patienten und Mitarbeiter an Bord gesichert sind, wird über Spenden bezahlt“, erklärt die Intensivschwester. Spender sind auch die Ehrenamtler selbst. Sie zahlen pro Monat 700 Euro an die Hilfsorganisation. Damit sind ihre Kost und Logis an Bord beglichen und ein Beitrag für das Große und Ganze geleistet: Operationsmaterial, Medikamente, Strom, Wasser, Patientenverpflegung, Gebühren. An Kristins Beitrag beteiligten sich Freunde und Familie. „Ich habe nicht darum gebeten, aber sie fanden das Projekt klasse und unterstützten mich.“

Und damit auch Menschen, die von Geburt an oder aufgrund von Krankheiten von Tumoren an Kopf, Gesicht und Oberkörper gezeichnet sind. Menschen, deren Kiefer- und Gaumenspalten sie entstellen, und sie kaum sprechen und Nahrung aufnehmen lassen. Menschen, die deformierte Gliedmaßen haben und sich gar nicht oder nur beschwerlich fortbewegen können. Menschen, die nicht solche Qualen ertragen müssten, wenn sie schon vor langer Zeit medizinisch versorgt worden wären.

„Aber sie leben in entlegenen Dörfern, haben weder die Möglichkeit, zu einem Spezialisten zu kommen, noch das Geld für eine Behandlung“, erklärt Kristin. Über Kooperationspartner im jeweiligen Land und dessen Regierung erfahren die Betroffenen, dass die Africa Mercy Hilfe kommen wird. Dann strömen sie aus allen Regionen zum Hafen und stehen über Stunden und Tage an, um sich den Ärzten vorzustellen. Die entscheiden, ob eine Operation erfolgversprechend ist und vergeben Termine für die Aufnahme ins Krankenschiff.

„Es passiert auch, dass keine Heilung möglich ist“, sagt Kristin. Dann versuche das Ärzteteam aber, das Leiden so weit wie möglich zu lindern. Was sie in jedem Fall beeindruckt hat, sind die Geduld, Dankbarkeit und Ergebenheit, mit der die Patienten zum Teil wochenlang auf dem Schiff und in einem extra Krankenlager ausharren. „Bei uns gibt es höchstens Dreibettzimmer, dort sind mindestens zehn Menschen in einem Raum untergebracht und niemand würde sich je beschweren.“

Kristin Eilzer selbst wohnte während ihres Einsatzes mit fünf Kolleginnen zusammen. „Aber wir sind ja nur zum Schlafen dort gewesen.“ In drei Schichten zu arbeiten, ist sie in ihrem Beruf ohnehin gewohnt. Auf Englisch zu kommunizieren, das war für sie jedoch eine Herausforderung. „Zumal zur Crew sehr viele Muttersprachler gehören, für die Fachbegriffe kein Problem sind.“ Doch auch die eignete sich Kristin bald an.

Als beglückend und traurig zugleich bezeichnet sie ihre Erlebnisse auf der Africa Mercy nun mit Blick zurück: „Es ist schwer anzusehen, wie ursprünglich geringe Auslöser großes Leid verursachen.“ Eine OP zu früherer Zeit hätte Betroffenen so viel mehr Lebensqualität geschenkt. Doch lieber denkt Kristin an die Herzlichkeit zwischen Helfern und Patienten, an die vielen Menschen, für die nur die Zukunft zählt.