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Eine Schule für eine Kapelle

Wie Schüler und Lehrer in Teplice ein einzigartiges Bauwerk retteten.

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© Egbert Kamprath

Von Steffen Neumann

Teplice. Die Beuron-Kapelle begleitet Jakub Mracek schon ein halbes Leben. Wo sich heute die Garderobe befindet, saß er einst als Schüler im Unterricht. Von der Kapelle konnte er nur durch Fenster einen Eindruck erhaschen. Ihm bot sich ein Bild, das aus vielen Kirchen in Tschechien bekannt war. Ein Bild von Verwahrlosung und Verfall, Folge einer jahrzehntelangen kirchenfeindlichen Politik und der Vertreibung der ursprünglichen Bevölkerung aus den Grenzgebieten.

Die prächtige Ausmalung durch Benediktiner-Mönche 1884 ist das älteste Zeugnis dieses Malstils in Tschechien.
Die prächtige Ausmalung durch Benediktiner-Mönche 1884 ist das älteste Zeugnis dieses Malstils in Tschechien. © Egbert Kamprath

Doch es war auch etwas anders hier. Die gesamte Kirche war ausgemalt in einem Stil, der einst im süddeutschen Benediktinerkloster Beuron seinen Anfang nahm. Das ließ auch den Schüler Mracek nicht los. „Um in die Kapelle zu kommen musste man durch eine Tür hinter der Tafel im Physikkabinett, das ist heute nicht mehr nötig“, schmunzelt Mracek.

Heute ist er selbst Lehrer am Gymnasium Teplice (Teplitz) und kann das Ergebnis seines jahrelangen Einsatzes täglich bewundern, wenn er möchte. Denn die Restaurierung der Kapelle ist seit März offiziell beendet. Die Beuron-Malerei strahlt in kräftigen Farben.

Beuroner Kunstschule

Ausgehend vom Benediktiner-Kloster im süddeutschen Beuron an der Donau verbreitete sich der an altchristlicher und byzantinischer Kunst orientierte Reformstil über Deutschland, Italien und vor allem Tschechien.

In Beuron, das die Reformmönche infolge des Kulturkampfes verlassen mussten, ist er kaum noch zu finden.

Die Mönche fanden Zuflucht in Prag, was die starke Verbreitung in Tschechien erklärt.

Öffnungszeiten: Juli/August: täglich außer montags, 13-17 Uhr, sonst: immer samstags, 13-17 Uhr

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„Mir ging es damals natürlich um den Erhalt dieses Bauwerks“, erinnert sich Mracek daran, was ihn dazu trieb, 2004 den Verein „Pro arte Beurensis“ mit zu gründen. Für diesen Erhalt war es fast schon zu spät. Die Benediktiner-Mönche hatten ihre Malerei direkt auf den Putz aufgetragen. „Eigentlich war es ein Wunder, dass die Wände nicht mehr zerstört waren“, sagt Mracek. So blieb es bei gewaltsamen Eingriffen an Stellen, wo Lampen auf Darstellungen von Engeln installiert oder Stromleitungen in den Putz verlegt wurden. Und mitten auf dem gewaltigen Altarbild, das das Jüngste Gericht darstellt, klafft eine nur durch Ornamentik gefüllte Fläche. „Dort stand der Altar, der mit dem gesamten Interieur nach dem Krieg verschwunden ist“, so Mracek weiter.

Die Kapelle als Teil des Schulkomplexes ist eine Folge der Nachkriegsveränderungen in der Tschechoslowakei. Einst befand sich hier das Kloster der barmherzigen Schwestern vom heiligen Karl Borromäus. Nach 1945 wurden zunächst die deutschen Schwestern vertrieben. Die übrigen Schwestern mussten das Kloster 1950 verlassen. Später zog hier die Schule ein, die Kapelle wurden zum Lager degradiert. In der Zeit des Prager Frühlings kam kurz der Gedanke auf, die Kapelle zu retten, der aber ebenso schnell wieder aufgegeben wie der Prager Frühling niedergeschlagen wurde. „Erst 1989 beschloss der Stadtrat, die Kapelle zu sanieren und aus ihr eine Art Konzertraum zu machen. Natürlich sollte alles beseitigt werden, was an die Kirche erinnerte. Zum Glück ist es dazu nicht gekommen“, erzählt Mracek.

Die samtene Revolution kam dazwischen. Gerettet war das Bauwerk, das inzwischen das älteste Zeugnis des Beuroner Kunststils in Tschechien ist, damit aber noch nicht. Aber als 1993 das Gymnasium gegründet wurde und die Kapelle in seine Verantwortlichkeit überging, wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der zur feierlichen Wiedereröffnung im März dieses Jahres führte.

„25 Jahre ist in der Tat eine lange Zeit“, räumt Schuldirektor Zdenek Bergman ein. Das lag vor allem am fehlenden Geld. Aber für Bergman hatte die ungewollte Verzögerung auch sein Gutes. „Diese Jahre waren gefüllt vom gemeinsamen Engagement einer Vielzahl von Schülern und Lehrern. Für uns war das eine Schule der Moral, Humanität und bürgerlicher Achtsamkeit“, sagt Bergman. Es wurden Benefizkonzerte, Spendensammlungen, Ausstellungen und Vorträge veranstaltet. Und Schüler und Lehrer legten auch selbst mit Hand an. Jakub Mracek kann sich noch gut an zwei Wochen im Herbst 2008 erinnern, als 40 Helfer ein gewaltiges Gerüst aufstellten. „Wir wollten damit die Miete für das Gerüst sparen.“ Das Gerüst war aber auch besonders, denn es wurde nur durch Holzbalken und Seile gehalten. Es blieb aber nicht bei Spenden. „Es gelang schon damals, mehrere Millionen Kronen zu organisieren, vom deutsch-tschechischen Zukunftsfonds und aus dem Staatshaushalt“, erinnert sich Jakub Mracek. Davon wurde der Fußboden mit Heizung bezahlt und es wurden erste restauratorische Arbeiten finanziert.

Auch für Mracek ist die Rettung nur der eine Teil der Geschichte. „Diese Kapelle hat so viele Menschen zusammengebracht. Einige Schüler haben in ihren späteren Berufen weitergeholfen. Und aus der Teplicer Öffentlichkeit ist die Kapelle inzwischen nicht mehr wegzudenken.“ Eine ehemalige Schülerin war es auch, die den Kontakt zum Umweltzentrum in Dresden herstellte, der am Ende den noch fehlenden finanziellen Beitrag für die Wiederherstellung der Kapelle brachte. Im Rahmen des deutsch-tschechischen Projektes „Mundani“ wurden das Torhaus auf dem Äußeren Matthäusfriedhof in Dresden und die Beuron-Kapelle saniert.

Die Kapelle, die eigentlich korrekt die Kapelle der unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria heißt, wird künftig zum „Kontaktzentrum zwischen Schule und Öffentlichkeit“, kündigt Direktor Bergman an. Bereits im Juli startet eine zweimonatige Ausstellung zu 100 Jahren Tschechoslowakei. Die Schule führt hier eigene Veranstaltungen durch und es wird Konzerte geben.

Für Direktor Bergman ist „die Kapelle ein Symbol der Erneuerung geworden.“ Nicht nur ihrer selbst, sondern auch „der Erneuerung des Respekts zu kirchlichen Denkmälern und den deutsch-tschechischen Beziehungen.