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Eine Schranke zum Klingeln

Die Bahn baut immer mehr Anrufschranken ab. Nicht jedoch in Jacobsthal.

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Von Antje Steglich

Jacobsthal. So mancher Auto- oder Radfahrer steht schon mal länger am Bahnübergang Jacobsthaler Straße in Jacobsthal. Denn die Schranken sind dort eigentlich immer geschlossen. Es gibt auch kein Blinklicht, dafür allerdings einen gelben beziehungsweise orangefarbenen Kasten mit Hebeln und Knöpfen, Mikrofonen und Lautsprecher – und glücklicherweise auch einer Bedienungsanleitung für diesen etwas ungewöhnlichen Bahnübergang.

„Schranke wird auf Anruf geöffnet. Bitte Taste drücken“, steht da drauf. Wer den Anweisungen folgt, hört auch prompt eine Stimme, die entweder so etwas sagt wie „Schranke öffnet“ oder „Im Moment noch Zugverkehr.“ Die Stimme kommt vom Fahrdienstleiter, der im mehr als 500 Meter entfernten Bahnhofsgebäude nahe der ehemaligen Hasenschänke sitzt. Er öffnet die Schranke nur bei Bedarf. Und ist der Bahnübergang passiert, bittet er zudem um einen Zuruf, damit er die Schranke wieder schließen kann. Einsehen kann er den Bahnübergang von seinem Standort aus nämlich nicht.

Probleme oder Unfälle habe es dort aber noch nicht gegeben. „Der „Ortsfremde“ wundert sich eine Weile, kommt dann aber automatisch aus dem Auto und drückt das Knöpfchen“, weiß Zeithains Bürgermeister Ralf Hänsel (parteilos) aus seiner Erfahrung.

Der etwas ungewöhnliche Bahnübergang wird Anrufschranke genannt und ist auch eigentlich gar nicht so selten in Deutschland. Von den insgesamt knapp 17 000 Bahnübergängen werden noch etwa 530 mit Anrufschranken gesichert, heißt es in der Bahnstatistik. Im näheren Umfeld von Jacobsthal sind beispielsweise noch zwei weitere derartige Schranken in der Gemeinde Wülknitz in Betrieb, informiert die Pressestelle des Unternehmens. Eine befindet sich in der Nähe des Imprägnierwerkes. Weil sich solche Anrufschranken aber nur an wenig befahrenen Straßen oder Wegen befinden, sind sie weitgehend unbekannt.

80 Züge pro Tag

Deutschlandweit gibt es ab und an auch Unfälle an Anrufschranken, wie zuletzt Anfang September auf der Bahnstrecke Hildesheim-Hannover, als die Schranke trotz Zugverkehrs öffnete. Wie viele der jährlich etwa 140 Unfälle an Bahnübergängen an Anrufschranken passierten, ist jedoch nicht bekannt. Laut Bahn werden die Anrufschranken allerdings zweimal im Jahr inspiziert und arbeitet das Unternehmen grundsätzlich an einer Reduzierung der Bahnübergänge, um die Sicherheit zu erhöhen – Anrufschranken soll es langfristig wohl gar nicht mehr geben. In Jacobsthal allerdings stehen vorerst keine Änderungen an: „Kurz- und mittelfristig sind keine derartigen Baumaßnahmen geplant“, so die Pressestelle der Bahn.

Der kleine Ort Jacobsthal verfügt neben der Anrufschranke übrigens auch noch über einen zweiten beschrankten Bahnübergang Am Bahnhof, der durch den Fahrdienstleiter automatisch geöffnet oder geschlossen wird. In Abhängigkeit von Verkehrsaufkommen und Wochentag verkehren durch den Ort täglich etwa 40 Züge pro Richtung, die Gleise gehören zur Bahnstrecke Jüterbog – Röderau.