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Eine Minikamera für den Flutschutz

Beim Hochwasserschutztag erläutern Experten, wie man an Häusern Schwachstellen findet. Und sie zeigen einen neuen Pass.

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© Dirk Zschiedrich

Von Thomas Möckel

Bad Schandau. Behutsam lässt Thomas Naumann ein kleines Endoskop in das schmale Loch gleiten, dass er im Bad Schandauer Pfarrhaus von innen in die Außenwand gebohrt hat. Zur Flut 2002 stand hier das gesamte Erdgeschoss unter Wasser, die Marke ist deutlich über dem Fenster zu sehen. Naumann ist Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTW). Mit der kleinen Diagnostik will er erkunden, wie anfällig das Mauerwerk für eindringendes Wasser ist. Die Minikamera zeigt die Schichten aus Innenputz, Ziegeln, Hohlraum und Sandstein, im Fußboden Fußbodenestrich und die Dämmschicht aus Schaumglas. Naumann kommt zu dem Ergebnis: Das Pfarrhaus ist aufgrund der Bausubstanz nur gering anfällig für eindringendes Nass. Die größten Schwachstellen – Fenster und Türen – lassen sich mit wenig Aufwand verschließen, sodass das Haus ein Hochwasser gut überstehen kann.

Anne Walter von der Adler-Apotheke zeigt, wie Schutzwände vor Fenster und Türen montiert werden.
Anne Walter von der Adler-Apotheke zeigt, wie Schutzwände vor Fenster und Türen montiert werden. © Dirk Zschiedrich
Im Juni 2013 flutete die Elbe Bad Schandau, im Vordergrund die Toskana-Therme.
Im Juni 2013 flutete die Elbe Bad Schandau, im Vordergrund die Toskana-Therme. © Archivfoto/Daniel Förster

Das Experiment von Naumann und seinen Mitstreitern war Teil des ersten Hochwasserschutztages, den der Freistaat Sachsen am Sonnabend in Bad Schandau veranstaltete. In diesen Tagen jährt sich das Hochwasser von 2013 zum fünften Mal, und bei über 30 Grad im Schatten erinnert Sachsens Umweltminister Thomas Schmidt daran, das solche Fluten, aber auch lokale Extrem-Unwetter, jederzeit zurückkehren können.

Er betont, dass Sachsen seit 2002 rund 2,6 Milliarden Euro für den Flutschutz ausgegeben hat, sagt aber auch, dass in solch quasi unschützbaren Orten wie Bad Schandau auch private Vorsorge wichtig sei, um gegen Flut und Unwetter gewappnet zu sein. Damit die Menschen damit nicht allein gelassen werden, schaltet Schmidt ein Internetportal frei, in dem Interessierte erfahren können, worauf es bei der Eigenvorsorge ankommt. Und in Leipzig entsteht derzeit ein „Kompetenzzentrum Hochwassereigenvorsorge Sachsen“, bei dem sich Private beraten lassen können.

Viele Menschen sind allerdings nicht zum Hochwasserschutztag nach Bad Schandau gekommen, die Plätze vor der Bühne bleiben überwiegend leer, die Berater an den Infoständen oft unter sich.

Gefragter waren die Praxistipps von Professor Naumann. Mit seinen Experimenten im Pfarrhaus zeigt er, wie ein sogenannter Vorsorgepass für Gebäude entsteht. Der Pass beinhaltet drei Komponenten: Er soll aufzeigen, welche Gefährdungssituation der Hauseigentümer zu beachten hat, beispielsweise Hochwasser oder Starkregen. Zudem belegt er, wie schadensanfällig das Haus ist, also wie leicht Wasser eindringen kann. Und er zeigt auf, mit welcher Vorsorge diese Anfälligkeit gemindert werden kann. Naumann und seine Mitarbeiter haben das Bewertungssystem dafür entwickelt. Der Passinhaber, der damit seine eigene Vorsorge belegt, kann so möglicherweise wieder einen günstigen Versicherungsschutz gegen Hochwasser bekommen. Das Pass-Projekt ist gerade in der Testphase, das Kompetenzzentrum schult dafür spezielle Gutachter. Die Kosten für einen solchen Pass sollen im dreistelligen Bereich gedeckelt werden, genaue Summen gibt es noch nicht. Wer einen solchen Pass haben möchte, wendet sich am besten an das Leipziger Kompetenzzentrum.

Anne Walter, Inhaberin der Schandauer Apotheke, hat auch ohne Vorsorgepass und Kompetenzzentrum viel für den Eigenschutz getan. Vor Fenstern und Türen lassen sich rasch Schutzwände montieren, der Fußboden ist dank Schaumglas und Guss-Asphalt wasserdicht und schwemmt nicht auf, die Medikamente lagern im Obergeschoss. Denn trotz der Lage kommt ein Umzug für die Apothekerin nicht infrage. „Eine Apotheke“, sagt sie, „gehört doch ins Schandauer Zentrum.“

Infos zur Hochwasser-Eigenvorsorge