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Eine einzigartige Brückenkonstruktion

Das „Blaue Wunder“ ist die bekannteste Brücke der Stadt. Sie hat den Krieg überstanden und ist jetzt in die Jahre gekommen.

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© Sammlung Holger Naumann

Von Ralf Hübner

Noch immer rollen an manchen Tagen mehr als 29 000 Autos über die Loschwitzer Brücke. Doch das „Blaue Wunder“, wie sie liebevoll genannt wird, ist ein Sanierungsfall. Für rund 45 Millionen Euro werden bis 2030 beschädigte Stahlstreben getauscht und das Geländer erneuert. Die Brücke erhält einen neuen blau-grauen Anstrich wie einst. Dem Farbton verdankt sie den Namen. Den letzten Anstrich hatte sie zwischen 1988 und 1993 erhalten. Schließlich werden noch die Ankerkammern und Lager wieder instandgesetzt.

Vor 125 Jahren sind am 15. Juli 1893 die ersten Autos, Straßenbahnen und Menschen über die damalige König-Albert-Brücke gefahren oder gelaufen. Im Hotel Demnitz wurde ein Bankett gegeben. In den Jahrhunderten zuvor waren die Einwohner auf Fähren angewiesen. Doch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert schwillt vor allem der Ausflugsverkehr immer mehr an. Viele Menschen kommen mit der Pferdebahn. Dem ist die Dampffähre nicht mehr gewachsen, und so bittet der Loschwitzer Gemeindevorstand die Königliche Amtshauptmannschaft in Dresden 1872 um die Genehmigung für eine Brücke. Vergeblich. Mit einer von 19 Gemeinden unterstützten Petition macht der Gemeinderat 1883 weiter Druck. Schließlich wird 1885 ein Brückenbauverein gegründet, 1888 stimmen Landtag und Regierung zu. Und doch müssen sich die Bürger noch bis zum 28. April 1891 gedulden, ehe mit dem ersten Spatenstich der Bau beginnt.

Denn gegen den Bau des Blauen Wunders regt sich Widerstand. Ähnlich wie bei der Waldschlößchenbrücke gut 110 Jahre später gibt es Bedenken, das Bauwerk könne den Blick auf das Elbpanorama stören und den Wohnwert in den wohlhabenden Gemeinden an der Elbe mindern. Der Entwurf geht auf den Geheimen Finanzrat Claus Köpcke (1831–1911) zurück, der zuvor bei anderen Brückenbauwerken Erfahrungen sammeln konnte. Die von ihm kreierte Konstruktion einer versteiften Hängebrücke ist damals einzigartig. Sie soll Kosten sparen, die Brücke soll filigran wirken, sich tief ins Elbtal einfügen und die Schifffahrt nicht behindern. Sie hat eine Spannweite von 280 Metern. Die Stahlkonstruktion wird in der Königin-Marien-Hütte in Cainsdorf bei Zwickau gefertigt und wiegt 2 998 Tonnen. Die Kosten belaufen sich am Ende auf 2,25 Millionen Mark. Um das Geld aufzubringen, wird bis zur Eingemeindung 1921 Brückengeld kassiert.

Um die Brücke zu testen, wird sie wenige Tage vor der Eröffnung am 11. Juli 1893 unter anderem mit drei Straßendampfwalzen, drei gewöhnlichen steinernen Straßenwalzen, drei mit Steinen und Schiffsankern beladenen Straßenbahnloris, drei gefüllten Wassersprengwagen, einem voll besetzten Pferdebahnwagen sowie Kutschenwagen und 150 Einwohnern belastet. Die Durchbiegung in der Brückenmitte soll gerade neun Millimeter betragen haben.

1935 wird die Fahrbahn auf zehn Meter verbreitert, nachdem die Gehwege durch Anbauten nach außen verlegt worden sind. Kunstflieger Ernst Udet fliegt im gleichen Jahr beim Besuch des „Dresdner Flugtages“ unter der Brücke hindurch. Kurz vor Kriegsende verhindern gleich mehrfach Dresdner deren Zerstörung. Die bekanntesten von ihnen sind der Telegrafenarbeiter Paul Zickler und der Klempnermeister Erich Stöckel, die unabhängig voneinander die Sprengkabel durchtrennen.

Saniert wird die Brücke, Experten zufolge, noch einmal 30 Jahre halten. Mit Festgottesdienst und Bilderausstellungen wird an die Eröffnung vor 125 Jahren erinnert.