Merken

„Eine eigene Küche ist ein Geschenk“

Nicht jedem Senior schmeckt, was im Heim auf den Teller kommt. In Riesa gibt es aber auch vorbildliche Beispiele.

Teilen
Folgen
© Symbolfoto: Robert Michael

Von Stefan Lehmann

Riesa. Ob in der Schule oder am Arbeitsplatz, überall ist es die gleiche Diskussion: Das Essen spaltet die Gemüter jeden Alters. Kein Wunder: Wer sein Mittagessen nicht gerade selbst kocht, der muss sprichwörtlich essen, was auf den Tisch kommt. Wer glaubt, im hohen Alter werde sich dieses Problem erledigen, der irrt, wie der Fall eines Seniors aus Riesa zeigt, der sich telefonisch an die SZ gewendet hatte. „Die sparen bei uns wir verrückt“, ärgert sich der Riesaer über die Einrichtung, in der er seit einigen Jahren lebt. Immer gebe es dasselbe zu essen, sonderlich gut schmecke es ihm nicht.

Im Senioren Centrum am Lutherplatz wird regelmäßig in kleinen Gruppen gekocht oder, wie hier, gebacken.
Im Senioren Centrum am Lutherplatz wird regelmäßig in kleinen Gruppen gekocht oder, wie hier, gebacken. © Vitanas

Essen ist im wahrsten Sinne des Wortes Geschmackssache – was dem Anrufer nicht schmeckt, kann schon für seinen Zimmernachbarn die Lieblingsmahlzeit sein. Trotzdem wirft der Fall die Frage auf, wie es die Heime in Riesa eigentlich mit der Verpflegung ihrer Bewohner halten. Wie es auch funktionieren kann, zeigt beispielsweise das Vitanas Senioren Centrum am Lutherplatz. „Wir haben das Glück, dass wir pfiffige und begabte Ergotherapeuten bei uns haben, die mit den Bewohnern in Kleingruppen regional und saisonal kochen“, erklärt Zentrumsleiter Martin Dobianer. Mit etwa zehn Leuten werde dann in der hauseigenen Küche beispielsweise Spargel gekocht oder gebacken. So könne man besser auf einzelne Bewohner eingehen. Ein ähnliches Konzept gibt es in Riesa in der Villa am Gebsergäßchen, wo die Bewohner ebenfalls gemeinsam kochen können. Die Vorteile liegen für Martin Dobianer auf der Hand: Man könne besser auf jeden einzelnen Bewohner eingehen. „Und es kann sich am Ende niemand beschweren, dass er das Essen anders zubereitet hätte – er war ja dabei.“

Weil das Senioren Centrum deutlich mehr als zehn Bewohner hat, gibt es freilich über diese Kochaktionen hinaus noch einen ganz normalen Speiseplan mit zwei Essen, die zur Auswahl stehen. Aber auch dabei könnten regelmäßig Wünsche geäußert werden. Außerdem wird das Essen direkt in der Einrichtung gekocht. Dobianer hat das in seiner Zeit in der Branche auch schon ganz anders erlebt. „Wenn das Essen geliefert wird, fehlen die Ansprechpartner, die Sache ist viel anonymer.“ In seiner Einrichtung ist der Küchenchef dagegen immer greifbar. Auch im von der Diakonie betriebenen Seniorenhaus Albert Schweitzer wirbt man bewusst mit der eigenen Küche. Dort heißt es: „Die hauswirtschaftliche Versorgung orientiert sich an Ihren Wünschen und Bedürfnissen. Die Küche befindet sich im Haus und bietet frisch zubereitete Kost an.“

Gerade, wenn die Heime auf Cateringunternehmen angewiesen sind, ist es schwierig, auf die besonderen Wünsche von Bewohnern einzugehen. „Eine eigene Küche ist ein Geschenk“, sagt Ricarda Holtorf. „Aber es kann natürlich auch von einem externen Versorger gutes Essen kommen.“ Holtorf ist Mitarbeiterin bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). „Eine ausgewogene Verpflegung hat für ältere Menschen eine hohe Bedeutung für die Erhaltung der Gesundheit und Leistungsfähigkeit sowie zur Prävention einer Mangelernährung.“ Wegen des Bewegungsmangels komme es im Alter beispielsweise oft zu Verstopfungen – eine ballaststoffreiche Verpflegung könne da helfen. „Die Kriterien einer ausgewogenen und gesundheitsfördernden Verpflegung älterer Menschen sind in den DGE-Qualitätsstandards beschrieben.“

Rechtlich bindend sind diese Standards nicht, sie sind eher Hilfestellungen für die Küchenchefs und Betreiber. Vorgeschrieben sind laut Martin Dobianer etwa der Kaloriengehalt der Mahlzeiten sowie eine gewisse Abwechslung. Möglichst erst nach sechs Wochen sollen sich die Speisepläne wiederholen – das empfiehlt auch die DGE. Inwiefern das von jedem Heim umgesetzt wird, ist nicht einfach zu überprüfen, auch wenn die Heimaufsicht in ihren Kriterienkatalogen etwa auf abwechslungsreiche Speisepläne, Mitsprache der Bewohner und Frischkost achtet. DGE-Mitarbeiterin Ricarda Holtorf verweist auf eine Studie aus dem Jahr 2008. Damals sei etwa festgestellt worden, dass die Versorgung mit manchen Nährstoffen kritisch sei. „Es gab Anzeichen dafür, dass die Senioren zu wenig Gemüse und Obst gegessen haben.“ Das müsse allerdings nicht gleich auf das Angebot schließen lassen. Gut möglich, dass die Heimbewohner aus freien Stücken auf gesundheitsfördernde Speisen verzichteten.

Was aber tun, wenn einem der Speiseplan im Seniorenheim nicht passt, wie im Fall des Seniors aus Riesa? Die DGE selbst darf dazu keine Empfehlungen geben. Aber möglicherweise könnten die Qualitätsstandards der Gesellschaft zumindest mit der Heimleitung diskutiert werden.

www.fitimalter-dge.de