Merken

Ein Stück Pirna in VW, BMW und Mercedes

Zielstrebig wird die Pirnaer Kunststofftechnik Sachsen vom indischen Minda-Konzern geführt. Nur das Ergebnis zählt.

Teilen
Folgen
© Daniel Schäfer

Von Franz Werfel

Pirna. Sie stellen Handschuhfächer her, Getränkehalter, Fensterrahmen, Halter für Zigarettenanzünder oder Sitzverschalungen. Alles aus Plastik und alles für die großen Autobauer der Republik: Volkswagen, BMW, Mercedes, Porsche, Audi. Die Minda KTSN Plastic Solutions, direkt an der B 172 im Pirnaer Gewerbegebiet gelegen, hat sich auf Teile im Autoinnenraum spezialisiert, die sich bewegen, wenn Autofahrer sie anfassen und täglich nutzen. Es ist das Spezialgebiet der Kinematik.

Hunderte fertige Fensterrahmen aus Plastik für den Autoinnenraum sind in diesen Regalen aufgereiht. Täglich rollen bei Minda viele Lkws der Autobauer mit Bauteilen vom Hof.
Hunderte fertige Fensterrahmen aus Plastik für den Autoinnenraum sind in diesen Regalen aufgereiht. Täglich rollen bei Minda viele Lkws der Autobauer mit Bauteilen vom Hof. © Daniel Schäfer
Investieren in die Zukunft: Kuka-Roboter helfen, Plastikteile mit toxischem Kleber zu versehen. Diese Teile werden dann im Leipziger BMW-Werk zügig in Elektroautos verbaut.
Investieren in die Zukunft: Kuka-Roboter helfen, Plastikteile mit toxischem Kleber zu versehen. Diese Teile werden dann im Leipziger BMW-Werk zügig in Elektroautos verbaut. © Daniel Schäfer

Weil die meisten Plastikteile, die hier gespritzt und zusammengebaut werden, für den Endkunden im Auto sichtbar sind, achten die Mitarbeiter auf höchste Qualität. „Das ist unser Versprechen: Dass alles klasse aussieht und perfekt passt“, sagt Haroun Malik. Der 60-jährige gebürtige Bremer ist seit 2013 Vertriebsleiter bei KTSN in Pirna. Davor hat er bei mehreren Zulieferern in anderen Bereichen gearbeitet.

Die Kunststofftechnik Sachsen (KTSN) in Pirna ging aus dem VEB Presswerk Ottendorf-Okrilla hervor. 2007 kaufte die indische Minda-Gruppe die KTSN. „Die Inder wollten sich ein Standbein in Europa aufbauen“, sagt Haroun Malik. „Wenn man nicht vor Ort ist und hier direkt für die deutsche Automobilindustrie produziert, bekommt man keinen Fuß auf diesen Markt.“ Bei den leistungswilligen Sachsen, so Malik, wurde der Konzern fündig.

Der Minda-Konzern

Vor genau 60 Jahren gründete Ashok Minda in Indien den gleichnamigen Konzern. Seither ist Minda einer der größten Erstausrüsterbetriebe für Automobilfirmen weltweit.

2007 kaufte Minda die Pirnaer Kunststofftechnik Sachsen (KTSN). Dieser Betrieb ging 2004 aus dem früheren VEB Presswerk Ottendorf-Okrilla hervor. Der VEB war seit 1949 mit bis zu 2700 Beschäftigten der größte plastikverarbeitende Betrieb der DDR.

Heute arbeiten 320 Menschen am Standort Pirna, davon 250 in der Produktion. Pirna ist die Zentrale des Kunststoffgeschäftes mit Standorten in Polen, Tschechien und Mexiko.

Minda hat weltweit 16000 Mitarbeiter und generierte 2017 einen Umsatz von etwa 600 Millionen Euro.

Quelle: Minda

1 / 4

Sein Plan ist aufgegangen. Zwar habe die Wirtschaftskrise von 2008 bis 2010 die KTSN heftig erwischt. Die Autokonzerne, allen voran Hauptabnehmer VW, hielten an der Firma fest und halfen auch kurzzeitig mit Geld. Seither steht der Betrieb besser da denn je. Schon 2010 wurde von Pirna aus ein Standort im polnischen Bydgoszcz eröffnet. Hier werden heute alle Maschinen und Werkzeuge gefertigt. In Pirna wird nur noch repariert. Fünf Jahre später kam eine Fabrik im tschechischen Usti dazu. 2016 schließlich wurde der mexikanische Standort eröffnet. „Mexiko ist für uns wichtig, um vor allem VW direkt in Südamerika beliefern zu können“, sagt Haroun Malik.

Und so ist Minda auf den wichtigsten Märkten der Welt mit seinen Produkten vertreten. Autos, so Malik, seien ein Versprechen an den Menschen. Es gehe um Freiheit und Unabhängigkeit. „Die Automobilbranche ist die deutsche Industrie schlechthin“, sagt er, vor allem mit Blick auf die vielen Tausend Zulieferbetriebe. Menschen auf der ganzen Welt würden sich nach wie vor für diese Technologie interessieren. Und es werden immer mehr, wie Herstellungs- und Zulassungszahlen zeigen. „In Deutschland werden pro Jahr etwa sechs Millionen Autos gebaut“, so Malik. „In Mexiko sind es vier Millionen, in den USA zwölf, in China und Indien jeweils zwischen 27 und 28 Millionen.“

Es ist jene zielstrebige indische Unternehmenskultur die Malik, Sohn einer Deutschen und eines Pakistaners, fasziniert. Denn dass ein großer indischer Konzern einen Standort in dieser Region hat, ist etwas Besonderes. CEO vor Ort ist mit Vinayak Hegde ein Inder. „Minda führt den Betrieb enorm effizient, dynamisch, flexibel und ergebnisorientiert“, sagt Malik. An der Elbe wurden 2017 etwa 40 Millionen Euro umgesetzt, in der gesamten Kunststoffsparte waren es 74 Millionen Euro.

Um in Pirna weiter effizient produzieren zu können, wird so viel wie möglich automatisiert. Manuelle Arbeitsschritte, die viel menschliche Arbeitskraft verlangten, würden tendenziell eher nach Osteuropa verlagert. „Unser Markt ist hart umkämpft, wir hängen immer am Tropf der Autoindustrie.“ Da freut es um so mehr, wenn mit den Handschuhfächern für den VW Tiguan oder einem speziellen Beschichtungsverfahren mit Klebstoff für das neue E-Auto von BMW richtig gute Verträge zustande kommen. Haroun Malik sieht Minda KTSN eher als Gewinner der zunehmenden E-Auto-Produktion. E-Autos müssen leicht sein, sodass in ihnen mehr Plastikteile verbaut werden.

Dennoch sollten auch andere Antriebsformen wie Erdgas oder die Brennstoffzelle im Blick bleiben. „E-Autos brauchen Batterien, die mit seltenen Erden wie Kobalt und Lithium gebaut werden.“ Chinesische Firmen würden sich derzeit die weltweiten Vorkommen sichern. Bei allen Herausforderungen strebt Minda KTSN in Pirna, Polen, Tschechien und Mexiko im Jahr 2019 einen Umsatz von 100 Millionen Euro an. Seit drei Jahren wächst das Geschäft jährlich um etwa 20 Prozent.