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Ein starkes Team

Sechs Jahre leitete Wolfgang Rothe die Semperoper interimsmäßig. Mit Christian Thielemann führte er sie an die Spitze.

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© Ronald Bonß

Von Bernd Klempnow

Die Abschlussbilanz ist glänzend. Die Semperoper hat in der nun endenden Spielzeit 2017/18 mehr als 300 Vorstellungen gegeben, pro Abend durchschnittlich 70 000 Euro eingenommen und die Auslastung um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr auf 93 Prozent gesteigert. Die Besucherzahlen stiegen um fast drei Prozent auf mehr als 290 000 Zuschauer. „So schaffen wir unser Einnahmesoll von 17 Millionen Euro“, sagte am Mittwoch der Noch-Intendant der Semperoper Wolfgang Rothe, „und erwirtschaften knapp 40 Prozent des Budgets selbst. Das freut mich besonders, weil wir ja auch ambitioniertes, modernes Musiktheater geboten haben, dessen Verkauf mitunter niederschmetternd ist.“ Doch als führendes Haus im Land könne man nicht nur „Die Zauberflöte“ bieten. „Wir haben ja auch einen künstlerischen Auftrag.“

Sechs Jahre hat der heute 57-Jährige die Sächsische Staatsoper als Interims-Intendant geleitet. Dabei ist er eigentlich der Kassenwart. Seit 2005 ist er der Kaufmännische Geschäftsführer der Oper und seit 2013 der beiden Staatstheater, Semperoper und Staatsschauspiel. Doch 2012 verstarb überraschend die damalige Intendantin Ulrike Hessler. „Ich bekam damals den Anruf aus dem Ministerium, den Laden zusammenzuhalten.“ Und das tat er mit einem guten Leitungsteam von „Fachleuten aus allen Bereichen, die ohne großes Ego“ sind. Ursprünglich sollte er den Job nur bis zur Findung eines neuen Intendanten ausführen. Doch der Kandidat, der Belgier Serge Dorny, überwarf sich in der Vorbereitungszeit mit dem Haus und dem Kunstministerium, weshalb ihm noch vor Amtsantritt gekündigt wurde. Rothe behielt das Doppelamt, „das mich zuweilen an Belastungsgrenzen brachte“. Erst in der kommenden Spielzeit übernimmt der Nürnberger Peter Theiler die Dresdner Intendanz.

„Wolfgang Rothe hat nach dem plötzlichen Tod von Ulrike Hessler das Ruder übernommen und die Staatsoper in ein ruhiges Fahrwasser geleitet. Die Semperoper hat nichts von ihrer Strahlkraft eingebüßt“, sagt Sachsens Kunstministerin Eva-Maria Stange. Mehr noch. Obwohl Rothe neben den finanziellen Aufgaben zwei Spielzeiten teilweise und drei Spielzeiten komplett künstlerisch zu planen hatte, gehören viele der insgesamt 73 Neuproduktionen wie Humperdincks „Königskinder“, Mascagnis „Cavalleria rusticana“ und Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ zu den besten seit der Wende. Er schärfte das Profil mit modernen Stücken wie Weinbergs „Die Passagierin“ und Korngolds „Die tote Stadt“. Er erreichte mit Erstaufführungen wie „The Great Gatsby“ erstaunlich viele Erstbesucher. Und er schaffte es, für den begnadeten, als nicht unkompliziert geltenden Chefdirigenten der Staatskapelle, Christian Thielemann, ein Umfeld zu schaffen, in dem der seine Trümpfe ausspielen konnte und seinen Vertrag sogar verlängerte. Wie gelang ihm das? „Zu meinen Stärken gehören Kommunikationsfreudigkeit und soziale Kompetenz.“ Die Zusammenarbeit mit so einer Persönlichkeit sei Herausforderung und Gewinn. „Wir haben uns gut zusammengerauft, auch wenn es mal laut wurde.“ Immerhin verdankt Dresden diesem Zusammenraufen Sternstunden etwa in der Wagner-Interpretation, ob nun wie jüngst mit dem „Ring“ oder vor zwei Jahren bei „Lohengrin“ mit Anna Netrebko. Die Semperoper stand international im Fokus. Thielemann, der Diener der Musik, Rothe ein guter Ermöglicher.

Nur eines gelang nicht so recht. „Ich wollte Uraufführungen bieten, merkte aber, dass man sich als Haus in eine totale Abhängigkeit von den Komponisten begibt. Diese bevorzugen mythologische Stoffe statt Gegenwartsgeschichten. Das fand ich schade, denn die Antike ist doch schon reichlich oft vertont.“

„Für diese großartige Leistung der sechs Jahre gebührt ihm nicht nur Dank, sondern auch größter Respekt“, sagt die Ministerin. Ausdrücklich würdigte sie Rothes Eintreten für eine offene und menschliche Stadt. „Mit seinem international zusammengesetzten Ensemble hat er mit einer Kunstaktion über den Bildschirm den Parolen von Pegida eine deutliche Antwort entgegengesetzt: dass Kunst, Kultur und eine demokratische Gesellschaft Werte wie die Achtung der Menschenwürde, Toleranz und Meinungsvielfalt wie die Luft zum Atmen brauchen.“

Und nun, was bringt die Zukunft? Hat er Angebote, woanders Häuser zu übernehmen? Kann er sich denn mit seinen Erfahrungen und seiner Bilanz einem Nachfolge-Intendanten unterordnen? „Erstens bin ich als Kaufmännischer Geschäftsführer auf Augenhöhe mit den Intendanten von Staatsoper und Staatsschauspiel. Zweitens bin ich mit meinem originären Job nicht unzufrieden. Und drittens: Käme ein attraktives künstlerisches Angebot, würde ich intensiv darüber nachdenken.“

Doch vorerst hat er reichlich in Dresden zu tun. Die überfällige Sanierung des Funktionsgebäudes hinter der Oper steht an. Ein Logistikzentrum für die Bühnenbilder sowie ein Probebühnenzentrum sollen entstehen. „Dringend müssen wir für mehr Barrierefreiheit in der Semperoper sorgen. Ein zweiter Aufzug muss her. Und, dass das gastronomische Angebot nach der Sanierung des Parketts wegfällt, wie geplant, das halte ich für den falschen Weg.“ Klarer Fall: Herr Rothe, bleiben Sie am Ball!