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Ein Riesenrohr fürs Gewerbegebiet Nord

Die SEP erschließt das Areal in Pirna, erste Ansiedlungen sind schon geplant. Doch zunächst tut sich etwas im Untergrund.

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© Daniel Schäfer

Von Thomas Möckel

Pirna. Behutsam senkt der Kranfahrer den Ausleger, an zwei Haken und Ketten hängt ein Rohr, 2,80 Meter lang, drei Meter Durchmesser, 22 Tonnen schwer. Millimetergenau lässt der Experte die Last an seinen Bestimmungsort schweben, eine Rinne, mehrere Meter tief in den Boden gegraben. Unten warten schon die Bauleute, sie wollen den Betonkoloss an die schon verlegte Röhre andocken. Mit Spezialzement schmieren sie die Dichtung ein, damit alles aneinanderhaftet. Sie dirigieren den Kranfahrer, bis alles passt, mit einem Kettenzug ziehen sie die Rohre fest zusammen. Von oben betrachtet sieht es beinahe aus wie der Rohbau des Leipziger Citytunnels. Es ist aber eine Baustelle in Pirna-Copitz.

Die Stadtentwicklungsgesellschaft Pirna (SEP) lässt seit diesem Jahr das seit Langem brachliegende Gewerbegebiet Copitz-Nord an der Ecke Lohmener/Wehlener Straße erschließen. Zunächst wühlen sich die Baufirmen durch den Untergrund, erste Fortschritte sind schon sichtbar. Bis Oktober, sagt SEP-Chef Christian Flörke, sollen diese Arbeiten abgeschlossen sein, dann können sich die ersten Firmen ansiedeln.

Versuche dieser Art gab es zuvor schon einige. Früher gehörte das Areal der Treuhandliegenschaftsgesellschaft (TLG). Laut der SEP führte der Alteigentümer immer mal wieder Gespräche mit potenziellen Interessenten, konkrete Verträge gab es allerdings keine. Die TLG investierte auch kein Geld, um baureife Flächen zu schaffen. Doch immerhin erledigte die TLG eine wichtige Vorarbeit: Sie ließ die Fragmente des schon zu DDR-Zeiten begonnenen Neubaus für ein Backwarenkombinat – das nie fertig wurde – abreißen. So war das Gelände zumindest frei von baulichen Altlasten.

Aber auch die SEP, seit 2012 Eigentümer, tat sich zunächst schwer mit dem Areal. Der Baugrund galt als schwierig, zudem mangelte es an Interessenten. Erst als die konkreten Nachfragen wieder stiegen, entschied sich die SEP, dass Gelände für Ansiedler bereitzumachen. Der Eigentümer speckte die früheren Pläne etwas ab, so gibt es jetzt nur noch eine Erschließungsstraße einschließlich einer Wendeschleife, die von der Wehlener Straße ins Areal führt. Darüber hinaus verbindet einmal ein Fuß- und Wirtschaftsweg die Lohmener Straße mit dem Gewerbegebiet. Mehr Straßen braucht es nicht, die Grundstücke direkt an der Lohmener und Wehlener Straße lassen sich über eigene Zufahrten von den jeweiligen Trassen aus erschließen.

Rund acht Hektar groß ist das gesamte Areal, die Gewerbefläche umfasst 6,5 Hektar. Ein 8 600 Quadratmeter großes Grundstück hat die SEP bereits an den „Zweckverband Abfallwirtschaft Oberes Elbtal“ (ZAOE) verkauft. Er will auf diesem Gelände einen Wertstoffhof sowie ein Behälterlager errichten. Die übrigen Grundstücke bietet die SEP ab einer Größe von 2 000 Quadratmetern an, möglich sind Flächen bis 30 000 Quadratmetern, der Preis liegt zwischen 40 und 50 Euro je Quadratmeter. Mit drei weiteren Firmen, sagt Flörke, verhandle die SEP derzeit konkret, Namen gibt es allerdings noch keine.

Um die Grundstücke attraktiv zu machen, wird ordentlich geklotzt: Sämtliche verlegte Kanäle haben einmal eine Länge von fast einem Kilometer, die Asphaltfläche für Straßen und Gehwege umfasst 1720, die fürs Pflaster 400 Quadratmeter, alle Bordsteine aneinandergereiht ergeben 1,1 Kilometer, insgesamt 1,5 Kilometer lang ist der Tiefbau für Wasser-, Gas, Elektro- und Telekommunikationsleitungen. Im Gewerbegebiet soll laut Flörke Internet mit einer Geschwindigkeit von bis zu 100 Mbit/Sekunde anliegen. Rund 1,2 Millionen kostet die Erschließung, der größte Kostentreiber liegt im Untergrund.

Die Bodenverhältnisse, sagt Bauingenieur Uwe Schädlich von der SEP, seien schwierig. Nur knapp unter der Oberfläche gibt es jede Menge Schichtenwasser, was dort zusammenläuft. Selbst bei über 30 Grad am Freitag und einem staubtrockenen Boden sprudelt das Wasser in einem nur reichlich anderthalb Meter tiefen Graben aus einer solchen Schicht wie aus einer frischen Quelle. Das Problem: weiter unten finden sich größtenteils nur wasserundurchlässige Schichten. Die Folge: das Wasser versickert nicht, sondern drückt den Grundwasserspiegel nach oben und verwandelt die Böden auf den Grundstücken in Matsch. Ein spezielles Dränage-System soll dieses Wasser künftig bändigen.

Dazu kommt noch das Regenwasser, was sich auf dem Areal sammelt und über einen Kanal in Richtung Lugstraße geleitet werden soll. Das Problem hier: Die Einleitmenge in den Kanal auf der Lugstraße ist aufgrund dessen Größe begrenzt. 440 Liter je Sekunde darf das Gewerbegebiet abgeben, über einen regulären Kanal würden aber 1 200 Liter je Sekunde in Richtung Lugstraße fließen. Die Lösung: der riesige Stauraumkanal, 76 Meter lang, drei Meter im Durchmesser, der bei starkem Regen 450 Kubikmeter Wasser fasst – und es dann gedrosselt in Richtung Lugstraße abgeben kann. Für zehn Tage haben die Bauleute extra einen Kran geholt, der 200 Tonnen heben kann – um den Kanal aus den schweren Betonelementen zu vollenden.