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Ein Paradies für Borkenkäfer

Stürme und Trockenheit begünstigen die schnelle Ausbreitung des Schädlings. Die Wälder sind in größter Gefahr.

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© André Braun

Von Verena Toth

Döbeln. Sorgenvoll blickt Revierförster Dirk Tenzler auf die etwa 80 Jahre alten Fichten, die an einer Lichtung stehen. Die unteren Äste sind fast bis zur Krone welk und wirken abgestorben. Nur an den Spitzen ist noch etwas Grün zu erkennen. „Ob die am Ende des Jahres noch stehen werden, ist fraglich“, sagt er. Den Bäumen, die den Stürmen im Frühjahr noch standhalten konnten, droht nun eine weitere vernichtende Gefahr: „Der Borkenkäfer hat hier schon früher für große Lücken gesorgt und es ist zu befürchten, dass es in diesem Jahr ganz massiv weitergeht, denn die Bäume sind derzeit wegen der extremen Wetterlage zusätzlich angegriffen“, sagt er.

Der Waldbesitzer Kai Schumann hat insgesamt rund 800 Festmeter Holz als Sturmschaden zu beklagen. Das Holz musste so schnell wie möglich raus aus dem Wald, denn nun sorgt der Borkenkäfer für die nächsten Einbußen bei der Holzvermarktung.
Der Waldbesitzer Kai Schumann hat insgesamt rund 800 Festmeter Holz als Sturmschaden zu beklagen. Das Holz musste so schnell wie möglich raus aus dem Wald, denn nun sorgt der Borkenkäfer für die nächsten Einbußen bei der Holzvermarktung. © André Braun

Heftige Stürme, massive Trockenheit und nun der Borkenkäfer, die Wälder in der Region sind derzeit extremen Stressfaktoren ausgesetzt, deren Auswirkungen noch gar nicht absehbar sind. „So richtig deutlich sehen werden wir die Folgen dieses Katastrophenjahres erst im Winter Anfang nächsten Jahres. Dann wird sich nämlich zeigen, wie stark der Borkenkäfer sein Unwesen treiben konnte“, macht Dirk Tenzler deutlich. Der Döbelner Revierförster betreut, begleitet und berät etwa 1700 private Waldbesitzer und 22 Kommunen mit Körperschaftswald.

Der Borkenkäfer liebt das trockene, heiße Wetter. Der Schädling erlebt derzeit paradiesische Zustände. Es gibt Bruchholz in rauen Mengen, in dem er sich beinahe ungestört vermehren kann. Sind erst einmal alle liegengebliebenen Stämme von den Käfern und Larven befallen, suchen sich die nächsten Generationen gesunde und noch lebende Bäume als Nahrungsquelle und besiegeln damit deren Ende.

Das kleine Insekt bohrt sich in die Rinde, legt dort seine Eier ab, die sich zu weißen Larven entwickeln. „Der Schädling frisst sich dann durch die sogenannte Saftschicht, die wasserführende Schicht. Damit zerstört er die Wasserversorgung des Baumes und somit die Lebensgrundlage“, erläutert der Fachmann. Ist eine Generation einmal herangewachsen und hat sich zu Käfern entwickelt, fliegen sie aus und suchen sich den nächsten Stamm, um sich dort weiter zu vermehren und somit den Kreislauf wieder von vorn zu beginnen. Deshalb mahnt der Revierförster alle Waldbesitzer zur Eile. „Schnellstmöglich muss das Bruchholz aus den Wäldern herausgeholt und zumindest so bearbeitet werden, dass der größte Feind der Bäume keine Chance hat, sich noch weiter auszubreiten. Ein Waldbesitzer, der sich nicht darum kümmert, schadet zunächst einmal sich selbst. Aber schlimmer wird es, wenn durch seine Nachlässsigkeit auch angrenzende Waldgebiete anderer Besitzer gefährdet werden“, mahnt der Revierförster.

Einer, der sich diese Worte zu Herzen genommen und seinen etwa 11,5 Hektar großen Wald bereits fast vollständig von Bruchholz beräumt hat, ist Kai Schumann. „Den Stürmen sind in meinem Waldgebiet in Haßlau etwa 800 Festmeter Holz zum Opfer gefallen. Normalerweise ernte und vermarkte ich nur alle paar Jahre 100 Festmeter“, rechnet er vor und macht damit deutlich, welche massiven Einschnitte allein die Sturmfolgen verursachen.

Nicht nur, dass der Landwirt und Waldbesitzer nun Unmengen von Holz schnell aus seinem Wald herausholen und für den Verkauf aufbereiten musste. „Hinzu kommt noch, dass der Holzpreis seit den Unwettern massiv gesunken ist. Wir müssen mit einem Verlust von etwa 30 Prozent rechnen. Und auch das vom Borkenkäfer angegriffene Holz kann nur wertmindernd verkauft werden“, so Schumann. Er spricht dabei stellvertretend für 19 Privatwaldbesitzer, die sich in einer Forstbetriebsgemeinschaft zusammengetan haben.

Doch nicht nur in diesem Jahr machen sich die wirtschaftlichen Folgen bemerkbar. „Die Kosten, die nun noch nachfolgen, sind ebenfalls nicht unerheblich. Es muss wieder aufgeforstet, Schutzzäune errichtet und die Schonungen gepflegt werden“, zählt Dirk Tenzler auf. Bis ein Waldstück wieder einen wirtschaftlichen Ertrag einbringen kann, vergehen mindestens 70 Jahre. Denn diese Zeit benötigen die Bäume allein zum Wachsen. Geerntet werden beispielsweise Fichten eigentlich erst, wenn sie etwa 120 Jahre alt sind.