Bettina Klemm
Bis zuletzt hat Wolfgang Hänsch gehofft, dass der Saal im Kulturpalast erhalten bleiben kann. Dafür hat der Architekt Entwürfe erarbeitet, um die Akustik zu verbessern. Und er hat in mehreren Instanzen vor Gericht für die Anerkennung seines Urheberrechts gestritten. Es sei wie ein kleiner stiller Infarkt, wenn die eigenen Bauten abgerissen oder völlig verändert werden, hatte Wolfgang Hänsch einmal gesagt.
Dabei ging es ihm nicht nur um sein Werk, sondern um einen respektvollen Umgang mit der Nachkriegsmoderne in der Stadt überhaupt.
Am späten Montagabend ist Wolfgang Hänsch unerwartet gestorben. Im Januar wäre er 85 Jahre alt geworden. Nur Stunden vor seinem Tod hat er noch mit seinem Architektenkollegen Werner Bauer über die Entwicklung des Neumarkts gesprochen. „Am liebsten hätte er hinter dem Kulturpalast einen Kammermusiksaal gebaut. Er hielt es nicht für vorteilhaft, dass nun barocke Bauten bis unmittelbar an den Kulturpalast herangebaut werden“, sagt Bauer. Er hat gemeinsam mit Wolfgang Hänsch an Plänen für den Kulturpalast und den Altmarkt gearbeitet.
Wolfgang Hänsch habe wie kaum ein anderer Architekt das Dresdner Stadtbild geprägt“, sagt Rolf Klinkenbusch. Der Vorsitzende der Dresdner Gruppe der Architektenkammer schätzt die hohe Qualität seiner Arbeiten. „Das betrifft profane und repräsentative Bauten gleichermaßen. Das ist auf seinem langen Schaffensweg ein Alleinstellungsmerkmal.“
Viele verbinden mit dem Namen Hänsch zuerst den Bau des Kulturpalastes. 1969 wurde das Haus mit seinem vielseitig nutzbaren Saal eröffnet. Es ist ein Saal von hoher Qualität, bescheinigten selbst die Richter des Oberlandesgerichts. Dennoch gaben sie der Stadt und deren Umbauplänen recht. Nun wird zwar der Kulturpalast denkmalgerecht saniert, aber in seinem Inneren baut die Stadt einen modernen Konzertsaal für die Dresdner Philharmonie ein. Das konnte Hänsch nie akzeptieren. Er wurde 1929 in Königsbrück geboren, studierte in Dresden Bauwesen und arbeitete von 1951 bis 1973 in einem Planungsbüro in der Stadt. In jener Zeit hat er Wohnhäuser wie an der Blochmannstraße entwickelt. Zu seinen Erfolgen gehört die Borsbergstraße. Beim Bau jener Geschäftsstraße nutzte er erstmals Platten, die so groß wie ein ganzes Geschoss waren. Auch das Hochhaus der Sächsischen Zeitung mit einer Druckerei war sein Werk.
Sein Herzensprojekt wurde der Wiederaufbau der Semperoper. Als Chefarchitekt leitete er ihn von 1974 bis 1985. Nach der Wende wagte er 62-jährig den Sprung in die Selbstständigkeit. Sein Wissen und Können waren gefragt, beispielsweise bei der Rekonstruktion des Schauspielhauses und dem Umbau von Zuschauerraum und Foyer 1995.
Hänsch war ein Mann von stiller Größe. Zurückhaltend, nie laut, aber dennoch bestimmt, wenn es um die Bauqualität ging. Er bedauerte, dass in Dresden in den vergangenen Jahrzehnten viel Investorenarchitektur, wie er es nannte, entstanden ist. Die Stadt sei oft zu schwach gewesen, habe nur Trauf- und Simshöhe vorgegeben und alles andere den privaten Bauherren überlassen, kritisierte er.
Wolfgang Hänsch war lange herzkrank, rang um Atemnot. Vor 24 Jahren hatte er die ersten Bypässe erhalten. Nun ist er, wie seine Familie sagt, friedlich eingeschlafen. Auf eine feierliche Beerdigung soll er keinen Wert gelegt haben, lieber solle seine Asche auf hoher See verweht wird.
Auswahl von Hänsch-Werken
1956 Wohnbauten Blochmannstraße
1957 Wohn- und Geschäftsbauten an der Borsbergstraße
1959/60 Geschäftshaus an der Wilsdruffer Straße 3
1960 Einkaufszentrum Webergasse
1961 Haus der Presse und Druckerei-Neubau der Sächsischen Zeitung
1969 Kulturpalast
1985 Wiederaufbau der Semperoper
1993 Umbau und Rekonstruktion des Rathauses Pirna
1995 Sanierung des Schauspielhauses