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Ein Lied für das Leben

Er war Opernsolist auf großen Bühnen und spielte Obamas Doppelgänger. Jetzt kümmert sich Luis Lay um Senioren.

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Dresden. Die Haare, die Nase, das Kinn. Nein, also einen guten Donald Trump gibt er einfach nicht ab. Damit ist die Double-Karriere von Luis Lay beendet. Jahrelang reiste der 48-Jährige als Double von Trumps Vorgänger Barack Obama durch das Land, saß im Sat.1-Frühstücksfernsehen, trat in Hannover auf der Messe in Erscheinung und hatte Auftritte als „Swinging Obama“. Reden konnte der gebürtige Dresdner zwar nie wie der frühere US-Präsident, aber eine gewisse Ähnlichkeit ist nicht von der Hand zu weisen. Eine Künstleragentur war daher 2008 auf ihn aufmerksam geworden – und diesen Ball nahm er dankbar auf.

Adrett, charmant und stimmgewaltig: In der Operette „Wiener Blut“ spielte Luis Lay 2005 den Josef am Landestheater Coburg.
Adrett, charmant und stimmgewaltig: In der Operette „Wiener Blut“ spielte Luis Lay 2005 den Josef am Landestheater Coburg. © privat
Mit Auftritten als Doppelgänger von Barack Obama verdiente sich Luis Lay (M.) ein paar Euro dazu – und schaffte es sogar ins Fernsehen.
Mit Auftritten als Doppelgänger von Barack Obama verdiente sich Luis Lay (M.) ein paar Euro dazu – und schaffte es sogar ins Fernsehen.

Damals war Luis Lay ja noch ein Künstler. Ursprünglich wollte er Tänzer werden, blieb jedoch als junger Mann nur ein Jahr an der Palucca-Schule. Stattdessen wechselte er später an die Musikhochschule nach Leipzig. Während des Studiums wurde er ans Theater abgeworben, stieg zum gefeierten Solisten an der Staatsoperette auf und spielte in anderen Häusern im ganzen Land. Zu seinen Paraderollen auf der Opernbühne gehörten der Wenzel in „Die verkaufte Braut“ und die Knusperhexe in „Hänsel und Gretel.“ Im Musical gab er unter anderem den Alex in „Aspects of Love“ und Cosmo Brown in „Singin‘ in the Rain“.

Es war ein Leben voller Glitzer, Schminke und Applaus. Von Dresden ging es nach Krefeld, Coburg und Trier. Doch als er hier vor zwei Jahren zusammen mit einem ganzen Ensemble vor die Tür gesetzt wurde, kam er ins Grübeln. „Die Arbeit war toll, doch die Verträge waren schrecklich“, erinnert er sich. Jahr für Jahr musste er zittern. „Das war ein ständiger Schleudersitz.“ Dazu kam die Leistungsdichte in seiner Branche. „Ständig kamen massenhaft junge Solisten nach, mit denen ich nicht mehr mithalten konnte.“ Als Chorsänger wiederum waren seine Entertainerfähigkeiten kaum gefragt. Auch in der Verwaltung von Kultureinrichtungen fand er keinen Platz. „Ich wollte mich nicht irgendwann nur noch durch die Altersheime singen“, sagt er. „Deshalb musste ein klarer Schnitt her.“

Wenn Luis Lay heute abends in die Staatsoperette geht, dann führt ihn sein Weg nicht mehr auf die Bühne, sondern auf einen der Stühle davor. Neben ihm nimmt dann oft ein älterer Herr oder eine ältere Dame Platz, die sich an seiner Gesellschaft erfreuen. Luis Lay arbeitet jetzt als Seniorenbegleiter. Nur Kunst und Kultur, der er sich gemeinsam mit seinen Kunden widmet, sind ihm als Brücke zu seinem früheren Leben geblieben.

„Für dieses Bekenntnis habe ich eine Weile gebraucht“, sagt Luis Lay. Klar, am Anfang seien da Ängste gewesen. Was gibst du da auf? Was wird dir fehlen? Solltest du alles auf eine neue Karte setzen? „Heute trage ich weder Wehmut noch Frust in mir, sondern bin einfach nur glücklich über meine neue Herausforderung. Die Bühne ist abgehakt.“

Vor einem Jahr gründete Luis Lay sein Unternehmen „Lebensfreunde“. Als zertifizierter Seniorenbetreuer kümmert er sich seitdem um demenzkranke und behinderte Menschen, bietet ihnen ein paar Stunden Abwechslung im Pflegeheim-Alltag. Einige seiner Leistungen bezahlt die Kasse, andere werden privat abgerechnet. Die Wünsche sind vielfältig: Spazieren gehen, zum Arzt begleiten, einkaufen und Gedächtnistraining sind die Klassiker. „Mein Alleinstellungsmerkmal ist aber die Kultur“, sagt Lay.

Regelmäßig organisiert er Besuche in Ausstellungen und im Theater. „Genauso begleite ich Senioren aber auch mal in den Urlaub nach Usedom oder zu einer Schuleinführung bei Verwandten in Berlin.“ Nur Waschen und Pflegen gehört nicht zum Angebot. Wichtig sei ihm, dass er jedem Menschen auf Augenhöhe gegegnet. „Bei mir gibt es keine Kindersprache und auch kein ‚Nu Opa, wie geht’s?‘“. Man sollte auch hilfsbedürftigen Menschen nicht sofort jedes Taschentuch aufheben. „Was allein geht, wird allein gemacht.“

Für seine Arbeit sieht Luis Lay einen boomenden Zukunftsmarkt. „Der Bedarf wächst ständig“, sagt er. Jede Woche bekomme er neue Anfragen. Am Anfang sei er deshalb auch ein wenig blauäugig „drauflosgaloppiert“ und habe zu schnell zu viel gewollt. Inzwischen gönne er sich zwei freie Tage in der Woche, die er in seiner neuen alten Heimat Dresden-Plauen mit Freunden und Familie verbringe oder mit Hund Max im Bienertpark.

Dort bekommt er auch mal den Kopf frei, wenn es sein muss. „Früher habe ich mir gesagt: Was ist das für ein toller Beruf, den ganzen Arbeitstag von schöner Musik umgeben zu sein“, sinniert er. „Heute bin ich vom echten Leben umgeben und das ist wieder ein ganz neues Geschenk.“ Lange sei er selbst eine Ware gewesen, die er verkaufte, „aber jetzt bin ich kein Schauspieler mehr. Auch die tollste Aufführung ist am Ende nur ein Spiel. Das hier bin jetzt ich selbst.“

So ganz losgekommen von der Musik ist Luis Lay trotzdem noch nicht. Manchmal erwischt er sich dabei, wie er ganz nebenbei probiert, ob seine Stimme auch sitzt. Und im Extrachor der Sächsischen Staatsoper wurde er auch schon gesichtet.