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Langer Prozess gegen die FKD

54 Sitzungstage und neue Termine bis ins Frühjahr 2019. Wann ein Urteil gegen die Nazi-Kameradschaft fällt, ist offen.

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© Benno Löffler

Von Alexander Schneider

Sie radikalisierten sich bei Pegida und schlossen sich spätestens im Juli 2015 zusammen, um „etwas mehr“ gegen Ausländer und Andersdenkende zu unternehmen. Auch mit Gewalt. Nicht weniger wirft die Generalstaatsanwaltschaft sechs Angeklagten vor, die sich nun bereits seit einem Jahr am Landgericht Dresden verantworten müssen. Bekannt geworden ist die rechtsextreme Gruppe unter dem Namen „Freie Kameradschaft Dresden“ (FKD), die auch gemeinsam mit der „Gruppe Freital“, den bereits im März verurteilten Rechtsterroristen, zugeschlagen haben soll.

Am 13. September 2017 hat der Prozess vor der Staatsschutzkammer begonnen. Es ist die zweite Hauptverhandlung gegen FKD-Angehörige. Nur Tage zuvor wurden zwei weitere Mitglieder zu je drei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt. Sie hatten mit dem Gericht eine Verfahrensabsprache getroffen und die Vorwürfe weitgehend gestanden.

Danach sieht es in dem aktuellen Prozess nicht aus. Den fünf Männern im Alter von 23 bis 30 und einer 28-jährigen Frau werden unter anderem Mitgliedschaft beziehungsweise Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung, gefährliche Körperverletzung und Herbeiführen von Sprengstoffexplosionen vorgeworfen. Sie sollen in wechselnden Tatbeteiligungen etwa an den nächtlichen Ausschreitungen vor einer Asylbewerberunterkunft in Heidenau im August 2015 mitgewirkt haben sowie an Angriffen auf Asylunterkünfte und auf ein linkes Wohnprojekt in Übigau.

Angeklagte schweigen

Mit dem Wissen von heute, gerade angesichts der erst Anfang Oktober inhaftierten mutmaßlichen Terrorgruppe „Revolution Chemnitz“, können FKD-Mitglieder und deren Unterstützer wohl von Glück sagen, dass gegen sie nicht auch wegen eines vermeintlichen Terrorismusverdachts ermittelt wird und das Verfahren bei der Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe geführt wird. 54 Verhandlungstage hat die Staatsschutzkammer am Landgericht Dresden bereits gegen die sechs Angeklagten verhandelt, doch ein Ende ist nicht in Sicht. Inzwischen hat die Kammer mit zwölf Verteidigern Dutzende weitere Termine bis März 2019 vereinbart. Um das Verfahren abzusichern, wurden den Angeklagten nicht nur zwei Pflichtverteidiger beigeordnet. Vorsorglich nehmen auch ein Ergänzungsrichter und eine Ergänzungsschöffin teil. Sollte ein Richter oder ein Schöffe ausfallen, bedeutet das noch nicht das Aus dieses Mammutprozesses.

Doch es ist ein mühsames Geschäft. Nur zwei Angeklagte, der 23-Jährige und die 28-Jährige, haben sich überhaupt zu den Vorwürfen geäußert. Sie haben ihre Rolle in der Kameradschaft dabei jedoch im Vergleich zur Anklage recht beschönigend dargestellt. Immerhin machten sie Angaben zu weiteren Beschuldigten, gegen die parallel zu den laufenden Verfahren noch immer ermittelt wird.

Die übrigen Angeklagten nutzen ihr Schweigerecht ausgiebig. Das Gericht ist daher gezwungen, sich sehr ausführlich mit den einzelnen Tatkomplexen zu befassen: Von der FKD-Gründung im Juli 2015 in einer Grunaer Kneipe, über die Ausschreitungen in Heidenau im August 2015 bis hin zu den Krawallen in Leipzig-Connewitz am 11. Januar 2016, an denen mindesten einer der Angeklagten mitgewirkt haben soll. Oft werden Vernehmungsbeamte als Zeugen befragt, gegenüber denen die Angeklagten, weitere Mittäter oder etwa auch die Rechtsterroristen der Gruppe Freital teilweise sehr ausführlich ausgesagt haben.

Belastende Videos

Stundenlang wurden Video-Bilder gezeigt – meist Aufnahmen der Polizei aus den beiden Krawallnächten in Heidenau und einer vorangegangenen NPD-Demo in dem Städtchen, sowie Filme aus dem Internet. Den Staatsschutzermittlern des Landeskriminalamtes ist es gelungen, Dutzende Täter zu identifizieren, darunter auch einige der Angeklagten. Natürlich werden auch Geschädigte, Bekannte der Angeklagten, mutmaßliche Komplizen und verurteilte Täter als Zeugen vernommen, die sich alle an Dinge erinnern müssen, die inzwischen drei Jahre und mehr zurückliegen.

Ein Chaot, der sich an den Krawallen vor der Erstaufnahmeeinrichtung in Heidenau beteiligt hatte, nahm ein halbes Jahr Beugehaft auf sich, um nicht gegen die Angeklagten aussagen zu müssen. Ein teures Schweigen – die sechs Monate muss Patrick L. zusätzlich zu der Haft von einem Jahr und acht Monaten verbüßen, die der 26-Jährige für Heidenau kassiert hatte.

Ende September sagte erstmals ein Mitglied der Gruppe Freital in dem FKD-Prozess aus. Der 21-Jährige, der im März am Oberlandesgericht Dresden eine Jugendstrafe von vier Jahren erhalten und als Einziger sein Urteil akzeptiert hatte, berichtete etwa, dass die Gruppe Freital den Angriff auf das „Mangelwirtschaft“ genannte Wohnprojekt in Übigau geplant hatte. Mit illegalen Böllern und Steinen bewaffnet zogen Freitaler und FKD-ler in der Nacht zum 19. Oktober 2015 zu dem Haus. Während die Dresdner an der Frontseite für Ablenkung sorgten, wollten die Freitaler an der Rückseite ihre selbst gebastelten Buttersäure-Sprengsätze in das Haus werfen. Sie brachen ihren Angriff ab, als das Licht anging. Ein Bewohner erlitt ein Knalltrauma – geschockt waren sie wohl alle.

Überfall von langer Hand geplant

Der Angriff zeigt das perfide Vorgehen der Rechtsextremisten. Sie hatten den Angriff auf das alternative Projekt längst geplant, aber auf eine günstige Gelegenheit gewartet. Als an jenem Wochenende Teilnehmer einer asylfeindlichen Mahnwache in der Übigauer Thäterstraße von Unbekannten angegriffen worden waren, holten die Neonazis zu einer angeblichen „Racheaktion“ aus. Das bestätigte der 21-jährige Zeuge nun, auch wenn er sich nicht an einzelne FKD-ler erinnern konnte.

In den Prozessen gegen die Rechtsextremen wurden auch weitere Täter bekannt und zum Teil erheblich belastet. An diesem Dienstag beginnt vor einer zweiten Staatsschutzkammer ein weiterer Prozess gegen vier mutmaßliche FKD-Mitglieder beziehungsweise -Unterstützer. Darunter ein Wachmann, der von Angeklagten der Gruppe Freital und der FKD so stark belastet wurde, dass ihn die Generalstaatsanwaltschaft im Dezember 2017 verhaftete.