Von Franziska Muth und Verena Toth
Döbeln. Gesundheitliche Probleme und immer wieder Arztbesuche waren der Grund, weshalb das Mädchen aus dem Raum Rochlitz häufig im Kindergarten fehlte. „Mit der Entwicklung kam meine Tochter in Verzug. Sie konnte sich nicht lange auf eine Sache konzentrieren“, sagt ihre Mutter, die anonym bleiben möchte. Erst mit sieben Jahren kam das Mädchen in die erste Grundschulklasse. „Obwohl meine Tochter nun die Größte in der Klasse ist, war es die richtige Entscheidung“, so die Mutter. Zahlen zeigen: Die Familie ist im Kreis nicht die einzige, für die ein späterer Schulstart Thema ist.
In Sachsen gelten generell alle Kinder als schulpflichtig, die bis 30. Juni eines Jahres sechs Jahre alt werden. Zudem sind auch Kinder schulpflichtig, die bis 30. September sechs werden, sofern sie von ihren Eltern in der Schule angemeldet wurden. Schulpflichtige Kinder, die geistig oder körperlich nicht genügend entwickelt sind, um mit Erfolg am Unterricht teilzunehmen, können um ein Jahr zurückgestellt werden. Eine Basis zur Beurteilung ist die Schulaufnahmeuntersuchung.
In Mittelsachsen wurden laut Statistischem Landesamt zum Beginn dieses Schuljahres 204 Kinder zurückgestellt. Davon waren 121 Jungen und 83 Mädchen. In die Grundschule kamen 2 562 Kinder, darunter 232 nach einer Zurückstellung.
Grundschule entscheidet über Aufnahme
„Wenn ein Kind zurückgestellt wird, ist das zunächst nichts Schlimmes. Hat ein Kind Schwierigkeiten in bestimmten Bereichen oder Rückstände in der Entwicklung, kann das weitere Jahr im Kindergarten ganz gezielt dafür genutzt werden, diese aufzuholen und therapeutisch zu behandeln, wie zum Beispiel mit Logopädie oder Ergotherapie“, erläutert Angela Jurczyk, Leiterin der Waldheimer Grundschule. Sie und ein Team von Diagnosefachleuten entscheiden unter anderem, ob und in welcher Schule ein Kind eingeschult werden kann oder nicht. 66 Schulanfänger wird es in diesem Jahr in Waldheim geben.
„Von den rund 80 Anmeldungen für dieses Schuljahr, wurden bei uns acht Kinder zurückgestellt“, berichtet die Pädagogin. Nach der amtsärztlichen Untersuchung, der Schulaufnahmeuntersuchung, wird dort eine Empfehlung zur Rückstellung ausgesprochen. Grundsätzlich werde diese Entscheidung aber in einem Team getroffen. Jurczyk greife dabei auch auf die Erfahrung und die Ratschläge der Erzieher in den Kindereinrichtungen zurück. „Die Beobachtungen der Kollegen dort, die das Kind in der Regel über mehrere Jahre begleitet haben, fließen dann in die Entscheidung mit ein“, erläutert die Schulleiterin.
„In diesem Jahr haben wir mehr Rückstellungen als erwartet. Mindestens drei Kinder bleiben noch ein Jahr länger im Kindergarten. Ich habe den Eindruck, dass sich die Zahl stetig erhöht“, schätzt Stefan Hagedorn, stellvertretender Leiter der evangelisch-lutherischen Kindereinrichtung St. Florian in Döbeln, ein. Von den derzeit 82 betreuten Kindern werden in diesem Jahr elf ihre Schullaufbahn beginnen. Dagegen werden aufgrund von Rückstellungen im nächsten Schuljahr doppelt so viele Abc-Schützen eingeschult. Die Schulvorbereitung für Kindergartenkinder beginne bereits am ersten Tag in der Einrichtung. „Jedes Kind entwickelt sich aber individuell. Wir achten besonders auf die Sprache und die sozialen Kompetenzen. Und im Kindergarten werden die lebenspraktischen Fähigkeiten besonders gefördert. Doch es wird nicht bewertet oder abgerechnet. Deshalb sehen wir die Entscheidung einer Rückstellung manches Mal etwas anders, haben aber letztlich darauf keinen Einfluss“, so der Erzieher. Das letzte Kindergartenjahr ziele dann aber besonders auf den Beginn der Schule ab. Es werden Projektwochen für die Schulanfänger veranstaltet.
Aus der Kindertagesstätte Sonnenschein in Leisnig werden im Sommer elf Mädchen und Jungen an die Grundschule wechseln. „Wir haben kein einziges Kind, das zurückgestellt wird. Tatsächlich sind das bei uns nur Ausnahmefälle“, erläutert die Leiterin, Katrin Dvorak. Auf die Schule vorbereitet werden die Kinder nach dem sächsischen Bildungsplan. „Der sieht hauptsächlich die Förderung der Wahrnehmung und des Umgebungsbewusstseins vor. Wichtig ist uns vor allem, den Kindern Normen und Werte mitzugeben. Ob sie als Schulanfänger schon Zahlen oder Buchstaben kennen, ist dabei unerheblich“, so die Erzieherin.
Möglich ist aber nicht nur die Zurückstellung, sondern bei entsprechender Entwicklung und nach Antrag der Eltern auch der vorzeitige Schulstart – für Kinder, die erst nach dem 30. September den sechsten Geburtstag feiern. Im Landkreis kamen im laufenden Schuljahr drei Mädchen und ein Junge vorzeitig in die erste Klasse. Im Jahr zuvor waren es acht Kinder. An der Waldheimer Grundschule wird es in diesem Jahr einen „Frühstarter“ geben. (mit FP)