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Ein Haus in Kugelgestalt begeistert

Dresden hat auch mit modernen Bauten auf sich aufmerksam gemacht. Vor 90 Jahren wurde das Kugelhaus eröffnet.

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© SZ-Archiv

Von Ralf Hübner

Ein Haus rund wie eine Kugel. Die Idee fasziniert noch immer. Besuchern, die vom Hauptbahnhof kommend die Stadt betreten, fällt möglicherweise der von zwei Würfelhäusern flankierte, runde Bau aus Glas auf der anderen Seite der Straßenbahn ins Auge. Bei dessen Gestaltung hat das einstige Kugelhaus Pate gestanden, das vor 90 Jahren am 20. Mai 1928 eröffnet wurde.

Das Haus war die absolute Attraktion der 7. Jahresschau Deutscher Arbeit. Seit 1922 gingen die vom Dresdner Verkehrsverein veranstalteten Schauen jährlich im Ausstellungspalast über die Bühne. Die siebente Ausgabe ist unter der Überschrift „Die technische Stadt“ ein Präsent zum 100. Geburtstag der 1828 gegründeten Technischen Hochschule Dresden, der jetzigen Technischen Universität. Gezeigt werden technische Anlagen und Apparate etwa zur Versorgung mit Energie, Wasser und Elektrizität, für den Feuerschutz, das Rettungswesen, Neuentwicklungen der Autoindustrie, die Ausstattung von Postämtern und Bahnhöfen, Signalanlagen für Zug und Straßenbahn. Der erste deutsche Tonfilm hat Premiere. Das spektakuläre neue Gebäude sollte die Schau krönen.

Das Kugelhaus war eine absolute Weltneuheit und galt als Ausdruck des modernen Bauens in den 1920er-Jahren. Dabei waren unter anderem expressionistisch-utopische Visionen des frühen 20. Jahrhunderts sowie Gedanken des russischen Konstruktivismus eingeflossen. Und so errichten Mitarbeiter der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) in nur acht Wochen Bauzeit auf dem Gebiet des damaligen Ausstellungspalastes zwischen dem sogenannten Brunnen- und Turm-Hof, zwei Hallenkomplexen, gegenüber dem Konzertplatz mit dessen großem Restaurantbereich die 280 Tonnen schwere Konstruktion aus Stahl, Glas, Beton und innen auch Holz. Die damaligen Blickbeziehungen machen es am Rande des Großen Gartens zu einem auffälligen Bauwerk. Jetzt befindet sich etwa an jener Stelle der Hauptbahnhof der Parkeisenbahn.

Die Pläne für den Bau stammten von dem Münchner Architekten Peter Birkenholz (1876–1961), der schon seit 1916 solche Häuser entworfen und Beiträge dazu veröffentlicht hatte. Der Hintergrund für diese Kugel-Idee war die Suche nach einer optimalen Raumausnutzung. Mit der Kugelgestalt sollte auf geringer Fläche möglichst viel Raum umschlossen werden. So beanspruchte der Kugelbau für ein Volumen von rund 7 600 Kubikmeter nur eine Grundfläche von 10 mal 10 Metern. Das ist etwa der vierte Teil eines vergleichbaren normalen Gebäudes.

Der fast 27 Meter hohe Experimentalbau wurde von rund 20 000 Nietverbindungen zusammengehalten. Der maximale Durchmesser der Kugel betrug 24 Meter. Sie hatte 150 Fenster und fünf Stockwerke, ein weiteres befand sich im Sockelbau. Die Kugel war mit Blech verkleidet, auf dem Reklameschriften angebracht waren. In der Mitte der Kugel gab es einen runden Lichtschacht mit einem Lift. Die Besucher gelangten über Treppen oder den Aufzug in die einzelnen Etagen.

In der fünften Etage ermöglichte ein Café Gästen einen Blick über das Ausstellungsgelände. In den Stockwerken darunter gab es 40 radial angeordnete Ausstellungskojen für Firmen, die dort ihre Erzeugnisse präsentieren wollten, sowie Verkaufsflächen. Nachts erstrahlte das Kugelhaus durch die Innenbeleuchtung. Zudem wurde es von außen illuminiert.

Doch der Kugelbau hatte auch Nachteile. So bereitete allein die sich von Geschoss zu Geschoss verändernde Raumtiefe Schwierigkeiten mit dem Licht. Deshalb gab es in vier der fünf Kugelgeschosse den außen unsichtbaren Lichthof.

Rund 1,8 Millionen Menschen besuchten die damalige Jahresschau. Das Kugelhaus war zwischenzeitlich bei den Dresdnern so beliebt, dass es zunächst bleiben durfte, auch als am 30. September 1928 die Ausstellung geschlossen wurde. Die baupolizeiliche Genehmigung, die nur für drei Jahre galt, wurde immer wieder verlängert. Ergänzend zum Ausstellungspalast nebenan fanden dort regelmäßig Ausstellungen und Präsentationen statt. Bei der Reichsgartenschau von 1936 ist letztmals die Einbindung in ein Ausstellungskonzept nachgewiesen.

Weil sich jedoch kein Käufer oder Betreiber mehr fand, ließ die Stadt das Kugelhaus rund zehn Jahre nach der Erbauung im Frühjahr 1938 schließlich doch abreißen. Zuvor hatten allerdings die Nazis in einer Kampagne das Gebäude als vermeintlich „undeutsch“ verunglimpft. Es stand im Widerspruch zu deren Vorstellungen vom Bauen. Die NS-Zeitung ,Der Freiheitskampf‘ frohlockte denn auch am 7. Februar 1938 und schrieb: „Immer wieder hat sich der ,Freiheitskampf‘ dafür eingesetzt, dass das sattsam bekannte Kugelhaus, das allzu lange schon das Ausstellungsgelände als Ausgeburt einer entarteten Technik verunzierte, nun endlich verschwinden möge. Jetzt ist es soweit.“ Das Metallgerüst wurde für Kriegszwecke verschrottet. Der einst weltbekannte Bau ist so nur noch auf alten Fotos, Postkarten oder in Filmausschnitten zu sehen. Im Foyer der Gläsernen Manufaktur von Volkswagen soll ein kugelförmiger Kinosaal an ihn erinnern.

Dem 2001 gegründeten Verein ,Dresdner Kugelhaus‘ ist das nicht genug. Er bemüht sich um den Bau eines neuen Kugelhauses. Dieses solle jedoch keine Replik des einstigen Baus sein, sondern eine bauästhetische, energetische und Impuls gebende Weiterentwicklung, wie Vereinschef Andreas S. Berndt betont. Der runde Bau am Hauptbahnhof stellt ihn nicht zufrieden. „Da haben wir einen höheren Anspruch.“ Die Hoffnung auf den Standort des ehemaligen Narrenhäusels gegenüber dem Blockhaus am Neustädter Elbufer als neuer Platz hat sich jedoch nicht erfüllt.

Ebenfalls zerschlagen hat sich 2010 der Plan eines Investors, der am Lennéplatz mit Blick auf das Dynamo-Stadion eine weitgehend originalgetreue Kopie des Kugelhauses errichten wollte.