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Ein Fries für Europa und die Liebe

Die Malerin Antoinette gestaltet in der Stadthalle ein 20 Meter langes Kunstwerk. Jeder kann ein Stück dazu beitragen.

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© Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Von Ines Eifler

Görlitz. Monster, deren Münder Schlangen gebären. Der Tod als Skelett, das seine Arme um einen Drachenkopf schlingt. Ungeheuer aus den Tiefen des Meeres: Die Fantasiewesen der Malerin Antoinette erinnern an Bilder, die zu allen Zeiten zur Abwehr des Bösen dienten: die Medusenhäupter in den Giebeln griechischer Tempel, die Wasserspeier gotischer Kirchen, die Monster aus Goyas „Traum der Vernunft“ oder die düsteren Gestalten aus Rodins „Höllentor“. Alle zeigten das Böse als notwendige Kehrseite des Guten, Vernünftigen. Auch die Figuren auf dem 20 Meter langen Fries, den die Künstlerin gerade in der Stadthalle zeichnet, sind Wesen, denen wir in unseren dunkelsten Träumen nicht begegnen möchten. „Aber wir müssen das Böse erkennen, um das Gute und die Liebe empfinden zu können“, sagt Antoinette. „Und es akzeptieren, wenn wir Frieden schaffen wollen.“

Am Freitag eröffnet Antoinettes Ausstellung „Mythos Europa“ mit über 100 Werken in der Stadthalle. Unterhalb der Bühne im großen Saal zeichnet sie ein Fries.
Am Freitag eröffnet Antoinettes Ausstellung „Mythos Europa“ mit über 100 Werken in der Stadthalle. Unterhalb der Bühne im großen Saal zeichnet sie ein Fries. © Pawel Sosnowski/pawelsosnowski.c

Ihr Fries am Sockel der Bühne im großen Saal der Stadthalle wird der dunkelste Teil ihrer großen Ausstellung „Mythos Europa“ sein, die am Freitag, dem 13. eröffnet wird. Es ist der Kontrast zu allem Positiven, das Europa in vielen Facetten für sie ausmacht. „Zum Beispiel wird die Weiblichkeit in Europa mehr geachtet als auf anderen Kontinenten“, sagt Antoinette. „Das macht das Positive in Europa aus.“ So rankt sich ihre Ausstellung um die weibliche Figur der Europa aus der griechischen Mythologie. Seit 30 Jahren beschäftigt sich Antoinette mit der Legende um die phönizische Königstochter, in die sich Zeus verliebte, der er als Stier erschien, die er raubte, auf seinem Rücken übers Mittelmeer trug und mit der er auf Kreta drei Söhne zeugte. Diese Sage ist mit Gewalt, mit Macht, mit Krieg, aber auch mit dem Sieg darüber verbunden. Und sie reicht bis ins Heute. „Europa war eine Einwanderin“, sagt Antoinette. „Ein Teil Phöniziens ist heute Syrien.“ Die Sage der Europa ist keine einzige, zusammenhängende Geschichte, sondern hat viele im Laufe der Zeiten entstandene Nebenmythen und wurde immer wieder anders gedeutet und dargestellt. Antoinette hat diesen Kosmos um die mythische Europa für sich entdeckt, daraus geschöpft und für ihre eigene Kunst genutzt. Immer wieder hat sie Bezüge zu ihrer persönlichen Gegenwart und zu Ereignissen der Zeitgeschichte eingeflochten. Als sie Ende der 1980er Jahre damit begann, hatte sie nur eine Zeit an dem Thema arbeiten wollen. „Aber es hat mich nicht mehr losgelassen“, sagt die 63-Jährige. „Der Mythos Europa ist das Spannendste, mit dem ich mich je beschäftigt habe.“ Zahlreiche Kunstwerke hat sie in 30 Jahren dazu geschaffen. Große Ölgemälde, kleinere Bleistiftzeichnungen, Pastellbilder, Collagen. Über 100 davon werden ab Freitag im großen Saal der Stadthalle zu sehen sein, darunter Werke, die bereits im September in der Kulturservice-Galerie auf der Brüderstraße ausgestellt waren. Erstmals hatte Antoinette die Bilder in Eberswalde gezeigt, wo der Görlitzer Oberbürgermeister Siegfried Deinege sie entdeckte und die Künstlerin fragte, ob sie nicht zum Jubiläum 20 Jahre Europastadt Görlitz-Zgorzelec in der Stadthalle ausstellen möchte. Nach Görlitz wird die Ausstellung nach Wien weiterwandern.

Antoinette hat französische Wurzeln, stammt aus Leipzig, lebt und arbeitet aber oft länger an Orten, in denen sie ausstellt. Denn ihre Kunst wächst ständig weiter. So entsteht der Fries in der Stadthalle als Teil einer wesentlich größeren Installation, die mehrere Meter in die Höhe reichen wird. Die dazugehörigen „Wächterinnen der Wochentage“ sind bereits aus Prag angereist, wo „Mythos Europa“ bis Ende Juni zu sehen war. Einige Werke, in denen die Liebe zum Ausdruck kommt, wird Antoinette erst noch erschaffen: als Kontrast zu den düsteren Wesen im Untergrund. Und auch der Fries wird in den nächsten Monaten vielfältiger und detailreicher werden. Unter anderem mit Unterstützung der Besucher. „Jeder kann eine Blume davor ablegen“, sagt Antoinette. „So entsteht ein gemeinsames Werk. Und als Blumen wird Liebe in die Welt gestreut.“

Eröffnung am Freitag, 13. Juli, 20 Uhr, Stadthalle