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Ein Düsseldorfer wird Sachse

Leo van de Water lebt seit vielen Jahren in dem kleinen Ort. Nicht nur mit seiner Kunst will er das Dorf aufwerten.

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© Lutz Weidler

Von Jürgen Müller

Staucha. Der 76-jährige Leo van de Water steht in Staucha vor einem seiner Bilder. „Kastanienbaum“ heißt es. Fallende Blätter sind zu sehen und aufsteigende Tauben. „Es zeigt das Auf und Ab in der Natur. Kunst muss man erklären“, sagt er. Van de Water erklärt mit Worten, aber auch mit Schrifttafeln. „Ein Kind wäre ein Rettungsring. Die Zeit läuft ab“, steht an seiner Plastik „Die Menopause“. Manchmal wirken die Erklärungen auch ein bisschen belehrend. „Der Lungenkrebs ist die gefährlichste unter den Krebserkrankungen. Tausende Raucher sterben an Lungenkrebs“, steht an seiner Plastik „Nur blauer Dunst“. Eine Binsenweisheit, die aber Raucher nicht abschreckt. Eine Plastik, die wie alle anderen aus Schaufensterpuppen entstand, beschäftigt sich mit dem Thema Homo-Ehe. „Sind wir nicht alle Kinder Gottes?“, heißt es dazu. Wie steht er selbst zur Homo-Ehe. Leo van de Water antwortet indirekt: „Ich hab´ mit 22 Jahren geheiratet.“

Leo van de Water, dessen Vorfahren aus Rotterdam stammen, ist ein gläubiger Mensch. Und so stehen auch all seine Plastiken unter dem Motto „Leben unter dem Kreuz“ vor einem großen, weißen Kreuz.

Verheiratet ist er inzwischen mit seiner Frau Birgit, einer Meißnerin, die in Staucha im gleichen Haus eine Physiotherapie betreibt. Die beiden sind beliebt in dem kleinen Ort. Die Stauchitzerin Inge Erler, einst bei der Diakonie in Meißen tätig und heute engagiert im „Weißen Ring“, kommt herein, die Begrüßung ist herzlich. „Birgit macht etwas für den Körper, Leo etwas für die Seele“, sagt sie, bevor sie im Behandlungszimmer verschwindet. Leo van de Water macht es sich derweil auf einem weißen Sessel bequem, weiß wie seine Plastiken, weiß wie sein Rauschebart. Seit er Rentner ist, malt er und fertigt Plastiken an.

Seine Werke sind normalerweise nicht zu sehen. Am Tag des offenen Denkmals aber hatte er seine Galerie geöffnet. Die Resonanz war überwältigend. „Bei 73 Besuchern habe ich aufgehört zu zahlen“, sagt er. Am Ende waren es wohl über 100, die seine Werke sehen wollten.

Leo van de Water arbeitet aus Spaß an der Freude, verkauft nichts, muss nichts verkaufen. „Manches Thema liegt monatelang im Kopf. Irgendwann fange ich dann an, und dann bekommt die Sache ihre eigene Dynamik“, sagt er. Vier Schaufensterpuppen, die er von einer geschlossenen Boutique in Lommatzsch erstand, lagern noch im Keller. Die zündende Idee fehlt noch. Irgendwann wird sie kommen.

Der gelernte Dekorateur aus Düsseldorf hätte sich wohl mal nicht träumen lassen, dass sein Lebensmittelpunkt das kleine Staucha wird. 1988 war es, als er im Auftrag des Bundesverbandes freier Dekorateure, dessen Sprecher er war, eine Marktanalyse über Apotheken und deren Werbeflächen anfertigte. Dazu mietet er in Dresden Räume an, gründet neben seinen Firmen in Düsseldorf und München eine weitere, hatte Mitarbeiter aus Lommatzsch und Staucha. Einer macht ihn darauf aufmerksam, dass in Staucha eine ehemalige Gaststätte verkauft wird. Leo van de Water sieht sich die Immobilie an, kauft sie, steckt viel Geld rein. Und so wird Staucha der dritte Standort seiner Firma Reisgen, einer Firma für pharmazeutische Werbung. „Wir haben alle Apotheken in der Umgebung ausgerüstet“, sagt er. Die Lage von Staucha zwischen Dresden, Leipzig und Chemnitz kommt ihm da entgegen. Und vor allem ist die Pendelei zwischen Düsseldorf, München und Dresden vorbei. Mittlerweile gilt er als voll integriert. „Ich bin Sachse“, sagt der Düsseldorfer und lacht.

Als er 64 wurde, verkaufte er seine Firma, widmet sich seitdem der Kunst. Damit will er das Dorf wieder lebenswerter machen. Der Erfolg beim Tag des offenen Denkmals hat ihn weiter angespornt. „Wir müssen etwas tun, damit die Dörfer nicht weiter aussterben, lebenswert bleiben“, sagt er. Manchmal sitzt er auch bei Gemeinderatssitzungen. „Es ist unmöglich, dass die Gemeinde die Markttage im Sommer und die Gewerbemesse ganz gestrichen hat. Der Markt ist doch auch Kommunikationszentrum im Ort, in dem die meisten Leute Rentner sind. Dass es zu teuer ist, kann ich schon nicht mehr hören“, sagt er. Wenn die Händler einmal weg seien, kämen sie nicht wieder, befürchtet der Hobbymaler. Seine Werke will er jedenfalls bald wieder zeigen, zum Weihnachtsmarkt soll seine Galerie wieder öffnen. „Wer meine Werke sehen will, kann auf Anmeldung natürlich auch zu anderen Zeiten kommen“, sagt er und plant schon Neues. Eine Landschaft will er malen mit Birken, mit viel Grün. Grün, das ist bekanntlich die Farbe der Hoffnung.

Leo van de Water, genießt die Ruhe auf dem Dorf. Wie schön das ist, merkt er, wenn er in Düsseldorf ist. „Die vielen Menschen, der Verkehr, der Lärm, nein, dahin möchte ich nicht mehr zurück“, sagt er.