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Ein Bankerherz für Kleinunternehmer

Die Elbe Finanzgruppe bietet Factoringdienste speziell für Freiberufler und Selbstständige an. Der Sitz in Dresden ist wohlgewählt.

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© Screenshot: szo

Von Nora Miethke

Der Bayerkonzern hatte die Finanzierung für seine 66 Milliarden Dollar teure Übernahme des US-Saatgutherstellers Monsanto in wenigen Tagen perfekt. Mehr als 20 Banken teilen sich die Kredite in einer Gesamthöhe von rund 52 Milliarden Euro untereinander auf. Dagegen bekommen Firmengründer oft keine 10 000 Euro Kredit gewährt, um ihre Geschäftsideen verwirklichen zu können.

Diese Ungleichbehandlung war Stefan Kempf schon lange ein Dorn im Auge. „Freiberufler, Kleinunternehmer und Startups sollen den gleichen schnellen Zugang zu Kapital haben wie Großunternehmen“, sagt der Banker. Dass diese Vision eines Tages wahr wird, dafür tut er selbst etwas. 2012 kaufte Kempf den Dresdner Finanzdienstleister Elbe-Factoring GmbH mit einem Mitarbeiter, fünf Kunden und einer Banklizenz. Fünf Jahre später beschäftigt er aktuell 22 Mitarbeiter in seiner Elbe Finanzgruppe GmbH, die Freiberufler und junge Firmen mit einem Gesamtvolumen von 115 Millionen Euro finanziert. Das Kerngeschäft ist nach wie vor Factoring. Kempf und seine Mitarbeiter bezahlen ihren Kunden offene Rechnungen ihrer Auftraggeber aus und holen sich das Geld bei den Schuldnern zurück.

Besonders gut kommt bei den Freiberuflern – von ihnen gibt es mehr als eine Million in Deutschland mit zunehmender Tendenz – laut Kempf das Hauptprodukt „Rechnung 48“ an. Softwareprogrammierer, Übersetzer, TV-Moderatorinnen oder Synchronsprecher schreiben einfach auf ihre Rechnungen den kurzen Zusatz „Rechnung bitte an die Elbe Finanzgruppe“ zahlen und schicken ein Exemplar online an den Finanzdienstleister. Dieser prüft die Forderung und zahlt das Geld nach 24 Stunden aus. „Unsere Kunden haben das Geld sofort und müssen nicht 30 Tage warten. Sie brauchen keinen Ausfall zu befürchten und haben keine Kosten, um die Bonität ihrer Auftraggeber durch Wirtschaftsauskunfteien zu prüfen“, zählt der zweite Geschäftsführer Michael Bommer die Vorteile auf. Dafür zahlt der Kunde eine Servicegebühr von 3,97 Prozent des Forderungswerts, für 1 000 Euro fallen also 39,70 Euro Kosten an.

Die Elbe Finanzgruppe hilft nach eigenen Angaben ihren Kunden auch dabei, die Qualität ihrer Auftraggeber zu verbessern, indem sie vorab prüft, wie hoch diese verschuldet sind und wie pünktlich sie bislang ihre Rechnungen beglichen haben, also ob sie „gute Adressen“ sind. Aber generell rät Bommer dazu, Vorkasse zu verlangen und nicht auf ein Zahlungsziel hinzuarbeiten.

Schrittweise wurde die Produktpalette erweitert. Dank einer Lizenz kann die Elbe Finanzgruppe auch Inkassodienstleistungen anbieten oder Leasinggeschäfte. Seit vergangenem Jahr finanzieren die Dresdner auch Aufträge vor – etwa von Kostümhändlern, die jetzt zur Faschingszeit ihr Hauptgeschäft haben, die Kostüme dafür aber schon im Sommer einkaufen müssen. Die Gebühr für die Auftragsfinanzierung hänge ab vom Warenpreis und der Bindungsdauer des Kapitals. Oft könne man schon den Skonto des Lieferanten nutzen, um Kosten abzudecken, heißt es. Im Gegensatz zu vielen ihrer Kunden, die als Freiberufler oft eine schlechte Bonität hätten, könnten sie mit günstigen Kredit- und Lieferkonditionen kalkulieren. „Unsere Mission ist es, kleinen Unternehmern zu helfen“, betonen die beiden Geschäftsführer. Dafür hätten sie alle notwendigen Banklizenzen und ihre Geschäfte würden von den Aufsichtsbehörden, also von der Bafin in Bonn und der Deutschen Bundesbank überwacht werden, versichern sie.

SIB stiller Teilhaber

Das Konzept hat die SIB Innovations- und Beteiligungsgesellschaft der Ostsächsischen Sparkasse Dresden überzeugt. Sie ist 2013 als stiller Teilhaber eingestiegen, damit das Unternehmen schneller wachsen konnte. „Wir finden sehr sympathisch, wie bei der Elbe Finanzgruppe über Kunden gedacht wird, uns gefällt die Unternehmensphilosophie und das Management ist gut“, begründet SIB-Chef Christian Müller den Einstieg.

Letzteres zeigt sich auch in den Geschäftszahlen. Der Factoringumsatz, die Summe der angekauften Forderungen, ist im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2015 um 37 Prozent auf 109 Millionen Euro gestiegen. Innerhalb von fünf Jahren konnte der Finanzdienstleister den Factoringumsatz versiebenfachen. Dass eine Forderung nicht beglichen wird, kommt selten vor. Die Ausfallquote liegt bei unter einem Prozent. Auch eingereichte Rechnungen werden nach eigenen Angaben kaum abgelehnt. „Wir investieren viel in Informationen und qualifizierte erfahrene Mitarbeiter, um die Risiken gering zu halten“, so Kempf. Dazu gehört neben den üblichen Bonitätsauskünften die Recherche über Auftraggeber von Factoringkunden in Sozialen Medien und auf Internetseiten.

Die Unternehmenskultur liegt den beiden Geschäftsführern am Herzen. Kempf hat früher im Investmentbanking gearbeitet und worauf er keine Lust hatte, waren Vertriebsprovisionen. Seine Mitarbeiter bekommen keine Provisionen, weil sie bestimmte Produkte verkaufen. Auch gäbe es keine Zielvereinbarungen oder Bonuszahlungen. „Bonus macht die Unternehmenskultur kaputt“, sagt Kempf. Am Tag der Bonuszahlung würde man sich noch freuen, aber schon am nächsten Tag ärgern, wenn Kollegen mehr bekommen hätten, schildert er seine Erfahrungen. Die Mitarbeiter der Elbe Finanzgruppe verdienen nach Aussage ihrer Chefs „vernünftiges Geld“ und erhalten alle die gleiche Gewinnbeteiligung. Es gibt keine befristeten Arbeitsverträge und der Zusammenhalt wird durch Feedbackrunden, Mitarbeiterfrühstück und Teamveranstaltungen gestärkt.

Das klingt nach moderner Startup-Führung. Warum sitzen Kempf und Bommer in Dresden und nicht etwa in Berlin, wo gerade die Fintech-Branche kräftig wächst? In Dresden gebe es viele hoch qualifizierte Leute, wenig Banken und die Sachsen seien gegenüber alternativen Finanzierungswegen aufgeschlossener als zum Beispiel die Süddeutschen, lautet die Antwort. „Auch brauchen wir nicht jeden Tag zu irgendwelchen Start-up-Konferenzen zu gehen, um Investoren zu finden“, sagt Kempf. Drei Finanzierungsrunden gab es bislang und alle seien erfolgreich gewesen.