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Durchblick auch nach der Rente

Optiker Frank Müller in Herrnhut feiert 40 Geschäftsjahre. Dabei war der Beruf vor vier Jahrzehnten nur für Mädchen vorgesehen.

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© Matthias Weber

Von Andreas Herrmann

Herrnhut. Frank Müller ist durch einen besonderen Umstand Augenoptiker geworden. Gelernt hat er den Beruf zu DDR-Zeiten. Allerdings war dieses Handwerk damals nur für Mädchen vorgesehen, erzählt der Optikermeister. Doch ein kleines Handicap brachte ihm wiederum Glück. Ein Ekzem an der Hand, das nicht mit Staub oder Dreck in Berührung kommen durfte, ermöglichte ihm eine Ausnahmegenehmigung und der Weg in den Optikerberuf war für ihn frei.

Im Juli 1978 übernahm er dann das Augenoptikgeschäft von Werner Schnuppe in Herrnhut. Nach einer Woche Übergabe öffnete er das Geschäft für den Kundenbetrieb und versorgt nun seit 40 Jahren die Bewohner von Herrnhut und Umgebung mit Brillen und anderen optischen Artikeln. Frank Müller hält für seine Kunden in seinem Geschäft auch eine große Auswahl an Brillenfassungen bereit. Was man aber häufig nicht sieht, ist die Riesenauswahl für die richtige Glassorte, um eine optimale Sehleistung zu erzielen. Seit 28 Jahren arbeitet Frank Müller mit dem Glaslieferanten Rodenstock zusammen, mit dem auch schon sein Vorgänger – Optiker Schnuppe – in seinen Anfangsjahren Kontakt hatte. Weil das Geschäft gut läuft, denkt der bereits 66 Jahre alte Frank Müller noch längst nicht ans Aufhören.

Früher hatte er da ganz andere Erfahrungen gemacht. Vieles, was ein Optiker brauchte, war Mangelware. Die Zeit war geprägt von mancherlei Engpässen. So kam es einmal vor, dass fast keine Brillenfassungen mehr da waren. Müller schrieb damals an seinen Lieferanten, den Optische Werke Rathenow die Worte: „Ich bin fassungslos.“ Daraufhin schickte man ihm ein Sonderpaket. Alles habe gerade so funktioniert, die Materialien waren oft schlecht, sodass man Mühe hatte, etwas Ordentliches draus zu machen, erinnert sich Frank Müller an die Jahre auch rund um die Lehre, die er beim Optikermeister Brussig am Bautzener Platz in Löbau absolvierte. Später machte er seinen Meister und qualifizierte sich in der Zittauer Augenklinik weiter. Als Optiker lernt man die Brillenbestimmung in einem Fachschulstudium und ist damit gegenüber dem Augenarzt sehr spezialisiert, schildert er.

Löbauer ist Frank Müller zeitlebens geblieben. Er lebt hier mit Frau und Hund in einem Einfamilienhaus. Nach der Wende war die Umstellung für ihn nicht ganz so schwer als vielleicht bei anderen, weil Optiker schon private Geschäftsleute waren. Dadurch sei man in der Marktwirtschaft mit ihren Regeln bereits etwas zu Hause gewesen, meint er. Das habe ihm viel geholfen beim Sprung ins Private.

Zu DDR-Zeiten war Müllers Arbeitstag zwölf Stunden lang, von früh um sieben bis abends um sieben. Er musste sogar Schließungstage im Geschäft machen, um in der Werkstatt alle Aufträge abarbeiten zu können. „Als ich kurz vor der Wende ausnahmsweise einen Westbesuch machen durfte, hat mich ein Kollege gefragt, wie viel ich so am Tag schaffe. Das habe ich ihm gesagt und er wurde blass und meinte, das schaffe ich mit vier Leuten nicht“, erzählt Frank Müller.

Nach der Wende gab es dann natürlich wesentlich besseres Material für Optiker. Auch Werkzeuge, die man hier gar nicht kannte, kamen ins Land. Das kleine DDR-Sortiment von vielleicht 50 Modellen wurde plötzlich abgelöst von vielleicht 300 verschiedenen Fassungen und das allerdings pro Firma. Von denen wiederum, so schätzt Müller heute ein, gibt es auch 300. Also heißt es auswählen für das Geschäft und damit auch für die Kunden entsprechende Möglichkeiten erkunden.

Heute möchte die Landbevölkerung dauerhafte Brillen mit guter Qualität. Es wird weniger das ganz Attraktive gesucht, sondern eher das Beständige, schildert er. Leider hätten die Leute aber inzwischen nicht mehr ein so gutes Sehvermögen, wie noch vor einigen Jahrzehnten, berichtet der Optiker. Das habe viel mit der Arbeit vorm Computer und dem längeren Fernsehgucken zu tun. Damit werden mehr Ansprüche an das Auge gestellt und es kommen mehr Kunden im jüngeren Alter zu den Optikern, meint er.

Die Fehlsichtigkeit ist größer als früher. Sozial merkt Frank Müller aber auch, dass die Leute weniger Geld haben, was eben auch Unterschiede bei der Brillenauswahl macht. So könne sich ein ALG-II-Empfänger keine teure Gleitsichtbrille leisten.