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Droht jetzt ein Müll-Chaos, Herr Otteni?

Im Herbst soll der Entsorger wechseln. Der Chef des Abfallzweckverbands über Klagen und steigende Preise.

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© Karl-L. Oberthür

Großenhain. Ab Oktober soll Knettenbrech & Gurdulic Service GmbH & Co. KG die Müllentsorgung von der Remondis Elbe-Röder GmbH übernehmen. Doch der Entsorger hat hier bislang weder eine Betriebsstätte noch Fahrzeuge oder Personal. Die SZ sprach darüber mit dem Chef des Abfallzweckverbandes, Raimund Otteni.

Was haben die Kunden davon?

Dass sie weiterhin bedient werden. Das ist alles.

Mussten Sie denn überhaupt neu ausschreiben?

Wir hätten theoretisch noch zwei Jahre länger mit Remondis zusammenarbeiten können. Wir hatten einen Vertrag über sechs Jahre mit einer zweijährigen Verlängerungsoption. Der Grund, warum wir diese nicht genutzt haben, hängt mit der gebührenfreien Biotonne zusammen. Der Zuspruch hat uns überrascht. Deswegen sind natürlich höhere Kosten entstanden, die die Entsorger sich über Nachträge refinanzieren wollten. Diese waren aber aus unserer Sicht viel zu hoch. Wenn wir mit Remondis und den anderen Entsorgern in den anderen Regionen Meißen, Sächsische Schweiz und Weißeritzkreis weitergemacht und mehr gezahlt hätten, hätte sich das über kurz oder lang auch auf die Gebühren niedergeschlagen. Da haben wir gesagt: Wir schreiben neu aus, obwohl wir mit der Arbeit von Remondis und den anderen Bestandsentsorgern im Großen und Ganzen zufrieden waren.

Die Angebote, die Sie daraufhin bekommen haben, waren aber höher als von Ihnen kalkuliert. Warum?

Das ist schwer zu sagen. Es gibt bestimmte Entwicklungen, die zwar auch in unserer Kalkulation enthalten waren, die aber höher zu Buche schlagen. Vor fünf, sechs Jahren konnte man vielleicht noch einen Fahrer zum Mindestlohn beschäftigen. Das ist schon lange nicht mehr der Fall. Hinzu kommt, dass die Dieselpreise gestiegen sind. Zur Erinnerung: Seit 2010 sind wir hier für die Gebührenkalkulation zuständig; in der Region Meißen und im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge bereits seit 2006. Seither haben wir in diesen Gebieten im Prinzip die gleichen Abfallgebühren, mit nur ein oder zwei Euro Differenz. Uns war aber klar, dass uns die allgemeine Preisentwicklung irgendwann einholt.

Gibt es eine Alternative zu dem Ausschreibungsverfahren?

Nach dem jetzigen Modell sind wir gesetzlich dazu verpflichtet, die Leistungen für die Abfallentsorgung etwa alle sechs Jahre neu auszuschreiben. Die Alternative ist, dass es der Zweckverband selbst macht und die Müllentsorgung übernimmt. Ob es dann allerdings für die Kunden am Ende günstiger wird, wage ich zu bezweifeln, da zum Beispiel der Zweckverband einen höheren Tariflohn zahlt als ein privates Entsorgungsunternehmen.

Viele verwirrt es, dass über die Vergabe entschieden worden ist, ohne die Höhe der Müllgebühren vorab festzulegen.

Man muss das trennen. Es gibt zum einen die Kostenkalkulation der Entsorger, die für die Vergabe entscheidend ist. Wir sind verpflichtet, das wirtschaftlichste Angebot in einem Rahmen, der realistisch ist, zu nehmen. Darauf aufbauend wird dann der Zweckverband die Gebühren neu kalkulieren. Dafür brauchen wir belastbare Zahlen. Und die haben wir erst, wenn die Vergabe und alle Nachprüfungsverfahren abgeschlossen sind.

Müssen sich die Kunden auf steigende Müllgebühren einstellen?

Die Müllgebühren sind kalkuliert für den Zeitraum 2015 bis 2021. Das heißt, wir haben eine Gebührensatzung, die grundsätzlich noch bis 2021 gilt. Wir waren vor der Ausschreibung davon ausgegangen, dass wir deutlich günstigere Angebote bekommen. Und jetzt müssen wir anfangen zu rechnen, wenn alle Vergabeentscheidungen getroffen worden sind, ob wir die Gebühren bis 2021 halten können. Das muss die Politik entscheiden. Dann müssten wir aber sozusagen ans Ersparte gehen.

Das heißt, für den Kunden stellt sich nur die Frage, ob die Gebührenerhöhung jetzt oder 2021 kommt?

Diese Frage kann man noch nicht definitiv beantworten. Aber wir haben mehr Ausgaben, als wir kalkuliert haben, das steht fest. Und dieses Delta muss der Bürger irgendwann wieder ausgleichen.

Nun gibt es aber Einwände gegen die Vergabeentscheidung. Was ist da schief gelaufen?

Der Bestandsentsorger Remondis hat bei der Vergabekammer Sachsen (VKS) in Leipzig einen Nachprüfungsantrag gestellt. Das heißt, die Zuschlagserteilung ist vorerst blockiert. Im Kern geht es um zwei Fragestellungen: Frage 1: Durften wir mangels Wirtschaftlichkeit das offene Ausschreibungsverfahren aufheben und ein Verhandlungsverfahren einleiten? Das Angebot von Remondis lag mehr als ein Drittel über unser von der Wirtschafsberatungsunternehmen ECONUM erstellten Sollkostenkalkulation. Frage 2: Ist Knettenbrech & Gurdulich geeignet und hat das Unternehmen eine nach der Entsorgungsfachbetriebeverordnung zertifizierte Betriebsstätte in der Region? Wir sagen, dass Knettenbrech & Gurdulic geeignet ist. Die Referenzen und Zertifikate des Unternehmens als Entsorgungsfachbetrieb (Efb) sind wichtig und liegen uns vor. Die Betriebsstätte kann erst nach deren Inbetriebnahme als Efb zertifiziert werden. Sonst käme ja nie ein anderer Entsorger von außerhalb zum Zug. Das ist vergaberechtlich auch nicht zulässig.

Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?

Die mündliche Verhandlung in Leipzig war am 19. Juli. Ich denke, es wird Ende August eine Entscheidung geben. Diese Entscheidung kann aber wiederum vor dem Oberlandesgericht angefochten werden.

Was passiert, wenn über die Einwände nicht bis zum angepeilten Entsorgerwechsel am 1. Oktober entschieden worden ist?

Damit die Mülltonnen ab dem 1. Oktober auch geleert werden, sind wir gerade dabei, eine Interimsvergabe vorzubereiten. Da gingen am vergangenen Freitag die Unterlagen raus – an Remondis und alle anderen Entsorger, die sich jetzt auch bei der großen Ausschreibung beworben haben. Und dann wird irgendwann im August entschieden, wer die Interimsvergabe für sich entschieden hat. Der Zuschlag gilt dann für ein halbes Jahr. Ein Vierteljahr Verlängerung ist zweimal möglich. So kriegen wir es hin, dass am 1. Oktober die Tonnen geleert werden. Das trifft dann den kompletten Landkreis Meißen und die Region Weißeritzkreis.

Wie kann Knettenbrech & Gurdulic Service in Riesa-Großenhain als neuer Entsorger überhaupt die Müllentsorgung hier gewährleisten? Das Unternehmen hat weder ein Mülllager noch Personal und Fahrzeuge momentan hier.

Knettenbrech & Gurdulic hat uns mitgeteilt, dass sie eine Betriebsstätte einrichten werden. Wo, das dürfen wir aufgrund des Widerspruchs vor der Vergabekammer derzeit noch nicht sagen. Und dann muss man sehen, dass Knettenbrech & Gurdulich zwar ein Familienunternehmen, aber mit zehn Standorten in Süddeutschland kein kleines Entsorgungsunternehmen ist. Sie haben Fahrzeuge im Einsatz und überall Reserven. Das heißt, schlimmstenfalls könnten sie ihre Reserven zusammenziehen und hier fahren. Da würde dann hier eben auch mal ein Müllwagen mit Wiesbadener Kennzeichen unterwegs sein. Das Gleiche gilt fürs Personal. Aber das müssen sie letztendlich neu einstellen.

Ist denn eine Variante denkbar, bei der Remondis als Subunternehmer für Knettenbrech & Gurdulic Service fungiert?

Theoretisch ist das denkbar. Das ist aber die Entscheidung der beiden Unternehmen.

Wenn es zu dem Entsorgerwechsel kommt: Wie können Sie garantieren, dass es möglichst wenige Probleme für die Kunden gibt?

Es wird natürlich Anlaufschwierigkeiten geben, das muss man einfach sagen. Probleme gibt es immer dann, wenn es Sonderabsprachen zwischen Kunden und bisherigem Entsorger gibt. Die kennt dann der Neue nicht. Grundsätzlich kriegt der neue Entsorger aber alle Daten von uns, wo die Tonnen stehen. Die Tonnen müssen aber diesmal nicht mehr getauscht werden. Sie gehen am 30. September in das Eigentum des Zweckverbands über.

Gespräch: Tobias Winzer und Birgit Ulbricht