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Neuer Notfallplan für den Blackout

Selbst bei Katastrophen soll weiter Wasser fließen. Dafür wollen die Stadtwerke kräftig investieren.

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© Drewag/Bellmann

Von Peter Hilbert

Dresden hat eine sehr sichere Wasserversorgung. Das mehr als 2 400 Kilometer lange Netz ist hervorragend ausgebaut. Doch der Bund hat schon vor Jahren gewarnt, dass bereits ein dreitägiger Stromausfall in Großstädten zu katastrophalen Zuständen führen kann. Rüdiger Opitz will verhindern, dass die Dresdner in so einem Fall im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Trockenen sitzen und kein Tropfen Trinkwasser mehr aus dem Hahn kommt. Als Drewag-Abteilungsleiter ist er für das Management der Wasseranlagen zuständig. Kürzlich war er beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. „Als erste deutsche Großstadt haben wir eine Risikoanalyse zur Trinkwasserversorgung vorgestellt“, sagt der Experte.

Rüdiger Opitz (l.) und Planer Thomas Wenke auf dem bestehenden Hosterwitzer Deich. Um die Gebäude soll ein weiterer Schutzwall gebaut werden.
Rüdiger Opitz (l.) und Planer Thomas Wenke auf dem bestehenden Hosterwitzer Deich. Um die Gebäude soll ein weiterer Schutzwall gebaut werden. © Sven Ellger

Die Gefahr: Längerer Stromausfall legt die Wasserwerke lahm

Ob Terroranschlag oder technischer Defekt. Viele Ursachen können zu einem Blackout führen, der die Dresdner Wasserwerke lahmlegt. „Kurzfristig können wir Dresden dann noch für einen Tag aus den Hochbehältern versorgen“, erklärt Opitz. Danach würde es aber nicht gut aussehen. Immerhin braucht die Stadt an einem normalen Tag rund 100 000 Kubikmeter. Ohne Strom könnten bereits nach 48 Stunden nur noch 5 000 Kubikmeter geliefert werden, nach vier Tagen wäre ganz Schluss.

Die Lösung: Eine Million Euro für neue Notstromaggregate

Doch im Konzept steht eine Lösung. Im Wasserwerk Coschütz soll ein großes Notstromaggregat fest installiert werden, sodass die Anlagen weiter funktionieren. Damit könnten bereits 80 Prozent der Stadt versorgt werden. Ein zweites Notstromaggregat soll am Hochbehälter Hosterwitz an der Fischhausstraße aufgestellt werden, dem Dreh- und Angelpunkt der rechtselbischen Wasserversorgung. Wird dort beim Blackout weiter Wasser in Leitungen gepumpt, werden 90 Prozent der Haushalte und Betriebe versorgt. Kostenpunkt: Rund eine Million Euro. „Für den Notfall ist dieses Geld aber sehr gut angelegt“, sagt Opitz.

Die Gefahr: Elbeflut stoppt Betrieb im Wasserwerk Hosterwitz

Die drei Dresdner Wasserwerke können täglich bis zu 239 000 Kubikmeter liefern, davon die Hosterwitzer Anlage bis zu 84 000. Doch das Werk liegt unweit der Elbe. Also kann eine größere Flut wie 2002 den gesamten Betrieb lahmlegen, nennt Opitz die zweite große Gefahr für die Wasserversorgung. Um die Becken für die Vorreinigung des Trinkwassers wurde bereits ein kleiner, knapp fünf Meter hoher Deich gebaut. Allerdings würde er die Anlagen nur vor einer 20-jährlichen Elbeflut schützen. Um sie vor einer 100-jährlichen Flut abzuschotten, müsste ein etwa zehn Meter hoher Deich gebaut werden. Doch erstens würde dadurch der Hochwasserstrom verstärkt in den Altelbarm gedrückt, der gegenüber beginnt. Zudem würde der Blick auf die Elbhänge verbaut. Deshalb wird auf den hohen Deich verzichtet.

Die Lösung: Kleiner Deich schützt Hosterwitzer Wasseraufbereitung

Vorgesorgt wird auf andere Weise: Geplant ist, die Steuer-, Dosier- und Messanlagen an den Becken so umzurüsten, dass sie bei Hochwasser demontiert und per Lkw an einen sicheren Platz im Werksgelände gebracht werden können.

„Um das Kernwerk könnte in den nächsten Jahren noch ein kleiner, rund ein Meter hoher Damm gebaut werden“, nennt Opitz den zweiten Schritt. So wären die wichtigen Wasseraufbereitungsanlagen vor einem 100-jährlichen Hochwasser geschützt. Selbst bei so einer Flut könnte dadurch das Hosterwitzer Werk weiterarbeiten. Das wäre auch gut, falls das Coschützer Wasserwerk am südlichen Ende der Stadt aus anderen Gründen in Schwierigkeiten gerät. Denn Dresden habe ein hervorragendes Verteilersystem. Durch die große Tonbergleitung ist das links- und das rechtselbische Stadtgebiet zwischen den Hochbehältern Räcknitz und Hosterwitz verbunden. Dadurch kann bei Ausfällen auf einer Elbseite die Versorgung vom Wasserwerk auf der anderen Seite weiter zuverlässig gesichert werden.

Die Herausforderung: Großinvestition wegen Bosch und Philip Morris

Einen Notfall der positiven Art muss Opitz derzeit managen. Dresden wächst kräftig. Mit Bosch und Philip Morris siedeln sich weitere Großbetriebe im privaten Gewerbegebiet Airportpark an. Die Drewag habe analysiert, wie viel Wasser zusätzlich benötigt wird. Das sind 600 Kubikmeter stündlich – der Bedarf einer Großstadt mit 100 000 Einwohnern, rechnet Opitz vor.

Deshalb investiert die Stadt rund sechs Millionen Euro für den Bau neuer Wasserleitungen. Das ist derzeit die größte Investition im Dresdner Trinkwassernetz. Bis zu 70 Prozent der Kosten können mit Fördermitteln des Freistaates und der EU gedeckt werden. Auf drei Trassen werden neue Rohre über die Wilschdorfer Landstraße hinweg zu dem neuen Industriestandort verlegt. Der Bau der neuen Leitungen hat vor wenigen Tagen begonnen.

Das erste Wasser soll bereits im April 2019 fließen, wenn Bosch damit beginnt, die ersten Anlagen in Betrieb zu nehmen. Ende 2020 sollen die Trinkwasser-Anschlüsse zum neuen Industrie-Standort komplett fertig sein.