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Dresdner Prostituierte protestieren

Sexarbeiterinnen, Beratungsstellen und das Gesundheitsamt sehen das neue Prostitutionsschutzgesetz kritisch.

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© advantage

Von Julia Vollmer

Die erotischen Massagestudios in der Stadt bangen um ihre Existenz, viele Prostituierte fürchten, ihren Job aufzugeben. Der Grund: das neue Schutzgesetz für Sexarbeiter. An diesem gibt es viel Kritik. Am Freitag lud der Sozialausschuss im Landtag dazu zur Anhörung.

Wie viele Prostituierte gibt es in Dresden?

Neben etwa 100 Mitarbeitern in Massagestudios gibt es nach Schätzungen der Stadt 400 bis 600 Frauen und 100 Männer, die als Prostituierte arbeiten – hauptsächlich in Wohnungen. Davon gibt es rund 150, außerdem zwei Bordelle, die der Stadt bekannt sind. Viele der Frauen sind Migrantinnen. Ulrike Richter von der Organisation Kobranet schätzt den Anteil auf fast 80 Prozent. Sie stammen hauptsächlich aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Thailand.

Was soll das neue Gesetz bringen?

Das Prostitutionsschutzgesetz gilt seit dem 1. Juli 2017 bundesweit und soll Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter vor Ausbeutung schützen. In Sachsen fehlt noch das Ausführungsgesetz, das wird bis zum Sommer erwartet. Prostitution ist in Deutschland legal.

Was bedeutet das Gesetz für die Frauen?

Sexarbeiterinnen sollen sich künftig bei den Behörden anmelden – mit Klarnamen und Adresse – dann bekommen sie den sogenannten Hurenpass. Mit der Anmeldung wird der Begriff Prostituierte weiter gefasst. Künftig gelten auch Tantra-Masseurinnen als Sexarbeiterinnen. Sie bieten erotische Massagen ohne Sex an. Die Dresdner Studios Sinnesart und Royal machten schon mehrfach öffentlich auf ihre Situation aufmerksam. Zum einen würden sich ihre Mitarbeiter stigmatisiert fühlen, wenn sie sich als Prostituierte anmelden müssen. Zum anderen gilt für die Massagestudios damit auch die Sperrgebietsverordnung. Demnach dürfen im Umkreis von 200 Metern um ein Studio weder Kitas noch Kirchen oder Schulen sein. „Mein Job, meine Existenz steht damit vor dem Aus“, sagt Ulrike Henkert, Betreiberin und Masseurin im Studio Royal. Sie müsste ihr Studio schließen. Die Sperrgebietverordnung gilt in Dresden schon lange, vor dem Gesetz sei sie aber geduldet worden. Die Studiobetreiber forderten im Ausschuss eine Ausnahmeregelung für sich. In Dresden bieten rund 50 Läden mit rund 100 Mitarbeitern Massagen in Form von sexuellen Dienstleistungen an. „Bei uns arbeiten viele Mütter, Ehefrauen, Frauen mit anderen Hauptjobs, wenn die sich registrieren lassen müssen, hören sie aus Angst vor Stigmatisierung auf“, so Henkert. Mütter fürchteten ums Sorgerecht, Angestellte um den Job. Für viele seien Massagen ein gutes Nebeneinkommen: rund 70 Euro pro Stunde.

Hilft die Anmeldung den Frauen?

Ein ganz klares Nein kommt dazu von den Experten in der Anhörung. „Viele werden sicht nicht anmelden, sie wollen weder ihre Daten angeben, noch können sie die Gebühren zahlen“, befürchtet Ulrike Richter von der Beratungsstelle Kobranet. „Das Gesetz treibt die Prostituierten in die Illegalität.“ Das teilt auch Matthias Stiehler vom Gesundheitsamt. „Wir haben ein Vertrauensverhältnis zu den Frauen, viele trauen wegen des Gesetzes schon jetzt nicht mehr in unsere Beratungen.“ Wie sollen die Frauen beraten werden, wenn die Sozialarbeiter sie nicht mehr erreichen, fragt er.

Welche Kosten entstehenden Sexarbeitern?

Für die Anmeldung und die verpflichtende Beratung werden künftig Gebühren fällig. Doch diese seien zu hoch für die Frauen, darüber waren sich alle Experten einig. Sozialbürgermeisterin Kristin Kaufmann (Linke) rechnet in einem internen Papier vor: Die gesundheitliche Beratung soll 60 Euro kosten, die Anmeldebescheinigung 40 Euro. Unter 21-Jährige, die zweimal im Jahr untersucht werden, müssten pro Jahr bis zu 175 Euro zahlen. Kaufmann befürchtet, dass „die Verwaltung zum Zuhälter der Prostituierten wird“. Kobranet geht von bis zu 200 Euro aus, ohne Dolmetscherkosten. Diese kämen noch dazu, da die meisten Frauen nicht aus Deutschland stammen.

Warum sind die Gebühren so hoch?

Bislang sieht der Entwurf vor, dass Kommunen die Kosten für Beratung durch Gebühren wieder reinholen. Matthias Stiehler spricht sich dagegen aus. „Frauen sollen für die Beratung zahlen, das widerspricht dem Schutzgedanken.“ In sieben Bundesländern gebe es keine Gebühren. Er und Cornelia Leser vom sächsischen Städte- und Gemeindetag fordern Nachbesserungen und Unterstützung vom Freistaat.

Was soll die Beratung bringen?

Laut Gesetz soll sie zu HIV und Geschlechtskrankheiten beraten und klären, ob bei den Sexarbeiterinnen eine Zwangslage vorliegt. Längst nicht alle arbeiten freiwillig. Doch das sei in 60 Minuten Gespräch kaum zu machen. Schulungen der Verwaltungsangestellten, die das übernehmen sollen, könne und wolle die Kommune aber nicht zahlen, so Stiehler.