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Dresdner Forscher entschlüsseln das Gehirn-Wachstum

Zellbiologen identifizieren Moleküle, die eine einzigartige Entwicklung beim Menschen möglich machen.

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© dpa/Armin Weigel

Von Stephan Schön

Dresden. Vier Kleinigkeiten machen den Unterschied. Vier in jeder Nervenzelle vorkommende Moleküle formen das menschliche Gehirn zu dem, was es ist. Dresdner Wissenschaftler haben herausgefunden, wie es zur typisch menschlichen Gehirnbildung kommt. Sie haben in Laborversuchen mit menschlichen Spenderzellen gezeigt, wie das Gehirn wächst und wie es sich falten kann. Und die Wissenschaftler können erklären, wie sich unsere so große gefaltete Großhirnrinde bildet. Sie ist die entscheidende Voraussetzung für Sprache und Denkvermögen. Die Dresdner Forschungsergebnisse wurden am Donnerstag in der Fachzeitschrift Neuron veröffentlicht.

Mehr als 20 Jahre Vorarbeit stecken darin, berichtet der Arzt und Zellbiologe Wieland Huttner der Sächsischen Zeitung. Er ist Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden. Seiner Arbeitsgruppe gelang dieser wissenschaftliche Erfolg gemeinsam mit Forschern vom Institut für Polymerforschung und dem Universitätsklinikum Dresden. „Es geht letztlich um die Menschwerdung. Wer sind wir, wo kommen wir her? Sind wir einzigartig? Und wenn ja, wie geht das?“, beschreibt Huttner die Fragen, die die Forscher angetrieben haben.

Bereits vor drei Jahren fanden sie jenes Gen, das das Gehirnwachstum steuert und das nur der Mensch besitzt. Vor etwa fünf Millionen Jahren bildete sich dieses Gen. Viel später dann, als Menschen und Affen schon genetisch getrennte Wege gingen, passierte noch eine einzige weitere kleine Veränderung im Erbgut. Erst damit wurde das Gehirn-Gen eingeschaltet. Der Mensch hatte von da an die biologischen Voraussetzungen für ein großes und leistungsfähiges Gehirn. Auch der Neandertaler und die Denisova-Menschen besaßen dieses Erbgut und ein ähnliches Gehirn. Leipziger Max-Planck-Forscher haben das herausgefunden. Dass alles so und nicht anders gelaufen sei, „ist ein unendlich großer Zufall“, kommentiert Wieland Huttner.

Dies alles sei Grundlagenforschung, die aber langfristig zu medizinischen Anwendungen führen solle. „Je mehr wir darüber wissen, wie Nervenzellen entstehen, sich teilen und organisieren, desto besser können wir eine Therapie entwickeln.“ Es geht um die künftige Produktion künstlicher, aber körpereigener Nervenzellen. Patienten mit Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer könnte so geholfen werden. Viele Forschungsjahre sind bis dahin noch nötig. Ein Anfang ist aber gemacht.