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Dresdens neuester Geländer-Witz

Ein Drittel der Sanierung des Verwaltungssitzes ist geschafft. Beim Rundgang wird auch eine neue Dresdner Geländer-Peinlichkeit sichtbar.

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© Christian Juppe

Von Lars Kühl

Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU) nimmt schon mal die „Goldene Pforte“. Der Eingang an der Ostseite des Rathauses wird normalerweise nur geöffnet, wenn die Stadt zu Veranstaltungen lädt – wie am Sonntag zum Citylauf. Am Donnerstag gab es einen anderen Anlass. Nach knapp fünf Jahren Bauzeit ist die Sanierung des Ost- und von Teilen des Südflügels so gut wie abgeschlossen – es fehlt nur noch der Ratskeller. Mehrfach wurde das Ende nach hinten verschoben, zunächst von 2014 nach 2015. Erst jetzt ist die Modernisierung geschafft. Die letzten Bauzäune vorm Verwaltungssitz sollen bis Mitte April verschwunden sein.

Wer durch die „Goldene Pforte“ ins Rathaus kommt, betritt das nach oben geöffnete Atrium. Der Blick in die erste Etage ist frei. Die Säulen wurden frisch gestrichen. Durch das Portal gelangen Besucher in die Kuppelhalle.
Wer durch die „Goldene Pforte“ ins Rathaus kommt, betritt das nach oben geöffnete Atrium. Der Blick in die erste Etage ist frei. Die Säulen wurden frisch gestrichen. Durch das Portal gelangen Besucher in die Kuppelhalle. © Christian Juppe
Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann sitzt schon mal Probe: im Gästebereich.
Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann sitzt schon mal Probe: im Gästebereich. © Christian Juppe

Geplant war eigentlich, vor allem den Brandschutz im 1905 bis 1910 errichteten Rathaus zu verbessern. Bei den Arbeiten stellte sich aber heraus, dass auch die Betondecke statische Probleme hat. Sie hing durch. Bei den Bombentreffern während des Zweiten Weltkrieges und dem anschließenden Brand hatten sich Eisenstreben darin stark erhitzt und verformt. Löcher rissen auf und wurden beim anschließenden Wiederaufbau einfach mit Estrich verfüllt. Der gefährliche Zustand wurde jetzt beseitigt, erklärt Vorjohann.

Auch das Dach wurde neu gedeckt, denn die Ziegel begannen, lose zu werden. Zudem bekam es eine Wärmedämmung nach heutigen Ansprüchen. Drinnen wurde ebenfalls kräftig modernisiert, unter anderem erhielten rund 200 Mitarbeiter neue Büros. Außerdem sind jetzt alle Ämter barrierefrei erreichbar.

Die ursprüngliche Bausumme reichte am Ende bei Weitem nicht. Vorgesehen waren nur 25 Millionen Euro, jetzt sind es über 38 Millionen Euro. Dabei umfasst der sanierte Rathausteil erst etwa ein Drittel des Komplexes am Dr.-Külz-Ring. Wann die nächsten Abschnitte folgen werden, kann Vorjohann nicht sagen. „Aber nicht vor 2019.“ Ein beauftragtes Büro beginnt jetzt mit der Planung.

Beim Rundgang fällt besonders das historische Atrium auf. Es wurde geöffnet. Der Denkmalschutz hatte dem zugestimmt. Vorher war es hier eng, der Raum wurde zum Teil als Lager genutzt. Jetzt ist der Blick nach oben in die erste Etage frei, in der die Stadtratsfraktionen ihre Büros haben. Die Säulen erhielten einen grünen Anstrich, die goldenen Reliefs darauf kommen schön zur Geltung. Über dem Portal zur Kuppelhalle ist eine Sandsteintafel mit den Eckdaten des Baus angebracht. Darüber wurden alte Ziegel freigelegt. Eine alte Schrift ist zu erkennen. Die muss aber noch freigelegt und entziffert werden. In der Kuppelhalle selbst umspannt das restaurierte Deckengemälde von Otto Gussmann den Treppenaufgang. Der echte Marmor an den Wänden hat die Zeit erstaunlich gut überstanden. Noch muss das Beleuchtungskonzept abgestimmt werden, erklärt Kay Ullmann, der die Arbeiten für das Hochbauamt koordiniert.

Neu ist ein gläserner Personenaufzug im Innenhof. Über den wird der barrierefreie Zugang zum Plenarsaal gesichert. Wer die Treppe nimmt, staunt über den aktuellsten Dresdner Geländer-Witz. Wie an der Albertbrücke sind hier zwei montiert. Das historische mit schrägen Streben und dahinter ein höheres mit einem Netz. Die Interessen des Denkmalschutzamtes und die heutigen Sicherheitsauflagen sind unvereinbar, erzählt Ullmann. Beim Aufeinandertreffen von Vertretern beider Seiten war es laut, sagt er. Keiner rückte von seiner Position ab. Das gewöhnungsbedürftige Doppelgeländer ist kein Kompromiss, sondern eine „temporäre Lösung“. Der Ausgang des Streits ist allerdings völlig ungewiss. Fest steht dagegen, dass die Stadträte künftig im Plenarsaal eine moderne Abstimmungsanlage nutzen. Jeder Abgeordnete muss sich dazu an seinem Platz mittels Karte anmelden, kann wählen und das Ergebnis wird dann für alle Gäste auf einer Leinwand angezeigt. Noch ist aber unklar, wann hier die erste Sitzung stattfindet.

Seit einer Woche wird dagegen schon der Festsaal eine Etage tiefer genutzt. Nach wie vor versprüht der den typischen 50er-/60er-Jahre-Mief. Dabei ist alles auf dem neuesten Stand. Heizung, Technik, Verglasung – allerdings ist dies erst auf den zweiten Blick zu sehen. Das DDR-Ambiente war eine strikte Forderung der Denkmalschützer, deshalb wurden die Zickzack-Wände aus afrikanischem Holz, gestaltet in den Hellerauer Werkstätten, genauso aufgearbeitet wie die Gips-Decke und die Leuchten daran aus historischem Bestand.

Nach dem Motto „Ab durch die Goldene Pforte!“ können sich Interessierte am 2. April, 10 bis 16 Uhr, bei der Eröffnung selbst ein Bild vom umgebauten Ostflügel machen.