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Dresdens erster Leihladen ist startklar

Zwei junge Frauen wollen ihre Mitbürger besser vernetzen – und würden ihre Idee am liebsten überflüssig machen.

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Wo sind eigentlich die Umzugskartons? Verstauben die gerade auf dem Dachboden oder verschimmeln sie im feuchten Keller? Wahrscheinlich könnte ein anderer die Kartons gerade besser gebrauchen und müsste sich keine neuen kaufen. „Genau das ist unser Ansatzpunkt“ sagt Sindy Berndt. Gemeinsam mit ihrer Freundin Katja Hilbert plant die 33-Jährige die Eröffnung von Dresdens erstem Leihladen. Einem Ort des gemeinsamen Teilens und Tauschens von Dingen.

Ganz konkret soll das so aussehen: In einem Raum in Johannstadt werden Gegenstände gesammelt, die jeder irgendwann mal braucht, aber nicht so oft und lange nutzt, um sie besitzen zu müssen: Werkzeuge, Babyzubehör, Licht- und Tontechnik, Biertischgarnituren, Rasenmäher, Lastenräder – oder Umzugskartons. Wer etwas leihen möchte, muss zunächst Mitglied werden und einen kleinen Monatsbeitrag bezahlen. Das Leihen selbst soll dann in der Regel kostenlos sein. Nur eine Kaution in angemessener Höhe ist fällig.

„Die Idee hatte ich schon mal vor vier Jahren“, sagt Sindy. Sie nahm Kontakt mit einem ähnlichen Laden in Berlin auf, machte erste Pläne – und verstaute sie zunächst in einer gedanklichen Schublade. Erst die Ausschreibung des Projekts „Zukunftsstadt“, einem vom Bund geförderten Städtewettbewerb, bei dem konkrete Ideen unterstützt wurden, gab ihr einen neuen Motivationsschub. Sie bewarb sich.

„Mit den 120 000 Euro für zwei Jahre wäre der Start sicher einfacher gewesen“, sagt Katja Hilbert, die nun mit an Bord ist. Die beiden lernten sich bei der inzwischen insolventen Projektschmiede kennen, für die sie zuletzt arbeiteten. Sindy ging danach ins Babyjahr, die 26-jährige Katja wurde zur Geschäftsführerin des Vereins Johannstadthalle ernannt, der auch die Trägerschaft des Leihladens übernehmen wird. Zwar war ihre Idee am Ende nicht unter den Preisträgern der „Zukunftsstadt“. Schon vor der Entscheidung waren sich die beiden aber einig, dass sie das jetzt auch ohne Förderung durchziehen würden. Dann eben ein bisschen kleiner, ein bisschen langsamer. Ohne Personalstelle. Dafür mit vielen ehrenamtlichen Helfern.

Nach langer Suche haben sie vor wenigen Tagen einen Raum in der Johannstadt ergattern können. Im Keller, nicht gerade repräsentativ. Dafür müssen sie hier nur die Nebenkosten zahlen. „Das ist natürlich nur eine Übergangslösung“, sagt Katja. Geträumt haben die beiden aber genug. Jetzt wollen sie nicht länger warten.

Kein Müllplatz oder Zweitkeller

Obwohl Sindy in der Neustadt wohnt, wollte sie den Laden bewusst in Johannstadt ansiedeln. „In der Neustadt weiß ich, wo ich klingeln muss, wenn ich eine Bohrmaschine brauche“, sagt sie. Die Johannstadt sei da noch heterogener und daher ein guter Ort für den Start.

Sobald der Raum ausgeräumt ist und die ersten Leihgegenstände zusammengetragen wurden, soll es losgehen. Das könnte im November sein. Zunächst wird der Laden vermutlich nur ein oder zweimal in der Woche für wenige Stunden geöffnet sein. Die genauen Zeiten stehen noch nicht fest. Jedes neue Mitglied soll auch einen Gegenstand einbringen. Gern natürlich mehrere. Auch über Haushaltsauflösungen und Onlineportale soll Nützliches herangeschafft werden. Bezahlen können und wollen Katja und Sindy ihre Leihartikel nicht. Sie setzen auf Spenden – und müssen trotzdem wählerisch sein. „Wir werden darauf achten, dass wir nur sinnvolle Artikel von guter Qualität annehmen“, sagt Katja. Der Platz im Lager ist begrenzt. Niemand brauche 20 Paar Inlineskates. Auch solle ihr Leihladen weder Mülllagerplatz noch Zweitkeller für irgendjemanden werden. Die Idee ist ein zartes Pflänzchen, das sehr viel Liebe, Pflege und Geduld braucht. Katja Hilbert und Sindy Berndt sind bereit dafür.

Kleidung wird es in ihrem Leihladen übrigens keine geben. „Das müffelt sonst schnell“, sagt Sindy. Außerdem würde das schnell den Lagerplatz sprengen. Als eine Art vorgezogener Startschuss für ihr Projekt wollen sie aber am 30. September eine Kleidertauschparty in der Neustadt auf die Beine stellen. Von 14 bis 17 Uhr gibt es im Café 100 auf der Alaunstraße für jedes mitgebrachte Kleidungsstück einen Punkt, mit dem sich die Besucher dann einfach ein neues Teil aussuchen können. Ganz simpel, ganz ohne Geld.

So soll bald auch der Alltag im Leihladen aussehen, der sich für die beiden Macherinnen dann am erfolgreichsten entwickeln würde, wenn er sich irgendwann selbst überflüssig macht. „Unser Wunsch wäre es, dass die Stadt Angebote wie dieses nicht mehr braucht, weil die Menschen wieder persönlich miteinander vernetzt sind“, sagt Sindy. „Das wäre toll.“

leihladen-dresden.de