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Dresdens Bäume brauchen Hilfe

Die Stadt tut zwar viel für ihr Grün. Doch das reicht nicht aus, um alle Wünsche zu erfüllen.

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© Sven Ellger

Von Kay Haufe und Sarah Grundmann

Wie alt sie genau ist, weiß niemand. Verbrieft ist allerdings: Die Sommerlinde auf dem Kirchhof der Emmauskirche in Kaditz ist der älteste Baum Dresdens. Zwischen 700 bis 900 Jahre wird ihr Alter geschätzt. Mit ihrem Stammumfang von rund zehn Metern hat es die Linde sogar ins deutsche Baumarchiv geschafft und zählt zu den national bedeutsamen Bäumen.

Weniger hoch dekoriert, aber umso wichtiger für das Stadtklima sind die mehr als 53 000 Straßenbäume, die in Dresden wachsen. Hinzu kommen rund 25 000 Bäume in städtischen Park- und Grünanlagen sowie die auf Friedhöfen, in Kleingartenanlagen und auf privaten Grundstücken. 150 Arten zählt Dresden, allein 130 verschiedene Straßenbäume. Sie sorgen für Abkühlung am Tag, filtern Staub aus der Luft, speichern Wasser und geben Sauerstoff ab.

Keine Frage, Dresden ist eine grüne Stadt. Rund 62 Prozent ihrer Fläche besteht aus Wäldern, Parks und Friedhöfen. Damit belegt sie einen Spitzenplatz in Europa. Guten Gewissens konnte die Landeshauptstadt deshalb am Dienstag den Tag des Baumes feiern. Doch insbesondere beim Amt für Stadtgrün weiß man, dass viel Arbeit nötig ist, damit Dresden so grün bleibt.

Regelmäßig müssen die Bäume auf öffentlichen Flächen von geschulten Kontrolleuren untersucht werden: Ist der Stamm hohl? Könnten Äste abbrechen? Ist die Verkehrssicherheit gefährdet, droht die Fällung. Zwar betrifft das nur etwa 0,2 Prozent der städtischen Bäume. Trotzdem reagiert der Dresdner sensibel. So war der Aufschrei am Striesener Stresemannplatz groß, als das Amt 2015 die alten Kastanien aus Krankheitsgründen fällen wollte. Die Anwohner blieben hart, forderten einen externen Gutachter. Im Ergebnis konnten fünf Bäume erhalten werden. Vorerst.

Für eine Straßenbaumpflanzung rechnet die Stadt je nach Aufwand mit bis zu 3 500 Euro pro Baum. Die Kosten fallen an für die Vorbereitung des Standortes, hochwertige Pflanzware, Substrat, Verankerung, Bewässerungs- und Belüftungsset, Gehwegangleichungen sowie die Erstpflege. Doch das Geld für neue Bäume ist knapp. Zwar wuchs das Budget des Amtes für Stadtgrün etwas an, doch es reicht bei Weitem nicht, um alle Wünsche zu erfüllen. Spenden sind deshalb besonders gern gesehen. Und auch was die Baumpflege anbelangt, tut bürgerschaftliches Engagement not.

Derzeit sind 140 Mitarbeiter des Regiebetriebes Zentrale technische Dienstleistungen für 900 Hektar Fläche verantwortlich. Umso mehr hilft die Unterstützung von Anwohnern, die Pflegeverträge für Bäume mit der Stadt abgeschlossen haben. Vorreiter in dem Bereich sind die Neustädter, die sich um Platanen, einen Rotdorn und Flieder kümmern.

Doch es gibt auch einen entgegengesetzten Trend in der Stadt, den der Bund für Umwelt und Naturschutz (Bund) und die Grünen kritisieren. In bebauten Privatgärten fallen seit einer sächsischen Gesetzesänderung im Jahr 2010 immer mehr Bäume. Für solche mit einem Stammumfang unter einem Meter ist keine Genehmigung mehr nötig. Deshalb griffen viele Hausbesitzer zur Säge, um vor allem Nadelbäume, aber auch Pappeln und Weiden zu fällen. Bund und die Dresdner Stadtratsfaktion der Grünen rufen dazu auf, eine Petition an den Sächsischen Landtag mit dem Ziel einer Rücknahme des „Baum-ab“-Gesetzes von 2010 zu unterstützen.

Je weniger unversiegelte Flächen eine Stadt besitzt, desto besser ist es für ihr Klima. Auf unverbauten Bereichen am Stadtrand entsteht Kaltluft, die in die dicht bebaute Innenstadt strömt. Dort sorgen die Straßenbäume für Abkühlung. Dresden ist zudem in der glücklichen Lage, eine grüne Lunge nicht nur mit der Heide am Stadtrand, sondern direkt im Stadtzentrum zu haben, den Großen Garten. 17 000 Bäume wachsen in ihm, die ältesten davon sind 200 Jahre alt. „Die Mehrzahl sind Altbäume mit großer Krone“, sagt Frithjof Pitzschel, Bereichsleiter Gärten beim Schlösserland Sachsen. Darunter finden sich gewaltige Blutbuchen sowie seltene Arten wie der Blauglockenbaum.

An neue Arten der Straßenbäume müssen sich künftig auch die Dresdner gewöhnen. Das Klima ändert sich, die Sommer werden wärmer und trockener. Der Dresdner Forstwissenschaftler Andreas Roloff schlägt deshalb bei Neupflanzungen vor, statt einheimischer Arten lieber den Amberbaum oder den ostasiatischen Schnurbaum zu wählen. Auch die einst so beliebten Kastanien sind nicht mehr erste Wahl. Neben der Miniermotte macht den Bäumen auch das Bakterium Pseudomonas syringae zu schaffen, eine Gefäßkrankheit. Das Umweltamt setzt bei Neupflanzungen trotzdem auf einheimische Arten. Es richtet sich dabei nach der „Dresdner Straßenbaumliste“, auf der 100 Arten erfasst und bewertet sind. Darauf stehen derzeit Eichen, Kirschen, Weißdorne und Kiefern.

openpetition.de/!mqcjk