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Dreckecke am Straßburger Platz

Mitten in der Innenstadt vergammelt ein Flachbau. Den Eigentümer und die Stadt scheint das kaum zu stören.

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© René Meinig

Von Annechristin Bonß

Die Plastiktüte weht im Wind. Wild wuchern Gestrüpp und Sträucher. Am verrosteten Geländer steht ein Rad. Die Metallstangen sind lose. Die Steinstufen der kleinen Treppe, die zur Tür des Flachbaus führen, bröckeln. Hinter dem Bau im ummauerten Wirtschaftshof, der an Akkis Bierstube grenzt, führt eine enge Treppe in den Keller. Was sich hier abends tut, bleibt unentdeckt. Anwohner wollen Ratten beobachtet haben. Und es stinkt. Wenn Dynamo spielt, erleichtern sich hier viele Fußballfans. Denn dieses Open-Air-Urinal ist stets kostenlos. Die Dreckecke befindet sich mitten in der Innenstadt. Täglich kommen hier Tausende Autos vorbei. Fußgänger eilen zur Straßenbahn. Wer zu Fuß vom Pirnaischen Platz zur Gläsernen Manufaktur läuft, kommt ebenfalls an dem verlassenen Flachbau vorbei. Der vergammelt direkt am Straßburger Platz.

Das ärgert Jürgen Todd. Seit über 30 Jahren wohnt er im Hochhaus an der Grunaer Straße. Kommt er aus der Haustür, sieht er die Dreckecke sofort. Ein Aushängeschild für Dresden sei das nicht, sagt er. Ihn ärgert, dass sich nichts tut. Der viele Müll und das verwahrloste Grundstück seien kein schöner Anblick, so mitten in Dresden. Kinder könnten sich beim Toben auf den Stufen, am Geländer oder im Hof verletzen. Viele der Nachbarn teilen seine Meinung. So Klaus Risse. Er hat sich einmal die Mühe gemacht und den herumliegenden Müll aufgesammelt. Aber eigentlich sei das nicht seine Aufgabe, sagt er. Die beiden Anwohner sind sich einig. Wenn nicht der Eigentümer etwas unternimmt, muss die Stadtverwaltung einschreiten.

Der Zaun ist keine Pflicht

Doch von dort kommt wenig Hoffnung, dass sich schnell etwas ändert. Dabei betreffen die Beschwerden gleich mehrere Ämter. Das Gesundheitsamt teilt mit, dass bisher keine Beschwerden zum Rattenbefall vorliegen. Um Müll und wucherndes Gestrüpp müsste sich das Umweltamt kümmern. Dort liegt eine Beschwerde vor. Die letzte Kontrolle gab es Anfang Februar, den letzten Kontakt zum Besitzer der Immobilie Ende Februar. „In Deutschland gibt es keine allgemeine gesetzliche Pflicht zur Pflege oder zur Einzäunung eines Grundstücks“, teilt ein Stadtsprecher mit. Eine Gefahrenlage wollen die Mitarbeiter nicht bestätigen. Deswegen habe es auch keine Zwangsmittel oder Auflagen gegeben. Das bestätigt auch das Bauamt. Der zuständige Mitarbeiter weist aber auch darauf hin, dass der Eigentümer gut beraten wäre, wenn er sein Grundstück einzäunen würde. „Nicht zuletzt, um unliebsame Nutzungen zu verhindern.“

Wie die aussehen könnten, weiß Jürgen Todd. Im vergangenen Jahr hatten sich kurzfristig Obdachlose am Gebäude niedergelassen. Auch gegen die Wildpinkler im Wirtschaftshof des Flachbaus wird es wohl keine Aktionen der Stadt geben. „Die Situation zu besagtem Grundstück und dessen Umfeld ist bekannt“, teilt der Sprecher mit. Gezielte Kontrollen finden dennoch nicht statt. Dabei ist Wildpinkeln in der Öffentlichkeit eine Ordnungswidrigkeit. Es droht ein Bußgeld bis zu 40 Euro. Mehrfachtäter müssen mit einer Strafe von bis zu 1 000 Euro rechnen. Dennoch hält die Stadtverwaltung eine gezielte Kontrolle am Straßburger Platz für „nicht zielführend“.

Jürgen Todd kann die Untätigkeit nicht verstehen. Mit dem Problem hat er bereits bei Dresdens ehemaliger Oberbürgermeisterin Helma Orosz vorgesprochen. Auch in der Sprechstunde von ihrem Nachfolger Dirk Hilbert ist er schon gewesen. Mehrmals hat er ihn zudem kontaktiert. Zufrieden ist er mit der Reaktion nicht. Denn auch dem Bürgermeister bleibt nur, die zuständigen Ämter auf die leer stehende Immobilie hinzuweisen.

Nun hoffen die Anwohner auf die neuen Nachbarn. Neben Ackis Sportsbar entsteht derzeit parallel zur Lennéstraße ein moderner Wohnbau. Vertriebsleiterin Anja Grohmann vom Bauherrn Pohl Projects bestätigt, dass dem Investor die Dreckecke ebenfalls nicht gefällt. Eine Beschwerde bei der Stadt habe es von dieser Seite aber noch nicht gegeben.