Merken

Dolmetscherin fürs Kreative

Claudia Muntschick hat fünf Jahre das Löbauer Haus Schminke geleitet. Jetzt hilft sie jenen, die tolle Ideen haben.

Teilen
Folgen
© SZ/Uwe Soeder

Von Marleen Hollenbach

Bautzen. Improvisation ist alles. Dieser Satz könnte das Motto von Claudia Muntschick sein. Kalt ist es im alten Kiosk der Bautzener Post. Nur ein Holztisch steht dort, dazu zwei Stühle und ein leeres Regal. Doch mehr als eine Sitzecke und einen Laptop benötigt die 38-Jährige nicht. Aufmerksam hört sie zu, macht sich Notizen. Axel Heinemann hat seine Unterlagen ausgebreitet. Euphorisch erzählt er von seiner Idee. Dann blickt er erwartungsvoll zu ihr. Es ist der Moment, in dem Claudia Muntschick zeigen darf, was sie kann. Heinemann hat ihr von der Visualisierung der Geo-Daten erzählt, von der Geografie des 21. Jahrhunderts. „Der Tourist, der die Lausitz entdecken möchte, findet so auf einer Plattform alle Informationen, die er braucht“, fasst die Mitarbeiterin vom Sächsischen Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft das Anliegen des Geografen zusammen.

In den nächsten Minuten wird sie ihm von einer App in Helsinki erzählen, die anzeigt, wo es in der Stadt freie Parkplätze gibt. Sie wird ihm den Kontakt zum Wirtschaftsförderer der Stadt vermitteln, für ihn nachschauen, ob es Menschen in der Oberlausitz gibt, die sich bereits mit dem Thema beschäftigen und mit denen Heinemann kooperieren kann. „Ich bin eine Art Dolmetscherin für Jungunternehmer, helfe aber auch jenen, die mit einer guten Idee kommen und daraus ein Geschäftsmodell entwickeln wollen“, sagt sie.

Einmal pro Monat kommt Claudia Muntschick, die jetzt in Dresden lebt, nach Bautzen, um in der Post jene kostenlos zu beraten, die in irgendeiner Form kreativ tätig sind. Das können zum Beispiel Architekten, Software-Entwickler oder Grafiker sein, junge Unternehmer, die Probleme mit dem komplizierten Steuersystem haben oder gestandene Firmen, die den Austausch mit anderen kreativen Köpfen suchen.

Welche Sorgen kreative Selbstständige haben, weiß Muntschick genau. Die gebürtige Bautzenerin ist seit 14 Jahren freie Architektin. Nebenbei hat sie immer Musik gemacht und in den vergangenen fünf Jahren auch als Geschäftsführerin das Haus Schminke in Löbau geleitet. Deshalb kann sie auch sicher sagen: „Leute aus den kreativen Branchen in Sachsen haben lange Zeit zu wenig Aufmerksamkeit für ihre Anliegen erhalten.“ Um das zu ändern, entstanden zwischen 2010 und 2014 in Leipzig, Dresden und Chemnitz Stadtverbände, in denen Leute wie sie andere Menschen aus dieser Branche unterstützten – und das komplett ehrenamtlich. Doch nun fördert der Freistaat fünf Jahre lang das Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft in Sachsen. Für Claudia Muntschick heißt das, sie kann endlich auch Beratungen jenseits der drei Großstädte anbieten.

In einigen Kleinstädten hat sie das Projekt bereits vorgestellt und dabei interessante Akteure kennengelernt. Denn wer glaubt, kreative Köpfe leben nur in den Metropolen, der liegt falsch. Viele würden vor den hohen Mieten der Großstädte fliehen, meint Muntschick. Zumal Kreative einen Vorteil haben: „Die meisten brauchen nur einen Internetzugang. Wo sie dann arbeiten, ist egal“, sagt die Architektin. Deshalb sei es auch nicht verwunderlich, dass es in der Oberlausitz viele gute Agenturen gibt. Auch zahlreiche Künstler sind im ländlichen Raum zu Hause, meint Muntschick. Eine wichtige Rolle würde auch die Filmwirtschaft spielen. Dabei denkt Muntschick nicht nur an Görlitz. Auch Bautzen sei eine ideale Filmkulisse, meint sie und erklärt, wie der ganze Ort davon profitieren könnte: „Die Filmcrew schläft dann in den Hotels der Stadt, isst in den Restaurants. Und die Schauspieler machen unheimlich Werbung für den Ort.“

Wenn sie von Bautzens toller Bausubstanz spricht, wird deutlich, wie sehr ihr die Geburtsstadt am Herzen liegt. Deshalb hat sie sich auch so gefreut, dass die Stadtverwaltung von Anfang an Interesse an der Beratungsstelle zeigte. Ihr Traum ist es, dass Bautzen ein Zentrum für Kreative erhält. Denn viele Selbstständige können sich eine eigene Arbeitsstätte nicht leisten. In einem gemeinsamen Büro kämen die Kreativen nicht nur günstig unter. Wer nebeneinander arbeitet, kennt sich und kann zusammen Projekte realisieren. Zwar liegt ein solches Zentrum in ferner Zukunft, doch Claudia Muntschick freut sich, dass überhaupt etwas losgeht.

„Ich bin froh und glücklich, dass ich nun auch nach Bautzen kommen darf und habe große Lust darauf, hier etwas zu machen“, sagt sie. Wenn ihre Söhne mit der Schule fertig sind, möchte sie auf jeden Fall zurückkehren. In eine Stadt, in der dann hoffentlich viele Kreative leben, die gut vernetzt sind und die jene Unterstützung erhalten, die sie verdienen.

Einmal im Monat berät Claudia Muntschick Kreative im alten Kiosk der Bautzener Post. Der nächste Termin ist der 14. November.

Kontakt und vorherige Anmeldung unter: [email protected]