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Sprühen gegen Schubladendenken

Bei der ersten Aktion von „Jugend für morgen“ geht es um Vorurteile – auch zwischen Oberschülern und Gymnasiasten.

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© Dietmar Thomas

Von Jens Hoyer

Döbeln. Der kleine Saal des Volkshauses ist ein Malsaal. Der Fußboden ist ausgelegt mit Flies und Papierbahnen, über die Tische gebeugt stehen junge Leute in Kitteln und mit Mundschutz vor den Gesichtern. Die Fenster sind weit offen, denn es riecht durchdringend nach frischer Farbe. Ein Graffiti entsteht an diesem Tag. Kein gewöhnliches, das an Mauern gesprüht wird, sondern eines, das auf Wanderschaft gehen kann.

Die Graffiti-Kunstaktion ist die erste einer Initiative, die sich den Namen „Jugend für morgen“ gegeben hat. Zwei junge Frauen, Anna-Lina Matz und Michelle Finsel-Mitschke, Schülerinnen der 12. Klasse des Lessing-Gymnasiums, stehen als Akteure hinter dieser Initiative. Betreut werden sie wiederum von Nicole Schütze vom Verein „Freiberger Agenda 21“. Woanders in Landkreis Mittelsachsen gibt es solche Jugendinitiativen schon. Freiberg hat seit 20 Jahren ein Jugendparlament. In Flöha wurde im vorigen Jahr die „Jugendstimme Flöha“ gegründet. „Die haben jetzt vier Vorstandsmitglieder“, sagte Nicole Schütze von Agenda 21. Als sie in Döbeln nach Mitstreitern suchte, geriet sie an Michelle Finsel-Mitschke. „Ich kannte das vorher nicht und war gleich begeistert“, erzählt die Schülerin. Ihre Freundin fand die Idee auch gut. Die beiden Zwölftklässlerinnen standen auch mit der Farbdose im Volkshaus und gestalteten ein Stück Wandergraffiti. Und mit ihnen jeweils sieben Schülerinnen und Schüler aus dem Lessing-Gymnasium und der Oberschule Am Holländer. Es ist ein Versuch der Annäherung zwischen den Schülern, die sonst sehr wenig miteinander zu tun haben. Und es passt zum Thema der Aktion.

Bei der soll es nämlich um Vorurteile und Schubladendenken gehen. Und Vorurteile, so Michelle Finsel-Mitschke, gibt es auch vonseiten der Gymnasiasten gegenüber den Oberschülern und umgekehrt. „Das merke ich im eigenen Freundeskreis“, sagt die Schülerin. Meist bilden sich Freundschaften nur innerhalb einer Schule. Und auch am Morgen der Kunstaktion standen die jungen Leute erst säuberlich getrennt in Grüppchen. Das wurde aber schnell aufgelöst. An den Tischen arbeiteten abwechselnd Oberschüler neben Gymnasiasten und teilen sich die Farbdosen.

Unter Anleitung des Ehrenberger Künstlers Jens Ossada setzen die Schüler ihre Ideen in Bilder um. Die Tafeln, die dabei gestaltet werden, enthalten jeweils einen Buchstaben. Zusammengesetzt ergeben sie das Wort „Schubladendenken“, erzählt Michelle Finsel-Mitschke. Das Graffiti soll zuerst im Gymnasium und danach in der Oberschule gezeigt werden, später möglichst noch im Rathaus. „Es wandert ein Jahr. Und dann bekommt jeder Jugendliche seine Tafel zurück“, sagte Nicole Schütze.

Der Verein Agenda 21 bekommt für die Aktionen mit den Jugendlichen Geld aus dem Bundesprogramm Lokaler Aktionsplan „Toleranz ist ein Kinderspiel“. Für den gesamten Landkreis Mittelsachsen stehen 7 000 Euro zur Verfügung, sagte Nicole Schütze. Bei Kunst- und anderen Aktionen mit jungen Leuten soll es nicht bleiben. Ziel sei es, in Döbeln eine Jugend-Ideenkonferenz zu installieren, in der jungen Leute aus ihrem Blickwinkel Vorschläge zur Entwicklung der Stadt liefern. „Wir stellen uns regelmäßige Runden mit Mitglieder des Stadtrates und der Stadtverwaltung vor“, sagte Nicole Schütze. Bisher sei aber noch kein Termin dafür festgelegt worden.