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Döbelner in Raubkunst-Geschäfte der Nazis verstrickt

Autor Andreas Förster informiert in einer Lesung über Gottfried Reimer. Darin geht es um das verschollene Bernsteinzimmer.

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© Dietmar Thomas

Von Helene Krause

Döbeln. Der Berliner Journalist und Buchautor Andreas Förster stieß bei Recherchen zu seinem Buch „Schatzräuber – Die Suche der Stasi nach dem Gold der Nazizeit“ in einer Stasiakte auf den Namen Dr. Gottfried Reimer. Der Kunsthistoriker lebte bis zu seinem Tod im Jahre 1992 in einem Haus an der Grimmaischen Straße 23 in Döbeln. In der Nazizeit war er, obwohl nie in der NSDAP, maßgeblich für die Raubkunst zuständig, die die Nazis in den von ihnen besetzten Ländern erbeuteten. Förster informierte in seiner Lesung im Café Courage über Reimer, dessen Verstrickung in die Raubkunst unddarüber wie die DDR-Staatssicherheit den Kunsthistoriker überwachte.

Gottfried Reimer wurde 1911 in Döbeln geboren. Er war der Sohn eines Anwalts und Kunstsammlers. Er studierte in Würzburg und Dresden Kunstgeschichte. 1939 beschäftigte ihn der Leiter der Dresdner Gemäldegalerie Hans Posse als wissenschaftlichen Assistenten. Über Posse kam Reimer zur Mitarbeit im „Sonderauftrag Linz“. Dahinter verbarg sich das geplante „Führermuseum der Weltkunst.“ Das Museum wollte Hitler der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz schenken. Reimers Aufgabe war es, die Arbeit von „Sonderauftrag Linz“ zu organisieren, Schriftwechsel mit der Parteikanzlei zu führen und die Finanzplanung für den Ankauf von Kunstschätzen für das künftige „Führermuseum“ zu leiten. Er hielt Kontakt zum Ostministerium, das für die Ausplünderung der besetzten osteuropäischen Länder zuständig war, sowie zum „Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg“. Das war die größte Kunstrauborganisation der Nazis. In seiner Funktion suchte Dr. Gottfried Reimer gelegentlich auch selbst geraubte Bilder für das Museum aus. Gegen Ende des Krieges war er mit dafür verantwortlich, die Kunstwerke auszulagern, zu verstecken und so auch vor den Bombenangriffen und vor der Vernichtung zu schützen. Nach dem Krieg arbeitete er unter anderem als Denkmalpfleger im Kreis Döbeln. Mitte der 1970er Jahre hörte Gottfried Reimer plötzlich auf zu arbeiten. Er vergrub sich in seiner Wohnung, war ein Sonderling und verwahrloste.

Nach einem dubiosen Brief, den die Staatssicherheit Döbeln im März 1979 aus einem Postsack fischte, war Reimer bei der Stasi zur Chefsache erklärt worden. Der Brief stammte von einem Westberliner, war diffus verfasst und enthielt, so wird vermutet, die Drohung, nichts auszuplaudern. Weil die Stasi Devisen brauchte und deshalb an Kunstwerken mehr als interessiert war, beschatteten sie Dr. Gottfried Reimer unter dem Decknamen „Robinson“. Die Stasileute gingen davon aus, dass er als Mitarbeiter der „Sonderaktion Linz“ auch über den Verbleib des Bernsteinzimmers Bescheid wusste. Außerdem vermuteten sie, dass er nur so zurückgezogen lebte, weil er in seiner Wohnung Raubkunst aufbewahrte. Reimer wurde tagelang verhört. Inoffizielle Mitarbeiter spähten seine Wohnung nach geraubten Kunstwerken aus und sie observierten Besucher. Gefunden wurde nichts. Auch der Verbleib des Bernsteinzimmers blieb im Dunklen. (hk)